Das englisches Experimental-Trio Beak> wird 2009 in Bristol vom Arrangeur und Instrumentalisten der Trip-Hop-Pioniere Portishead Geoff Barrow und dem Bassisten Billy Fuller von den The Sensational Space Shifters, der Band von Robert Plant, ins Leben gerufen. Ebenfalls mit von der Partie ist Matt Williams, der später von Will Young ersetzt wird. Noch im selben Jahr erscheint ihr selbstbetiteltes Debüt. Stilelemente aus Krautrock, Drone und Goth werden hier perfekt mit einer Prise Bristol-Sound verrührt. Es wird in nur zwölf Tagen geschrieben und aufgenommen. Von der Musikpresse bekommt es überaus wohlwollende Kritiken. Ihr zweites Album „Beak 2“ (stilisiert als > >) erscheint 2012 und erweitert das Soundspektrum um Ambient‑, Dub- und House-Elemente. Mit seinem dritten Album (2018), konsequenterweise „> > >“ betitelt, erzielt das Trio auch erstmalig größere Erfolge und wird vor allem in der Krautrock-Szene mächtig gefeiert.
Textausschnitt aus „Hungry Are We”
The night we walk / With a light-defaced
Is to mourn the love / Of a life we gave
To face the wall / And the wrongs they made
Here’s the one resolve / That the time can save
Nach sechs Jahren erscheint Ende Mai 2024 das vierte Album der Band aus Bristol. Vollendeten sie ihr Debüt noch in zwölf kurzen Tagen, tüftelten Beak> zwei Jahre am aktuellen Album, bevor sie sich in einem walisischen Landhaus zusammenfanden, um das neue Material aufzunhmen. Da dürfte das Sitzfleisch für 50 Minuten also nicht zu viel verlangt sein. Der natürlich „> > > >“ betitelte Longplayer kommt entgegen aller medialen Gepflogenheiten komplett ohne Vorankündigung, Promotion oder Vorabauskopplungen, denn, so die Macher, im Kern wolle man Musik machen, die als Album und nicht als einzelne Songs gehört werden. In dem von Streaming-Playlisten dominierten Musikbusiness positioniert man sich ganz bewußt gegen das etablierte System. „Was mit der Industrie nach Covid passierte, war: ‚Wir müssen das Album im Voraus verkaufen, um es in die Läden zu bringen, und so muss es sein, und es muss an einem Freitag erscheinen.‘ Scheiß drauf! Wir betreiben unser eigenes Label, ihr könnt uns nicht sagen, was wir tun sollen!“, kommentiert Barrow diese Anti-Haltung.
Am besten mit Kopfhörer
Und am besten genießt man das Album aufgrund seiner vielen Hintergrundgeräusche und der Verwendung von Overdubs — manchmal sind auch Gesprächsfetzen zu hören — über Kopfhörer. Barrow bemerkt dazu: „Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn Menschen einem Song lauschen, muss man ihn nicht zu einer hochwertigen Aufnahme machen. Wenn wir Jazz aus den 1920er Jahren hören, ist dieser verdammt rau — aber das Zeug hat Atmosphäre, und die rauszufiltern, ist eine echte Schande“. Also werden Störgeräusche, die sich bei der Aufnahme „eingeschlichen“ haben, nicht entfernt und man hört beispielsweise auf „Denim“ einen Sprachfetzen, in dem Barrow der Band mitteilt, er müsse mit dem Hund raus. Überhaupt sein Hund: Der Album-Opener „Strawberry Line“ ist eine achtminütige Hommage an seinen verstorbenen vierbeinigen Freund Alfie, der auch auf dem Cover zu sehen ist und der, so will es die Erzählung, während der Aufnahmen einen großen Haufen unter das Studiopult machte. Der Track beginnt schleppend mit trauernden Synthie-Orgelklängen, die tatsächlich an eine Trauermesse erinnern, später legt sich Barrows leicht verhallter Klagegesang darüber, im Hintergrund pulsiert ein tief melodischer Groove der nach der Hälfte des Songs von flockigen Drums aufgenommen wird. So wächst der Track allmählich an – „Take your bone / And sit down / Fall asleep / So we begin”, trauert Barrow dabei über seinen vierbeinigen Freund.
Der Geist von Can lauert in allen Tracks
Auf dem stoischen „The Seal“ trifft rollender Jazz-Fusion auf Krautrock zu klirrenden Synthie-Sounds. Luftige Gitarrensounds gegen Ende des Track sorgen für lichtere Momente, derweil Barrow kryptisch assoziiert: „Inside guilt breaths / Feel tied to the brim, the brim / Keep it back sung / Keep it hidden in the walls, of life“. Das Herzstück des Albums „Hungry Are We“ ist ein seltsames Stück psychedelischer Folk-Musik – sanft und raffiniert, verträumt und treibend, dröhnend und nachdenklich und mit einem Hauch von Prog-Rock erweckt es Erinnerungen an den Sound von Pink Floyd. „Ah yeh“ ist schwer groovend und zitiert mit seinem repetitiven, hypnotischen Rhythmus unverhohlen das treibende Drumming eines Jaki Liebezeit. Im Closer „Cellophane“ macht sich behäbig eine klagende, psychedelische Atmosphäre breit, die sich gegen Ende unerwartet in einem verzerrten, energetischen Rocker à la Black Sabbath auflöst. Aber wie anfangs erwähnt: Einzelne Songs sollte man nicht unbedingt herauspicken, denn Beak> haben das einzigartige krautige Album bewusst als Gesamtkunstwerk konzipiert und als solches sollte man es auch hören — also Kopfhörer auf und wegdriften!