R.P.S. Lanrue, Gitarrist und Mitbegründer der deutschen Politrockband Ton Steine Scherben erlag am 14. Juli im Alter von 74 Jahren seinem Krebsleiden.
Ralph Peter Steitz wurde 1950 im französischem Grenoble als Sohn eines Deutschen und einer Französin geboren, später zog die Familie mit vier Kindern nach Hessen. Dort lernte R. P. S. Lanrue auch den gleichaltrigen Ralph Möbius kennen, der sich später Rio Reiser nennen sollte. Gemeinsam coverte man zunächst als Beat Kings populäre Beatmusik, wenig später spielte man als Rockband De Galaxis eigene Songs. Um dem Wehrdienst zu entkommen, gingen beide 1967 nach Westberlin, wo sie in diversen Musiktheaterprojekten arbeiteten und 1970 in Kreuzberg zusammen mit dem Bassisten Kai Sichtermann und dem Schlagzeuger Wolfgang Seidel die Agitprop-Rocker Ton Steine Scherben gründeten. Mitteleriweile hatte Steitz den Namen R. P. S. Lanrue angenommen (eine Verballhornung von „de la rue“: von der Straße).
Eine der politischsten Bands Deutschlands
Scherben-Songs wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Schritt für Schritt ins Paradies“ und „Keine Macht für niemand“ wurden schnell zum Soundtrack der (west-)deutschen Jugendkultur der 1970er, die das kapitalistische System in Frage stellten. Gerne wurde ihr linker Parolerock auf Demos skandiert. „Ihr kriegt uns hier nicht raus / Das ist unser Haus, schmeißt doch endlich / Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus“ – die Zeilen aus ihrem Rauch-Haus-Song machten die Band zum musikalischen Sprachrohr der Hausbesetzer-Szene. Natürlich verweigerten sich die kapitalismuskritischen Scherben auch dem üblichen Musikbusiness und sie betrieben als eine der ersten deutschen Bands bereits kurz nach Gründung ihr eigenes Label, David Volksmund Produktion. Die derzeitige Kulturstaatsministerin Claudia Roth war Managerin dieser Systemgegner. Ihr Kommentar zum Tod des Musikers: „Das ist ein großer Verlust, auch für mich persönlich. R.P.S. Lanrue war einer der wichtigsten Komponisten und Gitarristen unseres Landes. Sie haben mit ‚Ton Steine Scherben‘ eine der politischsten Bands unseres Landes gegründet, die aber ebenso für große Kunst stand.“
Der König von Deutschland
Mitte der 1970er Jahre erwarben die Musiker mit einer kleinen „Scherben-Gemeinde“ einen nordfriesischen Bauernhof bei Fresenhagen in Nordfriesland. Hier entstand das vierte – und vorletzte – Album „IV“ der Band. 1985 gab die Gruppe schließlich ihre Auflösung bekannt. Trotz ihres Legendenstatus blieb die finanzielle Situation der Band immer prekär. Rio Reiser wurde zum „König von Deutschland“ und Lanrue unterstützte ihn als Teil der Rio Reiser Liveband. 2014 – 29 Jahre nach ihrer Auflösung und 18 Jahre nach dem Tod von Sänger Rio Reiser – fanden sich Ton Steine Scherben noch einmal unter der Leitung von R.P.S. Lanrue zusammen, um gemeinsam auf Tour zu gehen – unterstützt von Gastmusikern wie Frittenbude, Blumentopf, Madsen und Sebastian Krumbiegel. In den letzten Jahrzehnten lebte Lanrue eine Zeit lang in Portugal als „Zitronen-Bauer“, wie er selbst einmal bemerkte, sowie auf dem Landgut Fresenhagen. Hier befand sich zunächst auch das Grab von Rio Reiser, bevor dieser 2011 auf den Schöneberger St. Matthäus-Kirchhof umgebettet wurde. In den letzten Jahren kämpfte Lanrue mit dem Krebs, unterstützt von seiner Lebenspartnerin Anne, und starb am 14. Juli im Kreis seiner Familie.