Swans wurden 1982 von dem Musiker Michael Gira in New York gegründet. Er ist fasziniert von der brodelnden, kreativen Subkultur der Lower Eastside. Entsprechend stark präsent sind auf der ersten Veröffentlichung auch die No-Wave-Einflüsse. So umschreibt „Swans“ den Musikstil der Band laut Michael Gira am besten, denn: „Swans are these beautiful animals, who are in reality completely obnoxious. They’re hateful things. (Schwäne sind diese schönen Tiere, die in Wahrheit komplett widerwärtig sind. Sie sind abscheuliche Wesen.)“ Sind ihre musikalischen Wurzeln zunächst dem No Wave und dem Post-Industrial zugeordnet, so wechseln sie doch häufig Stil, Sound und Klangarchitektur. Was bleibt, ist der sonore Sprechgesang von Michael Gira. Ähnlich unbeständig ist auch die Bandzusammensetzung, selbst Thurston Moore, Mastermind der Sonic Youth, zählt kurzzeitig zu den Bandmitgliedern. Nach einigen fantastischen Alben auf dem von Michael Gira selbst betriebenen Label Young God Records und einer zwischenzeitlichen Auszeit (1999 bis 2007) gelingt ihnen 2012 mit dem beeindruckenden Doppelalbum „The Seer” ein überwältigendes Comeback. Zwei Jahre später schieben sie mit „To Be Kind” einen würdigen Nachfolger nach, um dann 2016 mit„The Glowing Man” auch das zweite Bandkapitel wieder auf Eis zu legen. Der großartige Restart gelingt den Swans dann 2019 mit „Leaving Meaning”.
Swans
The Beggar
Veröffentlicht: 23. Juni 2023
Label: Young God Records
Textausschnitt aus „Michael is Done”
Now Michael is done
Stripped bare of pretense soaking his sheets
While counting insects
He’s a grid on the sun
He’s the hate in the love
Das nunmehr 16. Studioalbum „The beggar“, das mit seinen zwei Stunden eine fast schon epische Länge besitzt, wurde im Candy Bomber Studio in Berlin aufgenommen und gemischt, von Ingo Krauss produziert und von Doug Henderson bei Micro-Moose ebenfalls in Berlin gemastert, wo inzwischen mehrere Mitglieder der einst in New York beheimateten Band leben, allen voran natürlich Kristof Hahn, der langjährige Gitarrist und engste Vertraute von Gira. Zur aktuellen Kernbesetzung gehören zudem Larry Mullins, Dana Schechter, Christopher Pravdica, Phil Puleo, außerdem als Gast Ben Frost. Die elf Stücke des zweistündigen Albums sind allesamt gewohnt ausufernd, aber der vorletzte Track „The Beggar Lover (Three)“ ist dann mit seinen 45 Minuten die tatsächlich längste Studiokomposition in der langen Bandgeschichte und bekommt damit aber auch aufgrund seiner breiten musikalischen Vielfalt die Bedeutung eines Albums innerhalb eines Albums. Der Track startet langsam schleppend mit einem wunderbaren Drone, später begleitet von einem Sprachsample einer jungen Frau, die Unverständliches (ein alten Märchen?) murmelt, die Klänge werden immer heftiger und industrieller, verglühen langsam und faden aus, um unter gewittrigen Drums neu aufzuglühen und wieder zu heftigem Feuer zu entfachen. Am Ende taucht dann aus dem Nichts überraschend der Titeltrack von „Leaving meaning“ auf. Hier fließt alles ineinander: experimentelle Klänge, wuchtige Gitarreneruptionen, Fieldrecordings und kräftige Drums — ein Track von dunkler, beunruhigender und wunderbarer Schönheit. Aber neben diesem Track gibt es noch weitere großartige Momente — so zum Beispiel das an Velvet Underground erinnernde „Los Angeles: City Of Death”, das fast als poppige Rock-Variante daherkommt, oder das Country-hafte „Unformig“ mit Steel-Gitarre und reichlich Piano. Und dann ist da noch „Michael Is Done”, in dem Gira über seine eigene Sterblichkeit und Nachfolge nachdenkt und das dennoch luftig erhaben und hoffnungsvoll klingt. Denkt der mittlerweile 68jährige hier wirklich ans Aufhören? Musikalisch und stilistisch scheint er jedenfalls noch nicht am Ende zu sein.