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Big Special

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 4 Minu­ten

Das Post-Punk-Duo Big Spe­cial, bestehend aus Sän­ger Joe Hick­lin und Drum­mer Callum Molo­ney, kommt aus Bir­ming­ham, stammt also aus dem soge­nann­ten Black Coun­try – einem indus­tri­el­len Bal­lungs­ge­biet in den West Mid­lands. Die Bezeich­nung Schwar­zes Land“ wird viel­fach auf die starke Luft­ver­schmut­zung durch die Indus­trie ab etwa 1750 zurück­ge­führt. Und ähn­lich wie die Sleaford Mods aus Not­ting­ham ver­leug­nen die bei­den ihre Wur­zeln nicht, son­dern machen sie im Gegen­teil zum Thema, geben sich klas­sen­be­wusst, pfle­gen auf­rech­tes Pro­le­ten­tum und zei­gen poli­ti­sches Sen­dungs­be­wusst­sein. Ken­nen­ge­lernt haben sie sich mit 17 Jah­ren auf einem Col­lege, gin­gen zunächst ver­schie­de­nen eige­nen Musik­pro­jek­ten nach und ent­schlos­sen sich spä­ter zur musi­ka­li­schen Zusam­men­ar­beit. Schon sehr schnell in ihrer kur­zen gemein­sa­men Kar­riere durf­ten sie einige Shows für Sleaford Mods (!) eröffnen.

Big Special, National Average

Big Special

National Average

Ver­öf­fent­licht: 03. Juni 2025
Label: SO Recor­dings /​Rough Trade

Natio­nal Average – Album Review
God save the Pony


I hope you’re never tired,
I hope you’re never lonely

Text­aus­schnitt aus God save the Pony.“

Ledig­lich Durch­schnitt, nicht mehr: Natio­nal Average“ – so der Titel des zwei­ten Albums von Big Spe­cial. Und auch das Album­co­ver mit dem schlich­ten Gericht aus Spie­gelei und Pom­mes ver­spricht nicht viel: ein­fa­che Haus­manns­kost halt. Doch weit gefehlt: Big Spe­cial erhe­ben das All­täg­li­che zum State­ment und ser­vie­ren ein wüten­des, tief­grün­di­ges Werk – ohne große Vor­ankün­di­gung und Vorab-Takes. Und spä­tes­tens mit dem Ope­ner The Mess.“ ist klar: Das hier ist kein gewöhn­li­cher Nach­fol­ger eines ohne­hin schon groß­ar­ti­gen Debüts, son­dern eine laute, poe­ti­sche Kampf­an­sage gegen Still­stand, Anpas­sung und die eigene Leere.

Zwischen Groove und Groll

Klang­lich ist Natio­nal Average“ ein Ent­wick­lungs­sprung: Big Spe­cial behal­ten ihre raue Post-Punk-Wur­zel, flech­ten aber ver­mehrt fun­kige Rhyth­men und düs­tere Elek­tro­nik in ihr Sound­bild ein. Songs wie God Save The Pony.“ klin­gen rot­zig und tanz­bar zugleich –pub­taug­li­che Parole trifft auf zarte Empa­thie. Sän­ger Joe Hick­lin nennt das Stück eine Ode an die unsicht­ba­ren Las­ten, die wir alle mit uns schlep­pen. Ein Song, der dich zum Nach­den­ken bringt und dei­nen Kör­per zucken lässt.

Wut mit Tiefgang

Shop Music.“ rech­net gna­den­los mit der Kom­mer­zia­li­sie­rung von Kunst ab: Expo­sure doesn’t pay and you can’t eat art“ brüllt Hick­lin – ein Satz, so ein­fach wie wahr. Auch Hug a Bas­tard.“ lebt vom Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen Iro­nie und Ernst, zwi­schen kol­lek­ti­ver Ener­gie und indi­vi­du­el­ler Erschöp­fung. Big Spe­cial erzäh­len von Erfol­gen, die sich leer anfüh­len, und davon, wie sich poli­ti­sche Ohn­macht und per­sön­li­che Zwei­fel inein­an­der verkeilen.

Zwischen Tränen und Tanzfläche

Trotz aller Düs­ter­nis kennt das Album auch Ruhe­punkte. Thin Hor­ses.“, mit Rachel Gos­well, Sän­ger und Gitar­rist der bri­ti­schen Shoe­gaze-Iko­nen Slow­dive, ist ein zar­ter Abschluss: ein Lied über Hoff­nung, Mit­ge­fühl und das Bedürf­nis nach Nähe. Big Spe­cial kön­nen nicht nur zu brül­len, sie wol­len auch berühren.

