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Alabaster DePlume

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Ala­bas­ter DePlume – bür­ger­lich Gus Fair­bairn – stammt aus Man­ches­ter und lebt heute in Lon­don. Er ist auto­di­dak­ti­scher Saxo­fo­nist, Song­wri­ter, Dich­ter – und vor allem: ein musi­ka­li­scher Frei­geist. In der zeit­ge­nös­si­schen Jazz- und Indie-Szene gilt er als eine der eigen­wil­ligs­ten und zugleich berüh­rends­ten Stim­men. Seine Kom­po­si­tio­nen wir­ken wie leise Pro­teste gegen eine laute Welt: zärt­lich, spon­tan, radi­kal ehr­lich. Impro­vi­sa­tion ist bei ihm kein Stil­mit­tel, son­dern eine Hal­tung. Empa­thie ist seine Methode. Bekannt wurde DePlume mit Alben wie To Cy & Lee: Instru­men­tals Vol. 1“ und Gold – Go For­ward in the Cou­rage of Your Love“, die zwi­schen Jazz, Spo­ken Word und spi­ri­tu­ell auf­ge­la­de­ner Expe­ri­men­tal­mu­sik oszil­lie­ren. Ich habe ihn ein­mal auf der Bühne eines klei­nen Clubs erlebt – da stand kein Per­for­mer, son­dern ein Zere­mo­nien­meis­ter des Unge­plan­ten. Prä­senz statt Per­fek­tion. Der Blick­kon­takt mit dem Publi­kum schien wich­ti­ger als jeder sau­bere Ton. Was DePlume beson­ders macht, ist nicht nur seine Musik, son­dern auch seine Ethik. Er initi­iert Ses­si­ons mit psy­chisch beein­träch­tig­ten Men­schen, arbei­tet in inklu­si­ven Kol­lek­ti­ven und spricht über Liebe ebenso wie über Poli­tik – nie beleh­rend, immer berührend.

Alabaster DePlum, A Blade Because a Blade Is Whole

Alabaster DePlum
A Blade Because a Blade Is Whole

Ver­öf­fent­licht: 7. März 2025
Label: Inter­na­tio­nal Anthem

CallusWho could say, I am here, I am here” would be
Would feel, would breathe, would see, would be
For you too to be whole, to be new, to be one
In our way, my pain, thank you

Text­aus­schnitt aus Thank You My Pain“

Auf sei­nem sieb­ten Album A Blade Because a Blade Is Whole“ hebt Ala­bas­ter DePlume den Gesang stär­ker ins Zen­trum. Wozu dient es?“ fragt der beglei­tende Klap­pen­text – und ant­wor­tet selbst: zur geis­ti­gen Hei­lung. Der Weg dort­hin beginnt für DePlume mit der Akzep­tanz des eige­nen Schmer­zes. Nicht Abwehr, son­dern Annahme ist sein Man­tra. Die Texte chan­gie­ren zwi­schen Tage­buch­ein­trag, Gebet und dada­is­ti­scher Poe­sie. Sie wir­ken wie aus einer ande­ren Zeit gefal­len – fra­gil, sanft und zugleich durch­drun­gen von einer Klar­heit, die schmerzt. Die Klinge, sagt DePlume, ist nicht nur eine Waffe – sie ist ein Sym­bol für Ganz­heit. Nicht das Schnei­den zählt, son­dern das Hei­len. Das Cover zeigt zwei ver­schränkte Hände – eine Hand mit sechs Strich­männ­chen-Tat­toos, jedes ein frü­he­res Ich. Über diese Ver­gan­gen­heit singt er – mit Ver­ant­wor­tung für sich, für andere und für die Wun­den, die er nicht mehr ver­steckt. Klingt eso­the­risch, spi­ri­tu­ell – sicher­lich, aber leicht und unverkarmpft.

Schmerz und Heilung 

Um andere zu hei­len, musst du dich selbst hei­len, und um dich selbst zu hei­len, musst du dich unwohl füh­len. Auf Thank You My Pain“ lädt DePlume sei­nen Schmerz ein, setzt sich mit ihm hin und spricht sei­ner Dank­bar­keit. Thank you, my pain /​For coming again /​When so often I turn”, singt er über ein gedämpf­tes Saxo­phon und schlep­pen­den Drums, dabei streckt er die Sil­ben mit der zärt­li­cher Dank­bar­keit. Schmerz ist für DePlume kein Feind, son­dern ein Leh­rer. Hei­lung, so seine Hal­tung, ist ein bewuss­ter Akt – kör­per­lich, geis­tig, spirituell.

Nachgiebigkeit und Respekt 

Pas­send dazu übt der Lon­do­ner Musi­ker Jiu-Jitsu – eine tra­di­ti­ons­rei­che Kampf­kunst, in der nicht der Angriff im Vor­der­grund steht, son­dern Prin­zi­pien wie Acht­sam­keit, Nach­gie­big­keit und Respekt. Zwei Tracks auf dem Album sind direkt davon inspi­riert. Form a V“ ist eine hym­ni­sche Refle­xion über Angst und den Umgang mit ihr. Über rum­peln­dem Bass, kli­cken­den Drums und sanf­ten Saxo­phon­li­nien erklärt DePlume seine Bereit­schaft, sich der Her­aus­for­de­rung zu stel­len. Kuzu­shi“, ein Begriff aus dem Jiu-Jitsu für aus dem. Gleich­ge­wicht brin­gen“, taucht als instru­men­ta­les Inter­mezzo auf – ein inne­rer Mono­log des all­ge­gen­wär­ti­gen Saxo­phons, der ohne Worte von Ver­letz­lich­keit und Trans­for­ma­tion erzählt.

Widerstand und Trost

So tau­melt DePlume in über 40 Minu­ten durch die elf Track – zwi­schen zit­tern­dem Jazz, mini­ma­lis­ti­schem Folk und Spo­ken Word. Es pfeift, es dröhnt, es rum­pelt. Vie­les bleibt roh, oft bewusst unfer­tig – und genau darin liegt seine Schön­heit. Es ist Musik, die nicht ein­fach ist und die nach die Wider­stand klingt – aber auch nach Trost. A Blade Because a Blade Is Whole“ ist ein Album wie ein Pflas­ter für die Seele: zer­schnit­ten – und doch ganz.