Die Band Bodega ist im Stadtteil Brooklyn in New York zu Hause. 2018 erschien ihr Debütalbum „Endless Scroll“, das von Austin Brown, dem Sänger ihrer Label-Mates Parquet Courts aufgenommen und produziert wurde. Sänger und Gitarrist Ben Hozie sowie Sängerin Nikki Belfiglio formierten eine Band, die sich am klassischen 80er-Jahre Post-Punk von Bands wie The Fall und Gang Of Four orientiert, ohne dabei irgendwie nach Retro zu klingen. Bodega verdichtet das Ganze zu einem groovigen Postpunksound, der sich musikalisch und textlich unverkennbar im 21. Jahrhundert behauptet. Musikalisch könnte man sie am ehesten mit den jungen Talking Heads, LCD Soundsystem, den B‑52s und einer Prise Lou Reed vergleichen, aber um ehrlich zu sein, sollte man es gar nicht erst versuchen. Sie haben ihren ganz eigenen unverwechselbaren Sound.
Bodega
Our brand could be yr life
Veröffentlicht: 12. April 2024
Label: Chrysalis
Our brand could be yr life — Album Review
Textausschnitt aus „City Is Taken”
When moving from Kingston to King’s County
I fell on city block in a snow fall scene
Represent the tide how did I murder?
Alles zurück auf Anfang: Mit ihrem offiziell dritten Album „Our Brand Could Be Your Life” kehren Ben Hozie und Nikki Belfiglio zu ihrem Output aus der Zeit vor ihrem offiziellen Debüt „Endless Scroll“ (2018) zurück, von dem laut Hozie nur „eine Handvoll Leute in Bushwick, Brooklyn“ gehört haben. Damals, 2015, nahmen sie unter dem Namen Bodega Bay die Platte mit der Mac-Software GarageBand in ein MacBook-Mikrofon auf. Jetzt haben sie das ausufernde 33-Track-Manifest in ein viel strafferes 15-Track-Konzeptalbum umgewandelt. Herausgekommen sind funkelnde, hooklastige und äußerst eingängige Tracks. Dabei spielt der Albumtitel nicht nur auf das Ursprungsmaterial an, sondern auch auf den autobiografischen Song „History Lesson – Part II“ der DIY-Band Minutemen aus dem Jahr 1984, unter dem gleichen Titel veröffentlichte Michael Azerrad ein Buch über den amerikanischen Musik-Underground. Gleichzeitig fühlt sich die Band mit ihrem Vorgehen in der Tradition eines Alfred Hitchcocks, dessen 1956er Film „Der Mann, der zuviel wusste“ auf einen bereits 1934 in England gedrehten Plot zurückgreift. Wie auch immer, die Neuauflage von „Our Brand Could Be Your Life” ist recht rockig geratenen, gibt sich dabei aber gewohnt kapitalismuskritisch und hinterfragt unser schizophrenes Konsumverhalten. Der musikalische Fokus hingegen hat sich etwas verschoben, man bedient sich nunmehr bei der ganzen Breite des Indierocks: Shoegaze, Psychedelia, Schrammelgitarren- und College-Rock. Tanzbar bleibt man dennoch. „Dedicated to The Dedicated“ gibt im Siebziger-Power-Pop & New Wave-Style einen guten Start in dieses tolle Album und beinhaltet die kryptische, aber nicht minder faszinierende Zeile „Dedicated to the dedicated, dedicated to the vocal frustrated…“. Im folgenden „G.N.D Daily“ übernimmt überwiegend Schlagzeugerin und Sängerin Nikki den Gesang und wirft einen hintergründigen Blick auf die Sexindustrie. „Bodega Bait“ beginnt mit einer mechanischen Telefonstimme, die fragt: „What is the difference between an artist and an advertiser?“, bevor es unerwartet in eine brillante, selbstreferenzierende Pop-Rock-Nummer übergeht – sehr catchy. Bei „Tarkovski“ leistet man sich sogar ein phänomenales Gitarrensolo und erweckt Erinnerungen an frühe Pavement-Sounds. „Major Amberson“ setzt dagegen ganz auf wattigen Dreampop, und „Stain Gaze“ ist dann wieder ungemein rockig mit schräg sägender Gitarre. Ironisch vertont man hier: „Mic check / Bertolt Brecht / Establish discourse between rock and pop and spec“. Im abschließenden zarten und melodischen „City Is Taken“ thematisieren die New Yorker die Gentrifizierung ihrer Heimatstadt und rät Hipstern und Investoren: „Pack your bags and move to Detroit“. So ist das neue, alte Album extrem vielseitig und unterhaltsam und thematisiert mit viel Witz die Vereinnahmung und Vermarktung der Jugendkultur durch Konzerne und deren Marken. „I’m shouting lyrics in your ear / good thing you’re wearing ear plugs / I know all the verses and the bridge / I memorized this whole album”, bemekt Hozie in „Webster Hall“. Auch ich werde mich an dieses Album erinnern.
Bodega
Broken Equipment
Veröffentlicht: 1. April 2022
Label: What’s Your Rupture?
Broken Equipment — Album Review
Textausschnitt aus „NYC (disambiguation)”
By freelance workers and merchants.
Liquidated by the whole English war fleet.
Then the dutch canal we call Broad street
was drained of its water and filled up with concrete.
Bodega kommen nicht nur aus Brooklyn, sondern setzen sich auch textlich immer wieder kritisch mit ihrem Stadtteil und dessen Gentrifizierung auseinander – wie in dem wunderbaren „NYC (disambiguation)“. Überhaupt beschäftigt sich die Band mit komplexen Philosophien und kritischen Theorien, schließlich gründete sie im Vorfeld ihres zweiten Albums einen Buchclub und stellte einen Philosophieprofessor als Bassisten ein. Das alles hört man den Songs nicht an. Sie sind weder verkopft noch verspult – sie sind so fluffig, melodiös und schwungvoll, dass man unwillkürlich mitwippt und tanzt. Auf dem drahtigen, sprechgesangartigen Post-Punk von „Doers“ thematisiert Hozie das zeitgenössische Doom-Scrolling („Ten minutes: Ted talk / Ten minutes: Notepad / Ten minutes: Amazon / Ten minutes : planning my next ten minutes“) und eine Kultur, die zu Non-Stop-Arbeit ermutigt („Innovation waits for no man / Unless I forget my dongle!“) – und ja, der moderne Lebensstil macht einen „Bitter. Harder. Fatter. Stressed out“ (verbittert, härter, fetter, gestresst). Neben Texten über die Entfremdung durch Social Media, selbstkritischen feministischen Betrachtungen und einer „Vorlesung“ über den römischen Stoiker Seneca enthält das Album auch das erste Liebeslied, das Hozie jemals für seine Partnerin Belfiglio geschrieben hat — „Pillar On The Bridge Of You“. Das Album endet mit „After Jane“, einem zarten, herzzerreißenden Akustikstück, das als Gespräch zwischen Hozie und seiner verstorbenen Mutter geschrieben wurde, die etwa zur Zeit des ersten Albums der Band verstarb. Diese kleine Pop-Ballade ist sicherlich nicht das stärkste Stück auf dem Album, aber eine zarte und sehr intime Art ein Album zu beenden, das einen so gut unterhalten hat.