Drei Duos, drei Welten – eine Haltung

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MicroPop — Urs & Oliver + Spaghetti Wings + Sheepcity
3. Oktober 2025 • Hinterhof Flingern, Düsseldorf

Düs­sel­dorf im Okto­ber: Die Micro­Pop­Week läuft wie­der – und mit ihr ver­teilt sich die Stadt auf über zwan­zig kleine Büh­nen, Bars, Hin­ter­höfe. Vom 1. bis 12. Okto­ber gibt’s mehr als 27 Ver­an­stal­tun­gen, orga­ni­siert von Men­schen, die Kul­tur nicht als Event, son­dern als Hal­tung begrei­fen. An die­sem Abend lädt Fran­ti­c­world in einen Flin­ge­ra­ner Hin­ter­hof – Indie-Pop im Taschen­for­mat, mit bekann­ten Gesich­tern, ver­trau­ten Sounds und einer Por­tion Mut zur Schrul­lig­keit. Klingt vielversprechend.

Merritts Melancholie, neu aufgeladen

Zum drit­ten Mal wid­men sich Urs & Oli­ver den Love­songs von Ste­phin Mer­ritt – und trotz­dem klingt nichts nach Rou­tine. Die Set­list ist fast iden­tisch mit frü­he­ren Auf­trit­ten, nur leicht ver­schlankt. Aber die bei­den ver­schie­ben geschickt die Gewich­tung: Zwi­schen war­mer Gitarre, tro­cke­nen Key­board­flä­chen und stil­lem Humor ent­steht ein­mal mehr ein Set, das glei­cher­ma­ßen intim, lako­nisch und bewe­gend wirkt. Ich mag, wie sie die Songs nicht ein­fach spie­len, son­dern auf­blät­tern – die­ses selt­same Book of Love. Statt gro­ßer Ges­ten setzt das Duo auf leise Inten­si­tät – und lässt Mer­ritts kleine Song­per­len auch beim drit­ten Mal frisch und fun­kelnd klin­gen. Bit­ter­süß, cle­ver, manch­mal bos­haft. Am Ende gibt’s auf Wunsch des Gast­ge­bers dann noch eine kleine Pre­miere: My Only Fri­end“, eben­falls von 69 Love Songs. Eine Minia­tur über Ver­lust, Trost und Bil­lie Holi­day, in der Zei­len wie You and me, we don’t believe in happy endings“ hän­gen blei­ben. Ein stil­les, gelun­ge­nes Ende – und ehr­lich: Auch ein vier­tes Mal wäre keine Wie­der­ho­lung, son­dern wie­der ein Erleb­nis für sich.

Staub, Loops und Weltschmerz

Danach über­neh­men die Spa­ghetti Wings aus Ham­burg – Kars­ten Genz und Daniel Frei­eck, ein Duo, das man leicht unter­schätzt, bis es los­legt. Ich hatte sie 2019 schon mal hier gese­hen, kurz vor Corona. Jetzt wir­ken sie noch kon­zen­trier­ter, fokus­sier­ter. Der Abend star­tet mit Put Your Hand in Mine“ – Kars­ten grinst, nennt es irgend­wie auch ein Love­song“, und eine Drum­ma­chine setzt ein, die klingt wie aus einem stau­bi­gen Pro­be­raum in Altona. Gitar­ren­riffs krei­sen, eine Phi­li­cor­dia-Orgel sirrt, Loops flir­ren.
Ihre Songs haben diese unauf­ge­regte Wärme, irgendwo zwi­schen Melan­cho­lie, Witz und einem Schuss Welt­schmerz. Kein Hoch­glanz, kein Poseur-Pop – mehr so, als hät­ten Pave­ment und The Clean in einer Alt­bau­kü­che gemein­sam Kaf­fee gekocht. Beson­ders bleibt Bowie’s Yolk“ hän­gen – fuzzy, ver­spielt, psy­che­de­lisch. Major Tom schwebt drü­ber, als wolle er kurz mit­groo­ven. Mit sei­nem rohen LoFi-Charme und sei­nem Gespür für selt­same Schön­heit erin­nert das Duo ein wenig an die soge­nannte Dun­edin Sound“-Szene Neu­see­lands – eine Refe­renz, die Daniel jeden­falls sehr gefällt, wie er mir mitteilt

Elektronisches Hörspiel in Zeitlupe

Dann wird’s selt­sam – im bes­ten Sinne. Bunny & Shy and the Sheep­city Police (was für ein Name!) ver­spre­chen einen Action­film ohne Bil­der“. Dahin­ter ste­cken Solo & Wolfs­dorf, die sich an einem klei­nen Tisch gegen­über­sit­zen, umge­ben von blin­ken­der Elek­tro­nik, Kabel­sa­lat, einem Mikro­fon und einem Retro-Tele­fon, das wahr­schein­lich schon so eini­ges gese­hen hat. Was folgt, ist eine Art elek­tro­ni­sches Sto­rytel­ling mit Humor und Wahn­sinn: Es sirrt, kla­ckert, brummt, und zwi­schen­durch tau­chen Sire­nen und absurde Dia­loge auf: Wie bist du eigent­lich zum Infor­mant gewor­den?“ Na ja, so klas­si­scher Quer­ein­stei­ger halt.“ Eine Crime-Story aus dem fik­ti­ven Sheep­city, irgendwo zwi­schen schrä­gem Tukur-Tat­ort und Hör­spiel­nacht auf Eins­Live. Kein Beat, kein Song, aber trotz­dem ent­ste­hen immer mal wie­der kleine Groo­ves – in einer Art impro­vi­sier­ten Mit­ein­an­der-Stol­perns. Ich denke kurz, das wäre die per­fekte Musik für eine Nacht­fahrt durch leere Stra­ßen: selt­sam, komisch, herr­lich schräg.

Klein, eigen, wunderbar verschroben

Am Ende bleibt die­ser Abend wie ein klei­ner Mikro­kos­mos des­sen, was die Micro­Pop so beson­ders macht: drei Duos, drei Wel­ten, keine fal­sche Atti­tüde. Statt gro­ßer Ges­ten lie­ber schräge Eigen­stän­dig­keit, statt Per­fek­tion lie­ber Authen­ti­zi­tät. Die Loca­tion – Dis­co­ku­gel trifft Büro­lampe – lie­fert das pas­sende Set­ting: schräg, char­mant, irgend­wie sur­real. Ein Abend, der zeigt, dass Eigen­wil­lig­keit kein Kon­zept, son­dern ein Lebens­ge­fühl ist.