Grandma’s House, Heavy Lungs
8. Mai 2025 • Bumann & Sohn, Köln
Es war eine relativ spontane Entscheidung. Das Ticket für Heavy Lungs im Kölner Bumann & Sohn klickte ich mir erst am Vorabend. Die Noise-Punk-Band aus Bristol war mir nicht neu – ihr Ruf als entfesselter Live-Act eilt ihnen voraus. Mit im Gepäck: das neue Album „Caviar“, elf kompromisslose Tracks, live eingespielt, roh und druckvoll wie eine Kneipenschlägerei im Rausch. Als Support mit dabei: Grandma’s House, ein All-Female-Quartett aus der gleichen Stadt, die sich längst als Brutstätte für lärmende Post-Punk-Formationen etabliert hat – spätestens seit dem internationalen Durchbruch der Idles. Von denen hatte ich das Spektakel bereits im Düsseldorfer ZAKK miterlebt. Könnte also ein lohnenswerter Abend werden.
Geballter Punk-Charme
Den Auftakt bestreiten Grandma’s House – ursprünglich ein Trio um Yasmin Berndt (Gesang, Gitarre), Poppy Dodgson (Gesang, Drums) und Zoë Zinsmeister (Gesang, Bass), inzwischen verstärkt durch eine zweite Gitarristin. Das Ergebnis: ein fetteres Brett, das direkt ins Zwerchfell rauscht. Mit schnellen, schnoddrigen Riffs, griffigen Basslinien und aggressiven Drums reißen sie das Publikum mühelos mit. Dazu ein feines Gespür für zwischenmenschlichen Punk-Charme: Beim Song „Always Happy“ verkündet Berndt, der Refrain sei für diesen Auftritt eigens von ihrer Großmutter ins Deutsche übersetzt worden – „Can I tell her she did a good job?“ fragt sie grinsend ins Mikro. Natürlich darf sie. Auch aktuelle Singles wie „Body“, „Slaughterhouse“ oder „Desire“ krachen ordentlich. Das 45-minütige Set bietet rohe Emotion, surfige Unterströmungen und eine Punk-Attitüde, die nichts beweisen muss und das Publikum feiert das Quartett zurecht.
Ein Frontmann wie ein Tornado
Dann Umbaupause. Plötzlich röhrt Aerosmiths „I Don’t Want to Miss a Thing“ aus den Boxen – meinen die das Ernst? Doch nach den ersten Tönen, tänzeln sie auf die Bühne: Heavy Lungs. Drummer George Garratt in Boxershorts und nackter Oberkörper, Gitarrist Oliver Southgate mit konzentrierter Lässigkeit, Bassist James Minchall grinst und Frontmann Danny Nedelko – ein aufgedrehter Derwisch – zeigt sofort: Ihr werdet nicht verschont. „Ballerina“ eröffnet das Set, und Nedelko schreit sich gleich in Stellung: „If you know, you know. If you don’t, I’ll show you.“ Eine Drohung? Eine Einladung? Beides. Der Mann ist ein performativer Tornado – wirft sich zu Boden, macht Liegestütze an der Bassdrum, kriecht durchs Publikum und tanzt irgendwann auf der Bartheke. Schweiß, Irrsinn, Ekstase. Alles Teil der Show, alles riesiger Spaß.
Noise-Punk mit der Abrissbirne
Heavy Lungs knallen einem den Lärm nicht nur um die Ohren – sie leben ihn. Nedelko ist keine Poser, er ist ein Katalysator für Frust, Wut, Übermut. Zwischen nervösen Gitarren und gepeitschten Drums bleibt kaum Zeit zum Atmen. Bei „Mr. Famous“ wird dann auch noch die Selbstironie zelebriert: „I just want to be famous. This is boring“, schreit Nedelko – und grinst, als wisse er längst, dass all das hier viel spannender ist als Ruhm. Auch der Titelsong „Caviar“ wird gefeiert – eine sarkastische Hymne auf falschen Luxus. Live klingt das wie „Coffee-Ya“ – schnell, laut, bitter. „I’m living large in Casino Royale /I’ll have the steak and the caviar“, heißt es darin. Ironisch. Aggressiv. Köstlich.
Eine rohe, scharfe Delikatesse
Fast alle elf Tracks des neuen Albums finden ihren Weg ins Set. Zum Schluss gibt’s mit „A Bit of a Birthday“ ein verstörend fröhliches Geburtstagsständchen – Nedelko springt ins Publikum, macht sich auf zum Merch-Stand, während Gitarrist Southgate auf der Bühne bleibt und das Set mit elektronischem Noise ausklingen lässt. Der Applaus ist ehrlich und heftig – das Publikum durchgeschwitzt und erschöpft. Zu Recht. Heavy Lungs liefern keinen Feinkostpunk für die Feuilletons, sondern eine rohe, scharfe Delikatesse für alle, die wissen: Musik darf wehtun – und trotzdem Spaß machen.
Ein Abend, der noch lange in den Ohren nachhallt. Auf der Heimfahrt bleiben die Boxen im Auto ausnahmsweise stumm – der Lärm dieses Konzerts klingeln immer noch intensiv in den Ohren.





