Achtsamkeits-Punk

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Team Scheisse

26. September 2023 • ZAKK, Düsseldorf

Heute hat sich eine der ange­sag­tes­ten deut­schen Punk-Bands im ZAKK ange­kün­digt: Team Scheisse aus Bre­men, die sich nicht zuletzt wegen ihrer explo­si­ven, wil­den Shows auch außer­halb von Sze­ne­schran­ken und Sub­kul­tur einen Namen gemacht haben. Die möchte ich auch gerne mal sehen. Aller­dings ist das Kon­zert schon seit Mona­ten aus­ver­kauft. Ich dru­cke mir also ein klei­nes Schild­chen „Suche Ticket“ und mache mich recht­zei­tig auf den Weg zum ZAKK. Kaum habe ich mein Schild in der Hand, da kommt auch schon ein freund­li­cher Dort­mun­der auf mich zu und ver­kauft mir sein über­flüs­si­ges Ticket zum regu­lä­ren Preis. Cool — vie­len Dank Unbe­kann­ter. Jetzt stehe ich natür­lich viel zu früh in der Halle, wenn auch in der Pole-Posi­tion, und stelle fest, dass durch meine Ankunft das Durch­schnitts­al­ter auch gleich ekla­tant in die Höhe geschos­sen ist. Nun denn…

Gegen vier­tel nach Acht, also rela­tiv pünkt­lich, betre­ten „pla­net are on it“, ein Trio aus Leip­zig, als Sup­port die Bühne. Die drei prä­sen­tie­ren einen wil­den Free-Rock aus Funk, Polka, Jazz und Punk mit Tracks wie „Keine Banane, Kein Pro­blem?“, „Hilfe ich bin dumm“ oder ein­fach nur „Wie Musik“ – alles mit viel Iro­nie und Spaß. Das funk­tio­niert mal sehr gut, mal weni­ger über­zeu­gend. Zwi­schen­durch gibt es eine län­gere Pause wegen eines tech­ni­schen Pro­blems mit dem Bass — aber ins­ge­samt wird die Vor­stel­lung vom Publi­kum sehr gut auf­ge­nom­men und am Ende wird sogar um eine Zugabe gebe­ten. Gibt’s natür­lich nicht.

Kurze Umbau­pause, dann tritt Team Scheisse ins Ram­pen­licht. Bevor es richt los­geht, ver­kün­det Front­man Timo War­kus die Benimm-Regeln für den Abend: „Wir haben zu viel Scheiße erlebt, das wol­len wir nicht bei unse­ren Kon­zer­ten. Also: Grapscht nie­man­den an. Ach­tet auf­ein­an­der, ver­letzt nie­man­den, helft ein­an­der auf, wenn wer fällt. Wenn ihr zu viel getrun­ken habt, geht an den Rand, nervt andere Leute nicht. Und: Lasst ver­dammt noch­mal eure T‑Shirts an!“ OK, so funk­tio­niert Punk also heut­zu­tage, denk ich noch, und dann star­tet das Quin­tett auch schon mit sei­ner ener­gie­ge­la­de­nen Show, bei der dass Publi­kum dann auch gleich rich­tig abgeht: Die Menge bebt und tobt, springt, schreit und schwitzt, klatscht den Rhyth­mus mit und zeigt sich enorm text­si­cher. Die meis­ten Songs wer­den laut­hals mit­ge­sun­gen. Dazwi­schen wird zwei­mal darum gebe­ten, den Mosh­pit bitte mal nur den Flinta*-Personen zu über­las­sen. Timo War­kus teilt die Crowd und sorgt in der Mitte für Platz: „Die Cis-Dudes, wie ich einer bin, neh­men oft zu viel Raum ein. Die ach­ten jetzt mal schön dar­auf, dass sich die FLINTA* aus­to­ben kön­nen, ohne von zig lie­bens­wür­dig besof­fe­nen Ker­len nie­der­ge­walzt zu wer­den!“ Natür­lich spielt die Band eini­ges von „Ich habe Dir Blu­men von der Tanke mit­ge­bracht (Jetzt wird geküsst)“ aber vie­les ist vom Nach­fol­ger-Album „042124192799“, wie zum Bei­spiel „Vor­rats­kam­mer“, in dem sie „Denk­mal“ von Wir Sind Hel­den in eine Pop-Punk-Num­mer ver­wan­deln. Ich bin heil­froh, als sich der Typ neben mir eine Ziga­rette anzün­det, denn sehr schnell über­schrei­tet der Schweiß­ge­ruch in der vol­len Halle jeg­li­che Grenz­werte. Zwi­schen­durch gibt es noch eine kleine Mit­mach-Aktion: Katja, eben­falls aus Dort­mund, wird aus dem Publi­kum aus­ge­wählt und darf sich ein Instru­ment aus­su­chen, auf dem sie die Band beglei­tet: Kazoo, Block­flöte oder Tri­an­gel. Sie wählt das Kazoo, macht ihre Sache sehr gut und wird dafür vom Publi­kum schwer abge­fei­ert. Das ist alles ganz unter­halt­sam und kurz­wei­lig, macht auch Spaß, aber der gut­ge­launte, auf­ge­drehte Feten-Pogo kann zuwei­len auch ner­ven. Der fei­er­wü­ti­gen Par­ty­punk-Gesell­schaft scheint es jeden­falls zu gefal­len und für sie ist das Ganze dann wohl auch zu schnell vor­bei — im Schnitt dau­ern die Songs andert­halb Minu­ten und auch beim Haupt-Act gibt es keine Zugabe.

Quint­essenz des Abends: Es hat Spass gemacht, Team Scheisse ein­mal live zu erle­ben, aber für die­sen Acht­sam­keits-Mit­mach-Fun-Punk bin ich dann doch defi­ni­tiv zu alt, zumal meine Moves in der wil­den Crowd auch nicht mehr so ganz smooth und nice rüber­kom­men. Drau­ßen vor der Halle schi­cke ich dann noch ein Pär­chen, das zur Kett­wi­ger Straße will, in die fal­sche Rich­tung. Da mir der Feh­ler aber noch recht­zei­tig auf­fällt, renn ich hin­ter­her und kor­ri­giere mich. Wie gesagt: Der 2023er Punk ist lie­bens­wür­dig, nett und zahm – also irgend­wie dann doch nix für mich. Auf dem Rück­weg frage ich mich dann noch, ob Team Scheisse mit dem Her­vor­he­ben ihres acht­sa­men Bewusst­seins nur – wie so manch andere auch – doku­men­tie­ren, dass sie zu den Guten gehö­ren, oder ist das echt?