Alabaster DePlume – bürgerlich Gus Fairbairn – stammt aus Manchester und lebt heute in London. Er ist autodidaktischer Saxofonist, Songwriter, Dichter – und vor allem: ein musikalischer Freigeist. In der zeitgenössischen Jazz- und Indie-Szene gilt er als eine der eigenwilligsten und zugleich berührendsten Stimmen. Seine Kompositionen wirken wie leise Proteste gegen eine laute Welt: zärtlich, spontan, radikal ehrlich. Improvisation ist bei ihm kein Stilmittel, sondern eine Haltung. Empathie ist seine Methode. Bekannt wurde DePlume mit Alben wie „To Cy & Lee: Instrumentals Vol. 1“ und „Gold – Go Forward in the Courage of Your Love“, die zwischen Jazz, Spoken Word und spirituell aufgeladener Experimentalmusik oszillieren. Ich habe ihn einmal auf der Bühne eines kleinen Clubs erlebt – da stand kein Performer, sondern ein Zeremonienmeister des Ungeplanten. Präsenz statt Perfektion. Der Blickkontakt mit dem Publikum schien wichtiger als jeder saubere Ton. Was DePlume besonders macht, ist nicht nur seine Musik, sondern auch seine Ethik. Er initiiert Sessions mit psychisch beeinträchtigten Menschen, arbeitet in inklusiven Kollektiven und spricht über Liebe ebenso wie über Politik – nie belehrend, immer berührend.

Alabaster DePlum
A Blade Because a Blade Is Whole
Veröffentlicht: 7. März 2025
Label: International Anthem
CallusWho could say, „I am here, I am here” would be
Textausschnitt aus „Thank You My Pain“
Would feel, would breathe, would see, would be
For you too to be whole, to be new, to be one
In our way, my pain, thank you
Auf seinem siebten Album „A Blade Because a Blade Is Whole“ hebt Alabaster DePlume den Gesang stärker ins Zentrum. „Wozu dient es?“ fragt der begleitende Klappentext – und antwortet selbst: zur geistigen Heilung. Der Weg dorthin beginnt für DePlume mit der Akzeptanz des eigenen Schmerzes. Nicht Abwehr, sondern Annahme ist sein Mantra. Die Texte changieren zwischen Tagebucheintrag, Gebet und dadaistischer Poesie. Sie wirken wie aus einer anderen Zeit gefallen – fragil, sanft und zugleich durchdrungen von einer Klarheit, die schmerzt. Die Klinge, sagt DePlume, ist nicht nur eine Waffe – sie ist ein Symbol für Ganzheit. Nicht das Schneiden zählt, sondern das Heilen. Das Cover zeigt zwei verschränkte Hände – eine Hand mit sechs Strichmännchen-Tattoos, jedes ein früheres Ich. Über diese Vergangenheit singt er – mit Verantwortung für sich, für andere und für die Wunden, die er nicht mehr versteckt. Klingt esotherisch, spirituell – sicherlich, aber leicht und unverkarmpft.
Schmerz und Heilung
Um andere zu heilen, musst du dich selbst heilen, und um dich selbst zu heilen, musst du dich unwohl fühlen. Auf „Thank You My Pain“ lädt DePlume seinen Schmerz ein, setzt sich mit ihm hin und spricht seiner Dankbarkeit. „Thank you, my pain /For coming again /When so often I turn”, singt er über ein gedämpftes Saxophon und schleppenden Drums, dabei streckt er die Silben mit der zärtlicher Dankbarkeit. Schmerz ist für DePlume kein Feind, sondern ein Lehrer. Heilung, so seine Haltung, ist ein bewusster Akt – körperlich, geistig, spirituell.
Nachgiebigkeit und Respekt
Passend dazu übt der Londoner Musiker Jiu-Jitsu – eine traditionsreiche Kampfkunst, in der nicht der Angriff im Vordergrund steht, sondern Prinzipien wie Achtsamkeit, Nachgiebigkeit und Respekt. Zwei Tracks auf dem Album sind direkt davon inspiriert. „Form a V“ ist eine hymnische Reflexion über Angst und den Umgang mit ihr. Über rumpelndem Bass, klickenden Drums und sanften Saxophonlinien erklärt DePlume seine Bereitschaft, sich der Herausforderung zu stellen. „Kuzushi“, ein Begriff aus dem Jiu-Jitsu für „aus dem. Gleichgewicht bringen“, taucht als instrumentales Intermezzo auf – ein innerer Monolog des allgegenwärtigen Saxophons, der ohne Worte von Verletzlichkeit und Transformation erzählt.
Widerstand und Trost
So taumelt DePlume in über 40 Minuten durch die elf Track – zwischen zitterndem Jazz, minimalistischem Folk und Spoken Word. Es pfeift, es dröhnt, es rumpelt. Vieles bleibt roh, oft bewusst unfertig – und genau darin liegt seine Schönheit. Es ist Musik, die nicht einfach ist und die nach die Widerstand klingt – aber auch nach Trost. „A Blade Because a Blade Is Whole“ ist ein Album wie ein Pflaster für die Seele: zerschnitten – und doch ganz.