The Twits
Viele Kritiker halten sie für die Retter des guten, alten Indie-Rocks: Das Londoner Trio Bar Italia bewegt sich stilsicher zwischen Shoegaze, Post-Punk und Bedroom-Pop. Vor der Gründung von Bar Italia waren alle drei Bandmitglieder*innen auch in anderen Formationen aktiv. Die in Italien geborene Nina Cristante hat mehrfach mit Dean Blunt zusammengearbeitet, Sam Fenton und Jezmi Tarek waren schon als Duo unter dem Namen Double Virgo unterwegs und schrammelten schrulligen Lo-Fi-Rock. 2020 veröffentlichten sie zum ersten Mal als Bar Italia gemeinsam Musik: die Debüt-EP „Quarrel“. Der Bandname geht wohl auf eine kleine italienische Café-Bar in Soho zurück. Mittlerweile ist das Trio beim Label Matador Records gelandet.
Textausschnitt aus „My little tony ”I wanna be where you are
It’s on the seat of your car
I know, I left it for you
I turned to see where you are
Mit „The Twits“ erscheint bereits das zweite Album innerhalb eines Jahres. Nach dem im Mai erschienenen Debütalbum „Tracey Denim“ hat das Trio über einen Zeitraum von zwei Monaten in einem improvisierten Studio auf Mallorca nun einen weiteren Longplayer aufgenommen, der am 3. November 2003 bei Matador Records erschien. Der Titel scheint dem gleichnamigen Buch von Roald Dahl aus dem Jahr 1980 entlehnt zu sein: „Die Zwicks stehen Kopf“ (Originaltitel: The Twits) ist die detailreiche Beschreibung einer Ehe mit äußerst skurrilen Einfällen und eigentümlichen Wendungen, die bis an den Rand des guten Geschmacks gehen. Im Englischen bedeutet „Twit“ auch so viel wie Depp oder Blödmann.
Rau und ungeschliffen, wie aus dem Proberaum…
Rau, seltsam und oft mit überraschenden Wendungen geht es analog zum erwähnten Roman auch auf dem Album zu. Es startet mit einem harten, unpolierten Gitarrensound, der gern laut gehört werden will. „My little tony“ ist eine dieser herrlichen Post-Punk-Nummern, die direkt ins Ohr gehen und mitreißen – ein Track, der angenehm an die Detmolder Indie-Band Sharon Stoned aus den 90ern erinnert. In eine ähnliche Richtung galoppiert „World’s Greatest Emoter“, ein schneller Rhythmus-Rocker mit lärmigen Gitarren, der immer schön ruppig auf die Vier geht. Aber man suhlt sich auch schon mal gern in schönster 90er Shoegaze-Ästhetik („Real house wibes (desperate house vibes)“ oder wiegt sich im langsam windenden Walzer-Rhythmus wie im Track „Twist“ – kein Schreibfehler: Hier ist wirklich der Modetanz im 4/4‑Takt gemeint und nicht die Albumtitel-gebenden Deppen. Mit „Jelsy“ hat das Trio einen schwermütigen Country-Blues im Gepäck und bei „Hi-Fiver“ begeben sie sich in eine seltsame Psychedelic-Stimmung.
…und plötzlich wird der Stecker gezogen.
Der musikalische Richtungswechsel wird durch die wechselnden Vocals zusätzlich unterstrichen, dabei enden die Songs auch schon mal so abrupt, als würde der Stecker gezogen – aber dann geht es auch schon in einem anderen Sound weiter… „The Twits“ überzeugt mit seinen verspielten Melodien und düsteren Klängen und legt die Einflüsse von Bands wie The Cure, Pavement und My Bloody Valentine unverblümt und offen frei.