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David Grubbs

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

David Grubbs (* 21. Sep­tem­ber 1967 in New York City) ist ein US-ame­ri­ka­ni­scher Kom­po­nist, Gitar­rist, Pia­nist und Sän­ger. Er ist so etwas wie der stille Archi­tekt der ame­ri­ka­ni­schen Under­ground-Musik – irgend­wie immer dabei, aber nie im Vor­der­grund. In den 80ern als Teen­ager bei der Post-Hard­core-Band Squir­rel Bait, spä­ter bei Bastro und schließ­lich bei Gastr del Sol – jenem stil­bil­den­den Duo mit Jim O’Rourke, das die Gren­zen zwi­schen Indie, Avant­garde und Kam­mer­mu­sik neu ver­mes­sen hat und den Begriff Post­rock mit­ge­prägt hat. Doch Grubbs ist mehr als nur ein ehe­ma­li­ger Gitar­rist mit DIY-Ver­gan­gen­heit. Seine Solo­ar­bei­ten chan­gie­ren zwi­schen Mini­ma­lis­mus, Expe­ri­men­tal-Noise und stil­ler Poe­sie. Kol­la­bo­ra­tio­nen mit Künstler*innen wie Loren Con­nors, Rho­dri Davies, Mats Gustafs­son, Andrea Belfi oder Susan Howe sind keine Aus­flüge, son­dern Kern sei­nes Schaf­fens: Stän­dig auf der Suche nach neuen Sounds und musi­ka­li­schen Gren­zen­über­schrei­tun­gen. Mitt­ler­weile hat er über vier­zehn Solo­al­ben ver­öf­fent­licht und ist auf mehr als 200 Ver­öf­fent­li­chun­gen zu hören. Neben­bei ist Grubbs auch Autor meh­re­rer Bücher, Pro­fes­sor für Musik und Klang­kunst in New York und ein exzel­len­ter Essay­ist. Sein neu­es­tes Buch heißt Good­night the plea­sure was ours“, es bil­det den drit­ten und letz­ten Teil einer lose ver­bun­de­nen Tri­lo­gie, in der er auf essay­is­ti­sche und auto­bio­gra­fi­sche Weise dem Nach­klang von Musik im Leben und Den­ken nach­spürt – ein Musi­ker mit Theo­rie im Kopf und Gefühl in den Fingern.

David Grubbs, Whistle from Above

David Grubbs
Whistle from Above

Ver­öf­fent­licht: 28. Februar 2025
Label: Drag City

David Grubbs’ Album Whistle From Above“ ist seine erste Ver­öf­fent­li­chung auf Drag City seit über einem Jahr­zehnt – und zugleich sein ers­tes rei­nes Instru­men­tal­al­bum für das Label über­haupt. Ent­stan­den ist es in länd­li­cher Abge­schie­den­heit wäh­rend eines erzwun­ge­nen Still­stands: dem Lock­down. Grubbs, nach eige­nen Wor­ten beschäf­tigt mit einer Scheiß­menge Gitarre“, hat ein zutiefst geer­de­tes Werk geschaf­fen – mini­ma­lis­tisch, redu­ziert, eigen­wil­lig melodisch.

Meditative Reise

Lap Steel, Piano, Elek­tro­nik und seine unver­kenn­bare E‑Gitarre geben den Ton an. Mit Cleek Schrey an der zehn­sai­ti­gen Fiddle (einem Instru­ment mit Wur­zeln in iri­scher und nor­we­gi­scher Folk­lore), Nikos Velio­tis am Cello, Rho­dri Davies an der Harfe, Andrea Belfi am Schlag­zeug und Nate Woo­ley an der Trom­pete bringt Grubbs Musiker*innen zusam­men, die nicht bloß Gäste sind, son­dern Ver­bün­dete sei­nes musi­ka­li­schen Den­kens. In acht Tracks auf knapp vier­zig Minu­ten ent­fal­tet sich Whistle From Above“ als leise, melo­di­sche Reise mit medi­ta­ti­ven Zwi­schen­tö­nen. Schon der eröff­nende Titel­track gibt mit zurück­ge­lehn­tem Gitar­ren­spiel und war­mem Har­mo­nium die Rich­tung vor – sanft, aber nie belang­los. Ein ange­deu­te­tes folk­mu­si­ka­li­sches Motiv ver­mit­telt zunächst Ruhe, wird jedoch bald von einer schrä­gen Tona­li­tät durch­kreuzt: Hier geht es nicht um gefäl­lige Schön­heit, son­dern um eine, die auch Ecken und Kan­ten aushält.

Noissrock trifft Free Jazz

Im fol­gen­den The Snake on Its Tail“ blitzt Grubbs’ Ver­gan­gen­heit in Punk- und Hard­core-For­ma­tio­nen wie Squir­rel Bait auf – ange­trie­ben von Bel­fis agi­lem Schlag­zeug­spiel ent­steht ein schil­lern­der Noi­se­r­ock, der sich gegen Ende ver­schmitzt dem Free Jazz zuwen­det. Es ist Musik, die sich nicht anbie­dert, son­dern sich lang­sam ent­fal­tet – tas­tend, manch­mal zärt­lich. So auch in Hung in the Sky of the Mind“: Grubbs’ redu­zier­tes, kla­res Pia­no­spiel erstreckt sich über sie­ben Minu­ten, wäh­rend Davies’ per­lende Harfe dem Stück eine schwe­re­lose Qua­li­tät ver­leiht. Spä­ter wird es dunk­ler – Scra­pe­grace“ mit Grubbs’ fla­ckern­der Gitarre und Bel­fis per­kus­si­vem Grol­len fühlt sich an wie ein her­an­na­hen­des Gewit­ter. In die­ser düs­te­ren Post-Rock-Minia­tur leuch­tet auch Nate Woo­leys expres­sive Trom­pete auf – er kehrt spä­ter noch ein­mal zurück, in Queen’s Side Eye“, das sich mit fili­gra­nem Picking lang­sam auf­baut, bevor die Trom­pete wie aus der Ferne einsetzt.

Stilles Manifest der Reduktion

Ganz anders wie­derum Later in the Tapestry Room“: eine Sound-Col­lage, die mit Vinyl-Knis­tern beginnt, sich lang­sam aus Gitar­ren- und Vio­li­nen­tex­tu­ren ent­fal­tet und schließ­lich in glit­chi­gen Frag­men­ten, digi­ta­len Ver­zer­run­gen und hoch­fre­quen­ten Inter­fe­ren­zen auf­löst – als würde man ein ver­ges­se­nes Radio­ge­rät wie­der ein­schal­ten. Der Schluss­ak­kord namens Syn­chro Fade Pluck Stut­ter Slip“ macht sei­nem Titel alle Ehre: ein flir­ren­des, fast zer­fal­len­der Track aus Sound­pat­tern, akus­ti­schen Schlie­ren und ver­zerr­ter Gitarre. Grubbs zeigt sich auf Whistle From Above“ als Musi­ker, des­sen musi­ka­li­sche Spra­che das Expe­ri­ment ist. Das Album ist ein stil­les Mani­fest der Reduk­tion und der Neu­gier. Kein Spek­ta­kel, sicher for­dernd – aber eines, das mit jeder Wie­der­ho­lung an Tiefe gewinnt.Ein hyp­no­ti­sches Mosaik für alle, die gern zwi­schen den Tönen hören.