The Battery Farm ist eine vierköpfige Punk-Band aus Manchester. Sie beschreiben ihren Sound als „Doom Punk“ und spielen einen gefühlsbetonten, gnadenlosen Industrial-Punk mit Anklängen an Idles und Fugazi. Ihre Musik ist ein kehliger Schrei gegen eine gewalttätige, verlogene Welt: teils Nihilismus, teils Hoffnung, mal Wut, mal Freude – beißender Punkrock, der sich gegen eine zunehmend verrohende Gesellschaft richtet. Die Band, bestehend aus den Brüdern Ben (Sänger) und Dominic Corry (Gitarrist) sowie Bassist Paul Worrall und Drummer Sam Parkinson, überzeugte schon mit ihrem Debüt „Flies“ aus dem Jahr 2022 durch ihre exzellente, rohe Härte.
Beat by No-one’s pain moves me anymore
Textausschnitt aus „Hail Mary“
No injustice shocks me anymore
What will I become?
Get this thing the fuck away from me
Der Einstieg in „Dark Web“, das zweite offizielle Studioalbum der Band The Battery Farm, ist ungewöhnlich ruhig und getragen. „Under the Bomb“ ist ein sanfter, dunkler Gothic-Folk-Song, in dem Frontmann Ben Corry ungewohnt ängstlich und fast rührselig klingt. Erst gegen Ende des Songs kippt die Stimmung ins Bedrohliche. Ein beunruhigender und verzerrter Sound lässt Übles erwarten und verstärkt das Gefühl einer bevorstehenden Bedrohung. Tatsächlich entstand der Song in den ersten Monaten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Ein Krieg, der ganz Europa erfasst, scheint plötzlich wieder möglich. Das beklemmende Gefühl aus dem Kalten Krieg, geprägt von der atomaren Bedrohung, kehrt zurück. Die unfassbare Apokalypse wird erneut denkbar. Mit „The Next Decades“ kehrt die Band zu ihrer bekannten Wildheit und dem vielseitigen Gesang zurück: knorriger Punk, untermalt von donnernden Drums und düsteren Doom-Riffs. Textlich betrachtet der Song die schlimmsten Szenarien, die noch auf uns zukommen könnten, und greift damit die Bedrohung des Openers auf. Es ist ein Aufschrei der Verzweiflung. In „Hail Mary“ dominiert ein mitreißender, mathematischer Bassriff, um den sich unzählige Effekte und Verzerrungen drehen. Der Song kritisiert frustriert das Doomscrolling und den süchtig machenden Terror des 24-Stunden-Nachrichtenzyklus. Auch „Oh God“ nimmt vermeintlich religiöse Themen auf: ein wilder, gebetsähnlicher Track, der von großartiger Rhythmusarbeit dynamisch vorangetrieben wird. Hüpfende Basslinien, langsam dröhnende Trommeln und reichlich Gitarren-Feedback schaffen ein Sound-Chaos, dem man sich nur zu gerne hingibt. Der Titeltrack „Dark Web“ folgt als düstere, wunderschöne Ballade, durchdrungen von einer subtilen Lynch-Atmosphäre. Frontmann Ben Corry sinniert in bester Crooning-Manier: „The Hum of Hell is getting ever louder / how long can I tell myself it’s all fine?“
Vom Eismann zur Atombedrohung
„Stevie’s Ices“ schlägt das Album dann eine völlig unerwartete Richtung ein: Ein Eisverkäufer kündigt sich an – ist es Zufall, dass der darauf folgende Song „Icicles“ heißt? Dieser funky Ohrwurm kombiniert schräge Gitarrensounds mit eingängigem Sprechgesang. Der Track „John Bull’s Hard Times“ zeichnet ein düsteres Bild der gleichnamigen Figur, einer nationalen Personifikation Großbritanniens. Jahrzehntelange, neoliberal gesteuerte Gängelung haben ihn wütend, müde, paranoid und arm gemacht. Diese Wut entlädt sich in kreischenden Gitarren, krachenden Drums und gallespuckenden Vocals. Mit „It’s a Shame, Thanks a Lot“ präsentiert die Band einen sehr einfühlsamen, persönlichen Track. In eine großartige Melodie verpackt verarbeitet Ben Corry seinen Nervenzusammenbruch, der 2023 in einem Krankenhaus endete. Er spricht offen über seine psychische Gesundheit, die monströse Angst, den Kontrollverlust und die Hilflosigkeit, die ihn damals begleiteten. Der Schlusstrack „After the Bomb“ greift schließlich den Gedanken des Openers noch einmal auf: Die atomare Vernichtung bleibt eine reale Möglichkeit. Eine vollständige nukleare Abrüstung ist für unser Überleben unerlässlich, denn solange diese Waffen existieren, sind wir alle in Gefahr. Passend dazu ziert ein Zitat des britischen Philosophen und Mathematikers Bertrand Russell die Rückseite des Albums: „You may reasonably expect a man to walk a tightrope safely for ten minutes; it would be unreasonable to do so without accident for two hundred years.“ Ein Album wie ein Aufschrei nach Veränderung – wütend, fesselnd und beunruhigend.