David Thomas, der exzentrische Frontmann von Pere Ubu und eine der schillerndsten Figuren des amerikanischen Undergrounds, ist verstorben. Er wurde 71 Jahre alt.
Als sich Ende der 1970er Jahre der Punk in rasender Geschwindigkeit in New York und London entlud, schuf Thomas mit Pere Ubu eine eigenwillige Parallelwelt: Avantgarde statt Aggression, Dissonanz statt Pose. Mit seiner eigenartig krächzenden Stimme, die klang wie ein kaputter Radiosprecher aus einer anderen Dimension, und einer Mischung aus Noise, Garage Rock und dadaistischer Poesie sprengte Thomas die engen Grenzen des Genres schon, bevor sie überhaupt richtig etabliert waren.
Experimentelle Punker
Geboren 1953 in Miami und aufgewachsen in Cleveland, wurde Thomas früh Teil einer Szene, die später als „Cleveland-Sound“ stilprägend wirken sollte. Mit Gitarrist Peter Laughner gründete er 1974 zunächst die Proto-Punk-Band Rocket From The Tombs, bevor beide 1975 Pere Ubu ins Leben riefen – eine Band, die wie keine zweite die industrielle Tristesse des amerikanischen Mittleren Westens vertonte. Der Name geht auf das humorvolle Philosophie- und Wissenschaftskonzept des französischen Schriftstellers Alfred Jarry (1873–1907) zurück.
Das Debütalbum von Pere Ubu, „The Modern Dance“ (1978), gilt bis heute als Meilenstein experimenteller Rockmusik und verpasste der Band das Label „Art-Punker“ – sie selbst nannten ihren Sound jedoch „Avant-Garage“. Die ursprüngliche und einflussreichste Phase von Pere Ubu dauerte von 1975 bis 1982. Danach existierte die Band in diversen Konstellationen und Besetzungen weiter – die einzige Konstante war immer David Thomas.
Ein sperriger Einzelgänger
Thomas blieb zeitlebens unbequem, sperrig und zugleich tief berührend. Er hasste jede Form von Nostalgie und verweigerte sich konsequent den Mechanismen des Musikbusiness. Mit verschiedenen Musiker:innen widmete er sich zahlreichen Soloprojekten, bei denen das Punkrock-Element von Pere Ubu meist außen vor blieb. Nach dem fünften Soloalbum „Blame the Messenger “(1987) reformierten sich Pere Ubu schließlich, während Thomas weiterhin auch solo aktiv blieb.
David Fucking Thomas
In den letzten Jahren lebte Thomas mit einer Nierenerkrankung. Bis kurz vor seinem Tod am 23. April 2025 arbeitete er an neuen Projekten. Thomas bestand darauf, dass alle Aufnahmen von Konzerten über Bandcamp der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch seine nicht fertiggestellte Autobiografie soll posthum vollendet werden.
Er verstand sich nie als Rockstar – er war ein Anti-Held, ein Erzähler aus den Ruinen einer untergehenden Welt. Wer er war, fassen seine eigenen Worte am besten zusammen: „My name is David Fucking Thomas … and I’m the lead singer of the best fucking rock and roll band in the world.“ Gemäß seines Wunsches wird er auf seine Farm in Pennsylvania überführt – und dort „in die Scheune geworfen“.