Während einer gemeinsamen Europa-Tour Anfang 2010 entstand eine fruchtbare, transatlantische Kollaboration zwischen den britischen Space-Rockern Gnod und den amerikanischen Psychedelic-Rockern White Hills. Zwischen Soundchecks, endlosen Nächten und improvisierten Jam-Sessions wuchs der Wunsch, musikalisch enger zusammenzuarbeiten. Diese Sessions kulminierten schließlich in den „Drop Out“-Veröffentlichungen, bei denen sie ihre individuellen Stile – Gnods rohe Energie und White Hills’ spacige Präzision – miteinander verschmolzen. Aufgenommen wurde das ursprüngliche Material im Dropout Studio in Camberwell, London – daher auch der Name der Alben. Es war ein Schmelztiegel der Ideen, eine rauschhafte Zeit: Ihre gemeinsame Serie „Drop Out“ ist das Resultat dieser besonderen alchemistischen Chemie: weitläufige Klangreisen, die sich weit über das Spektrum des Rock hinaus erstrecken – viel Kraut, noch mehr Psychedelic und eine Menge Space-Rock.
Kurze Infos zu den beiden Bands
Aus dem britischen Salford stammend, ist Gnod ein Kollektiv, das sich der klanglichen und sozialen Grenzüberschreitung verschrieben hat. Seit Mitte der 2000er-Jahre veröffentlichen sie unter wechselnder Besetzung ein unberechenbares Spektrum aus Krautrock, Industrial, Noise, Drone und Post-Punk. Gnod verstehen Musik als Experimentierfeld – ihre Werke sind häufig politisch aufgeladen, improvisiert und zutiefst hypnotisch. Live gilt die Band als kompromisslos intensiv.
White Hills aus New York hingegen sind eine feste Größe im amerikanischen Psychedelic- und Space-Rock-Underground. Mit ihrem dichten, fuzzgeladenen Sound, der an Hawkwind und frühe Pink Floyd erinnert, kombinieren sie klassische Psychedelia mit futuristischem Noise und repetitiven Rhythmen. Dave W. und Ego Sensation – das kreative Zentrum von White Hills – setzen auf tranceartige Strukturen, kosmische Themen und halluzinogene Dichte.
Ende März 2025 – fünfzehn Jahre nach ihrem Entstehen erscheint mit „Drop Out III“ eine komplette Neuerfindung der ursprünglichen Sessions von Gnod und White Hills. Dieses Album ist mehr als nur ein Reissue; es ist eine tiefgreifende Neugestaltung des gemeinsamen Werks, das sowohl alte als auch neue Hörer:innen in seinen Bann ziehen dürfte. Man könnte es auch als „Director’s Cut“ ihrer früheren Arbeiten bezeichnen – angereichert mit neu arrangierten, erweiterten und bislang unveröffentlichten Tracks aus der ursprünglichen „Drop Out“-Ära. Wenig überraschend, dass sich dabei „Drop Out III“ auf eine Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden erstreckt: eine Doppel-LP plus digitales Bonus-Album. Dabei verschmelzen motorische Rhythmen mit sphärischen Klanglandschaften zu einem hypnotischen Soundteppich.
Ritual im Rausch
Klar erkennbare Klassiker wie „Run-A-Round“ und „Drop Out“ wurden von Grund auf neu modelliert: Sie behalten ihren krautigen Puls und den motorischen Drive, wirken aber weniger roh und betonen stattdessen ihren psychedelischen Charakter. „Air Streams“ – das die ursprünglichen Tracks „Air“ (DO I) und „Streams“ (DO II) vereint – gleitet wie ein kosmischer, sanfter Wind durch minimalistische Hallräume. Meditativ, entschleunigt, geradezu transzendent. Das dreizehnminütige, bisher unveröffentlichte „Unify“ startet krautig, pulsierend, entwickelt sich aber zunehmend zu einer ausufernden, psychedelischen Rocknummer – verspult, verspielt, voll im Flow. Mit „Model Citizen“ liefern White Hills eine schwere, düstere Space-Rock-Nummer mit ausgefeilten Effekten und halluzinogenen Texturen. Auch der Gnod-Track „Nothing NEU! Under the Sky“ ist ein Statement: ein rhythmischer Faustschlag in Richtung Kraut-Referenzhölle. Auf wen hier referenziert wird, ist beim Titel kaum zu übersehen. Der Track kokettiert mit der Düsseldorfer Legende – ein Stück mit rasendem Groove, flirrenden Gitarren und Feedback in Ekstase. Und dann ist da noch „Decorating Time“ – ein zarter Klangteppich, luftig und meditativ, der zum Träumen einlädt. Ambient-Elemente schimmern durch, fragile Melodiebögen und sphärische Delays verschmelzen zu einem Hauch von psychedelischem Ambient.
Vergangenheit in Bewegung
„Drop Out III“ atmet Geschichte – und klingt zugleich wie ein Blick in die Zukunft einer Musik, die sich nie mit festen Formen zufriedengibt. Eine Musik, so fordernd wie lohnend, so psychedelisch wie präzise. Dieses Album ist eine Liebeserklärung an die Repetition, an die klangliche Unschärfe, an die große Reise ins Ungewisse. Drogen können dabei helfen – aber es geht auch bestens ohne. Für Psychedelic-Fans Pflicht. Für Neugierige ein mutiger Einstieg. Für beide: ein berauschendes Erlebnis.