Shame stammen aus Südlondon und gründeten sich 2014, als die fünf Musiker noch Teenager waren. Sänger Charlie Steen, die Gitarristen Sean Coyle-Smith und Eddie Green, Bassist Josh Finerty und Schlagzeuger Charlie Forbes lernten sich an der Schule kennen und fanden ihre ersten musikalischen Mentoren in der Londoner Szene rund um die Fat White Family. Mit ihrem Debütalbum „Songs of Praise“ (2018) katapultierten sie sich sofort ins Rampenlicht der britischen Post-Punk-Welle. Ihre energiegeladenen Liveshows und Steens charismatische Bühnenpräsenz machten sie schnell zu einem der spannendsten neuen Acts aus Großbritannien. 2021 folgte „Drunk Tank Pink“, das den Sound experimenteller und kantiger ausweitete, bevor „Food for Worms“ (2023) eine überraschend introspektive Seite zeigte.
Well, lemme tell you a little story
Textausschnitt aus „Lampião“
About a big, bad motherfucker called Lampião
Shame sind zurück – und wie. „Cutthroat“, das vierte Album der Südlondoner, ist ein Befreiungsschlag: lauter, kompromissloser, aber auch raffinierter als je zuvor. Der Titeltrack eröffnet mit stampfendem Bass, präzisem Drumming und elektronischen Unterströmungen – scharf, dreckig und ungestüm mit viel Witz und Ironie. Charlie Steen schlüpft in die Rolle des nihilistischen Party-Tieres und bellt mit der alten Wut, die Shame schon auf „Songs of Praise“ so aufregend machte. Von hier an gibt es kein Füllmaterial mehr.
Wut und Spielfreude
„Cowards Around“ und „Nothing Better“ übertragen die Energie der berüchtigten Liveshows ins Studio. Doch „Cutthroat“ ist mehr als nur Post-Punk: „Lampião“ wagt einen Schlenker Richtung Brazilian Funk und Karneval, inspiriert von Steens privater Geschichte – er ist durch seine Freundin mit Brasilien verbunden und erfuhr so einiges über die Legende des brasilianischen Banditen Lampião. Der Song verdichtet eines der Themen des Albums: Wo verläuft die Grenze zwischen Opfer und Täter? In der wehmütigen Rockabilly-Hommage „Quiet Life“ wird diese Frage persönlicher. Der Track „handelt von jemandem in einer beschissenen Beziehung”, so Frontmann Charlie Steen zum Song.
Längst ein Fixpunkt
Seit ihrem Debüt 2018 gelten Shame als Speerspitze der britischen Gitarrenszene. Sie haben mit Größen wie den Foo Fighters und IDLES die Bühnen geteilt und eine treue Fanbase aufgebaut. Mit Produzent John Congleton haben sie nun einen Sound gefunden, der rohe Energie in Stadiondimensionen überträgt, ohne die Kanten abzuschleifen. Der Schlussspurt des Albums – „Screwdriver“, „Packshot“, „Axis of Evil“ – ist ein nahezu perfekter Dreierpack: Speed, Wahnsinn, Melancholie und am Ende ein apokalyptischer Disco-Banger. Mehr Finale geht nicht.
Shame sind cool
„Cutthroat“ macht Shame zu einer der spannendsten Gitarrenbands unserer Zeit. Es ist wild, klug und überraschend. Es zeigt, dass die Band längst über den Post-Punk hinausgewachsen ist. Aber sie bleiben sich treu, denn, so sprechsingt Frontmann Charlie Steen in „To & Fro“: „I don’t wanna be this and I don’t wanna be that.“ Shame sind cool – und das Beste: Es scheint ihnen völlig egal zu sein.