Die kanadische Band BIG|BRAVE wird 2012 in Montreal, Quebec, gegründet. Ursprünglich besteht sie aus Sängerin und Gitarristin Robin Wattie und Gitarrist Mathieu Ball, später stößt Schlagzeuger Tasy Hudson dazu. Ihr Sound entwickelt sich schnell zu einer einzigartigen Mischung aus Drone, Doom und Noise Rock, geprägt von kraftvollen, repetitiven Riffs und intensiven Vocals. 2014 erscheint ihr Debütalbum „Feral Verdure“, bereits ein Jahr später folgt „Au De La“. Mit jedem Album erweitert die Band ihr klangliches Spektrum. Vor allem ihr Album „A Gaze Among Them“ aus dem Jahr 2019 wird von der Kritik hochgelobt.
There is a faint glow of eastern blue
Textausschnitt aus „canon : in canon”
Whirring with hues of warmth
The warbling song sparrows
Ignore my mourning
Das aktuelle Album „A Chaos Of Flowers“ bezieht sich direkt auf den wüst-wilden Vorgänger „nature morte” aus 2023, doch während es dort noch deutlich heftiger und lärmender zuging, ist der Sound nun etwas vielschichtiger und lichter geraten – ergänzt um experimentelle Gitarrensounds der Gäste Tashi Dorji und Marisa Anderson sowie gelegentliche Saxophon-Schleifen von Patrick Shiroishi. Geblieben ist der schwebende, teilweise an PJ Harvey erinnernde Gesang von Robin Wattie. Vorbei allerdings die epischen Zehn-Minuten-Tracks. Es sind eher kürzere, sich konstant zwischen drei und sechs Minuten bewegende, poetische Songs, die die Koexistenz mit der Natur, die Orientierungslosigkeit und das Anderssein erforschen. Dabei stützt sich Sängerin Robin Wattie stark auf Gedichte seelenverwandter Künstlerinnen, in deren Texten sich ihre eigenen Erfahrungen widerspiegeln. „Es ist ein Gefühl der Verwandtschaft und sogar des Erstaunens”, bemerkt Wattie, „wie diese Schriftstellerinnen unterschiedlichen Standes und unterschiedlicher Epochen diese scheinbar ähnlich intensiven Momente individueller Erfahrungen, von Intimität und Wahnsinn zum Ausdruck bringen. Wir sind allein, und doch nicht.” So entstehen ungemein dichte, melancholische Tracks.
Schwere Sounds für die Nacht
Der dunkle Opener „i felt a funeral” – eine lyrische Adaption eines düsteren Emily-Dickinson-Gedichts – ist ein ungemein atmosphärisches Klagelied mit langsamen Blues-Riffs, trägen Drums und sägenden Feedback-Schleifen. „not speaking of the ways” kommt als schwerer, schleppender Metal-Slowcore mit durchgehender Gitarren-Drone-Distortion daher, über die Watties entrückte Vocals zu schweben scheinen. Bei „chanson pour mon ombre” begleitet völlig ungewohnt eine Akustikgitarre Watties klagende Vocals, bevor wieder Rückkoppelungen, Verzerrungen und gehetzte Drums einsetzen. So verbindet das Trio Elemente traditioneller Folk-Techniken mit der Dekonstruktion harter Drone-Sounds. Zum trägen Doom in „canon: in canon“ gesellt sich Marisa Andersons schlierige Gitarrenbegleitung und verleiht dem Stück einen Hauch eindringlicher Schönheit. Im getragenen, gotischen „theft“ legen sich die SaxophonSchleifen von Patrick Shiroishi sanft über fette Synthie-Bass-Flächen. Und am Ende schleicht sich mit „moonset“ schließlich noch eine herrlich bluesige Gitarre heran, bis auch dieser Track wieder in einer mächtigen Wall of Sound mündet. So entsteht bei allem Minimalismus ein vielschichtiges und reizvolles Album. Big|Brave haben schon mal lauter und schwerer geklungen, aber in enger Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Tontechniker Seth Manchester blüht „A Chaos of Flowers” mit seinen dunklen, unheimlichen Harmonien und riesigen Wänden aus Verzerrungen und Noise zu einem kolossalen Klang von ungeahnter Kraft — Musik geschrieben für die Nacht.