Malaysias Regierung stoppt Musikfestival nach gleichgeschlechtlichem Kuß
Intoleranz und offene Ablehnung gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans Menschen gehört vielerorts zum Alltag der Betroffenen. Unerträglich wird es, wenn sich auch staatliche Behörden an der Unterdrückung von LGBTQIA+ beteiligen und ihnen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt verweigern. In über sechzig Staaten wird Homosexualität immer noch strafrechtlich verfolgt, in zwölf Ländern droht sogar die Todesstrafe für Lesben und Schwule. Auch in Malaysia ist Homosexualität illegal und kann mit 20 Jahren Gefängnis bestraft werden. Erst im März hatte Malaysias Regierung zudem strengere Regeln für ausländische Künstler eingeführt, die auch die Kleiderordnung und das Verhalten betreffen. Sie begründete dies unter anderem mit dem Schutz religiöser Gefühle. Am 21. Juli startete in Kuala Lumpur das Good Vibes Festival. Die britische Band The 1975 — nein, ihre Musik ist so gar nicht meins, aber egal — trat an diesem Tag auf und sollte eine Stunde spielen. Auf derBühne kritisierte ihr Frontmann Matty Healy die Anti-Homosexuellen-Gesetze des Landes: Es sei ein Fehler, in Malaysia aufzutreten, denn: „Als wir die Shows buchten, habe ich nicht darüber nachgedacht. Ich sehe den verdammten Sinn nicht darin, uns in ein Land einzuladen und uns dann zu sagen, mit wem wir Sex haben dürfen. Ihr seid junge Leute, und ich bin mir sicher, dass viele von euch schwul, fortschrittlich und cool sind.“ Die Menge jubelte und Bassist Ross MacDonald fing an, seinen Frontmann auf der Bühne zu knutschen. Aufnahmen des „Vorfalls“ wurden in den sozialen Medien gepostet und lösten im überwiegend muslimischen Malaysia eine heftige Gegenreaktion aus. Schon kurz darauf brach Healy den Auftritt mit den Worten ab: „Okay, wir müssen gehen. Wir wurden gerade aus Kuala Lumpur verbannt, wir sehen uns später.“ Der Minister für Kommunikation und Digitales, Fahmi Fadzil, ließ kurzerhand das gesamte Festival verbieten. „Ich möchte betonen, dass die Position der Regierung sehr klar ist: Es gibt keinen Kompromiss, mit wem auch immer, wenn malaysische Gesetze in Frage gestellt, herabgewürdigt und verletzt werden”, betonte der Minister in den Sozialen Medien und erklärte darüberhinaus, dass Homosexualität in dem Land ein Verbrechen ist, das mit Gefängnis und Prügel bestraft werden kann. The 1975 cancelte anschließende Auftritte in Taiwan und Indonesien und spielt ab August ihre Tour weiter in den USA.
Die Reaktionen in den Sozialen Medien auf die Aktion von Healy sind nicht nur positiv. Die einen feiern seine klaren Aussagen, andere meinen, er habe keinen Respekt für andere Kulturen. Er sei nichts anderes als ein privilegiertes Kind. Aber ganz ehrlich: Kann Hass und Diskriminierung tatsächlich Bestandteil einer Kultur sein? Und sollte man das dann nicht klar und offen kritisieren? Und ich denke auch, solange die Weltkarte so aussieht wie unten, sollten wir auf eine integrierende, gendergerechte Sprache beharren — und sei es nur, um all die Reichels, Tichys, Elsässers und Fleischhauers damit gehörig zu ärgern…
SPÄTERE ERGÄNZUNG (31. Juli 2023): Die Rockband Muse hatte wohl keine Lust auf ähnlichen Ärger, daher verzichtete die Band in Kuala Lumpur auf die Performance ihres Songs „We Are Fucking Fucked“ — der obszöne Songtitel schien wohl zu riskant. Stattdessen spielte Muse den Track „Resistance“, in dem es übrigens heißt: „ If we live a life in fear / I’ll wait a thousand years / Just to see you smile again / Kill your prayers for love and peace / You’ll wake the thought police / We can’t hide the truth inside“. Wahrscheinlich verstehen die Regierenden in Malaysia ja kein Englisch. Möglich wär‘s, denn Toleranz hat auch etwas mit Bildung zu tuen.