Echte Working-Class-Kunst

Natio­nal Average“ ist ein rauer, klu­ger, musi­ka­lisch gereif­ter Bro­cken Working-Class-Kunst. Es ist Punk mit Poe­sie, Trost mit Takt, Wut mit Witz. Big Spe­cial lie­fern kein Hel­den­epos, son­dern ein ver­ton­tes Tage­buch vom Innen­le­ben zweier Män­ner in einer Welt im Umbruch. Und sie tun es mit Hal­tung, Humor – und ver­dammt guten Hooks. Wie ihr Debüt: ein­fach mit­reis­send. Auch live sind die bei­den eine Wucht.

Big Special, Postindustrial Hometown Blues

Big Special

Postindustrial Hometown Blues

Ver­öf­fent­licht: 10. Mai 2024
Label: SO Recor­dings /​Rough Trade

Post­in­dus­trial Home­town Blues – Album Review
Big Spe­cial: Black coun­try gothic


They fell to safety, so I’ve heard
Under their thick black blanket of industry
Now they kneel and pray at the steel altar
The hopeless congregation of a Godless mass

Text­aus­schnitt aus Black coun­try gothic

Post­in­dus­trial Home­town Blues“ ist das Debüt­al­bum des Duos, und, wie der Titel durch­schei­nen lässt, the­ma­ti­siert es das Leben der Arbei­ter­klasse, den kläg­li­chen Zustand der bri­ti­schen Nation und die Ver­ar­mung einer ehe­mals blü­hen­den Indus­trie­land­schaft. Obviously I fuck­ing hate the Tories, I fuck­ing hate Keir Star­mer, it’s all against the peo­ple,” betonte Sän­ger­Joe Hick­lin ange­pisst gegen­über dem eng­li­schen NME, und wei­ter: The working class might as well be com­ple­tely fuck­ing invi­si­ble. It’s all wank. I just wish it would all burn down so we could start again.” Dabei klin­gen die Post-Pun­ker aber nicht nur wütend und aggres­siv, son­dern schla­gen auch ver­söhn­li­che Töne an. Musi­ka­lisch set­zen sich Big Spe­cial mit ihrem Debüt zwi­schen alle Stühle. Natür­lich kom­men einem wie bei dem dem trei­ben­den, impul­si­ven Ope­ner Black coun­try gothic“ die Mods mit Wil­liam­sons bit­ter­bö­sen Tira­den in den Sinn, im kla­gen­den This here ain’t Water“ mit sei­nem leicht souli­gen Touch hin­ge­gen lau­ern die Algiers, und einen Hauch Arc­tic Mon­keys fin­det man in Shit­house”, aber auch der tro­ckene Rock eines Bruce Springsteen („iLL“) kann schon mal auf­tau­chen. Mit dem schwarz­hu­mo­ri­gen I mock jog­gers” leis­tet man sich einen schrä­gen Blues­rock mit Spo­ken Words und kru­den Syn­thie­flä­chen, in Trees“ plun­kern elek­tro­ni­sche Sounds fröh­lich vor sich hin, und das zer­brech­li­che For the birds“ wird wei­test­ge­hend von einem seich­ten Piano getra­gen. Eine wütende, nackte Pre­digt, die ganz ohne instru­men­tale Unter­ma­lung aus­kommt, fin­det man in„Mongrel“. So formt das Duo mit sei­nem expe­ri­men­tel­len Ansatz einen ein­zig­ar­ti­gen Sound aus einer Mischung von Rock, Punk und Electronica.

Jederzeit auf großer Europa-Tour

Mit Big Spe­cial haben die Mid­lands ein wei­te­res schlag­kräf­ti­ges und mei­nungs­star­kes Post-Punk-Duo – mit einem cha­ris­ma­ti­schen Shou­ter, der einen har­ten, regio­na­len Slang pflegt. Und wie die Mods tre­ten sie bei ihren Shows auch nur als Duo auf. Die Drums und die Vocals sind live, alle ande­ren Instru­mente und Sounds kom­men vom Band. Der­zeit sind Big Spe­cial auf Tour: So spie­len sie in Deutsch­land auf dem Deich­brand Fes­ti­val in Cux­ha­ven sowie dem Hald­ern Pop Fes­ti­val. Und wor­auf ich mich beson­ders freue: Am 6. Novem­ber 2024 tre­ten sie in der Kul­tur­kir­che als Sup­port des groß­ar­ti­gen Sin­ger­song­wri­ters John Grant auf, bekannt­ge­wor­den als Front­man der Czars“. Einen Tag spä­ter gibt es noch einen wei­te­ren gemein­sa­men Auf­tritt im Colum­bia Thea­ter in Berlin.