Das Post-Punk-Duo Big Special, bestehend aus Sänger Joe Hicklin und Drummer Callum Moloney, kommt aus Birmingham, stammt also aus dem sogenannten Black Country – einem industriellen Ballungsgebiet in den West Midlands. Die Bezeichnung „Schwarzes Land“ wird vielfach auf die starke Luftverschmutzung durch die Industrie ab etwa 1750 zurückgeführt. Und ähnlich wie die Sleaford Mods aus Nottingham verleugnen die beiden ihre Wurzeln nicht, sondern machen sie im Gegenteil zum Thema, geben sich klassenbewusst, pflegen aufrechtes Proletentum und zeigen politisches Sendungsbewusstsein. Kennengelernt haben sie sich mit 17 Jahren auf einem College, gingen zunächst verschiedenen eigenen Musikprojekten nach und entschlossen sich später zur musikalischen Zusammenarbeit. Schon sehr schnell in ihrer kurzen gemeinsamen Karriere durften sie einige Shows für Sleaford Mods (!) eröffnen.
They fell to safety, so I’ve heard Under their thick black blanket of industry Now they kneel and pray at the steel altar The hopeless congregation of a Godless mass
Textausschnitt aus „Black country gothic”
„Postindustrial Hometown Blues“ ist das Debütalbum des Duos, und, wie der Titel durchscheinen lässt, thematisiert es das Leben der Arbeiterklasse, den kläglichen Zustand der britischen Nation und die Verarmung einer ehemals blühenden Industrielandschaft. „Obviously I fucking hate the Tories, I fucking hate Keir Starmer, it’s all against the people,” betonte SängerJoe Hicklin angepisst gegenüber dem englischen NME, und weiter: „The working class might as well be completely fucking invisible. It’s all wank. I just wish it would all burn down so we could start again.” Dabei klingen die Post-Punker aber nicht nur wütend und aggressiv, sondern schlagen auch versöhnliche Töne an. Musikalisch setzen sich Big Special mit ihrem Debüt zwischen alle Stühle. Natürlich kommen einem wie bei dem dem treibenden, impulsiven Opener „Black country gothic“ die Mods mit Williamsons bitterbösen Tiraden in den Sinn, im klagenden „This here ain’t Water“ mit seinem leicht souligen Touch hingegen lauern die Algiers, und einen Hauch Arctic Monkeys findet man in „Shithouse”, aber auch der trockene Rock eines Bruce Springsteen („iLL“) kann schon mal auftauchen. Mit dem schwarzhumorigen „I mock joggers” leistet man sich einen schrägen Bluesrock mit Spoken Words und kruden Synthieflächen, in „Trees“ plunkern elektronische Sounds fröhlich vor sich hin, und das zerbrechliche „For the birds“ wird weitestgehend von einem seichten Piano getragen. Eine wütende, nackte Predigt, die ganz ohne instrumentale Untermalung auskommt, findet man in„Mongrel“. So formt das Duo mit seinem experimentellen Ansatz einen einzigartigen Sound aus einer Mischung von Rock, Punk und Electronica.
Jederzeit auf großer Europa-Tour
Mit Big Special haben die Midlands ein weiteres schlagkräftiges und meinungsstarkes Post-Punk-Duo – mit einem charismatischen Shouter, der einen harten, regionalen Slang pflegt. Und wie die Mods treten sie bei ihren Shows auch nur als Duo auf. Die Drums und die Vocals sind live, alle anderen Instrumente und Sounds kommen vom Band. Derzeit sind Big Special auf Tour: So spielen sie in Deutschland auf dem Deichbrand Festival in Cuxhaven sowie dem Haldern Pop Festival. Und worauf ich mich besonders freue: Am 6. November 2024 treten sie in der Kulturkirche als Support des großartigen Singersongwriters John Grant auf, bekanntgeworden als Frontman der „Czars“. Einen Tag später gibt es noch einen weiteren gemeinsamen Auftritt im Columbia Theater in Berlin.