Meister des Surrealen verstorben

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Der amerikanische Filmemacher und Künstler David Lynch war in vieler Hinsicht einzigartig. Er war nicht nur Regisseur der erfolgreichen Serie „Twin Peaks“ und der Mann hinter Filmen wie „Blue Velvet“ und „Mulholland Drive“ – er war auch ein begnadeter Maler und Musiker.

Der ame­ri­ka­ni­sche Fil­me­ma­cher und Künst­ler David Lynch war in vie­ler Hin­sicht ein­zig­ar­tig. Er war nicht nur Regis­seur der erfolg­rei­chen Serie „Twin Peaks“ und Schöp­fer von Fil­men wie „Blue Vel­vet“ und „Mul­hol­land Drive“ – er war auch ein begna­de­ter Maler und Musi­ker.
David Lynch wurde am 20. Januar 1946 in Mis­soula, Mon­tana (USA), gebo­ren. Nun ist der lang­jäh­rige Rau­cher fünf Tage vor sei­nem 78. Geburts­tag an einem Lun­gen­em­phy­sem ver­stor­ben. Sein unver­wech­sel­ba­rer Stil, der das Sur­reale und das Abgrün­dige stets meis­ter­haft mit­ein­an­der ver­band, ver­schaffte ihm über sechs Jahr­zehnte hin­weg eine breite, enga­gierte Kult-Anhän­ger­schaft. Werke wie Era­ser­head“, „Blue Vel­vet“ und die Kult­se­rie „Twin Peaks“ wur­den zu Mei­len­stei­nen der Film­ge­schichte, die die Gren­zen des Medi­ums immer wie­der neu defi­nier­ten. Lynchs letzte große Pro­duk­tion war die Fern­seh­se­rie „Twin Peaks: The Return“ (2017). Sein letz­ter Spiel­film liegt jedoch deut­lich län­ger zurück: „Inland Empire“ aus dem Jahr 2006 – ein typi­scher David-Lynch-Film, sur­real und zutiefst ver­stö­rend, der Traum, Rea­li­tät und Iden­ti­täts­kri­sen mit­ein­an­der ver­schmel­zen lässt. Mit sei­ner frag­men­tier­ten Erzähl­weise und alb­traum­haf­ten Atmo­sphäre for­dert der Film die Zuschauer auf, sich auf ein Gefühl der Unge­wiss­heit und des Unbe­wuss­ten einzulassen.

Dissonanzen treffen auf Popsongs

Die sur­rea­len, oft alb­traum­haf­ten Atmo­sphä­ren sei­ner Werke ver­stärkt David Lynch durch den geziel­ten Ein­satz von Musik, die er nicht als Hin­ter­grund nutzt, son­dern als zen­tra­len Bestand­teil des fil­mi­schen Erzäh­lens inte­griert. Die düs­te­ren, melan­cho­li­schen Klänge des iko­ni­schen Sound­tracks zu „Twin Peake“, kom­po­niert von Angelo Bad­al­a­menti, inten­si­vie­ren und ver­stär­ken die sur­reale Atmo­sphäre und emo­tio­nale Wir­kung des Films. Lynch arbei­tet oft mit mini­ma­lis­ti­schen, schwe­ben­den Klän­gen oder dröh­nen­den Dis­so­nan­zen, die ein Gefühl von Unbe­ha­gen erzeu­gen, etwa in „Era­ser­head“ mit dem ver­zerr­ten Geräusch von Maschi­nen. Auch in den eben­falls in Zusam­men­ar­beit mit Kom­po­nist Angelo Bad­al­a­menti ent­san­de­nen Sound­tracks zu „Blue Vel­vet“ und „Mul­hol­land Drive“ ste­hen ver­träumte Melo­dien neben schau­ri­gen Klang­tep­pi­chen. Lynch setzt auch immer wie­der gezielt Pop­songs ein, die oft in iro­ni­schem Kon­trast zur Hand­lung ste­hen, wie Roy Orbi­sons „In Dreams“ in „Blue Vel­vet“. So wird die Musik nie pas­siv ver­wen­det, son­dern ist aktiv in die Hand­lung inte­griert, um Stim­mun­gen zu erzeu­gen, Figu­ren zu cha­rak­te­ri­sie­ren und den Ein­druck von Traum und Alb­traum zu verstärken.

Verstörend auch Lynchs eigene Musik

Mit „Crazy Clown Time“ wurde im Novem­ber 2011 bei PIAS und Sun­day Best Lynchs ers­tes Solo-Stu­dio­al­bum ver­öf­fent­licht. Mit einem Gast­auf­tritt der Yeah Yeah Yeahs-Sän­ge­rin Karen O erhielt es all­ge­mein posi­tive Kri­ti­ken und plat­zierte sich in meh­re­ren inter­na­tio­na­len Charts. Sein zwei­tes Stu­dio­al­bum „The Big Dream“ erschien im Juli 2013, wobei die Lead­sin­gle des Albums „I’m Wai­ting Here“ von der Sän­ge­rin Lykke Li gesun­gen wurde. Die Alben zeu­gen von einem fei­nen Gespür für atmo­sphä­ri­sche Klänge, die ebenso ver­stö­rend wie fas­zi­nie­rend wir­ken. Lynchs Alben sind eine Erwei­te­rung sei­ner fil­mi­schen Visio­nen – düs­ter, träu­me­risch und unver­kenn­bar. Noch im August 2024 ver­öf­fent­lichte er ein Kol­la­bo­ra­ti­ons­al­bum mit der US-ame­ri­ka­ni­schen Musi­ke­rin und Schau­spie­le­rin Chrys­ta­bell – das dritte gemein­same Werk von Lynch und der Art-Pop-Künstlerin.

Anfang 2025 wurde Lynch noch bei den kata­stro­pha­len Wald­brän­den in Süd­ka­li­for­nien aus sei­nem Haus eva­ku­iert, seine Gesund­heit hatte sich da bereits rapide ver­schlech­tert. Am Abend des 16. Januar gab die Fami­lie auf der offi­zi­el­len Face­book-Seite von David Lynch bekannt, dass der Fil­me­ma­cher am Vor­tag ver­stor­ben sei: „Es gibt ein gro­ßes Loch in der Welt, jetzt wo er nicht mehr unter uns ist. Aber wie er sagen würde: ‘Behalte den Donut im Auge und nicht das Loch.’ Es ist ein wun­der­schö­ner Tag mit gol­de­nem Son­nen­schein und durch­ge­hend blauem Himmel.“