Die wilde Jagd
7. Dezember 2025 • Bilker Bunker, Düsseldorf
Zweiter Advent, Sonntag, und es regnet ohne Unterlass. Eigentlich geht heute kein Hund vor die Tür – ich aber schon. Denn Die Wilde Jagd, das Musikprojekt des Produzenten Sebastian Lee Philipp, spielt im Bilker Bunker in Düsseldorf. Das Ticket ist ein Geburtstagsgeschenk von Stefan — da kann mich auch das Wetter nicht vom Konzertbesuch abhalten. Der Bunker ist an diesem Abend ausverkauft, wirkt aber trotz der Menge nicht überfüllt. Wie angekündigt, wird ein spezielles Club-Set in Duo-Besetzung präsentiert.
Ein Einstieg unter Hochspannung
Sebastian Lee Philipp und Schlagzeuger Manuel Chittka spielen Variationen von Tracks der ersten beiden Alben. Schon der erste Titel zeigt, wohin die Reise geht: „Flederboy” beginnt mit einem drückenden, industriellen Groove. Chittka belebt den Track mit chirurgischer Präzision und beeindruckender Dynamik, während Philipps Keyboardklänge aus düsteren Synthflächen immer wieder feine Melodien hervorleuchten lassen, der Sound gewohnt krautig, hypnotisch und repetitiv. Wie in Trance bewegt sich das Publikum zum monotonen Puls. Der rohe Beton des Bunkers, die leicht klaustrophobische Enge – all das scheint für diese Mischung aus analoger Körperlichkeit und elektronischem Druck wie geschaffen.
Zwischen Traum und Druck
Es folgt das verträumt-romantische „Morgenrot“ vom Debütalbum, diesmal mit Vocals. Leider geht die Stimme im Mix etwas unter und klingt, als käme sie aus einer anderen Sphäre, leicht gedämpft, fast wie unter Wasser. Im Verlauf des Sets – einer sorgfältig kuratierten Auswahl aus den ersten beiden Alben – steigert sich die Intensität kontinuierlich. Unerwartet roh und energiegeladen gerät der Hit ihres Zweitlings, „2000 Elefanten“. Die Übergänge zwischen den Tracks wirken organisch, als wäre das gesamte Set ein einziger, fünfaktiger Klangroman. Das passt, denn eine Kommunikation mit dem Publikum ist kaum vorhanden.
Neugeburt der Tracks
Die Live-Arrangements sind weniger Wiedergaben der Albumversionen als vielmehr Neuinterpretationen – rohe Energie, frisch verdrahtet. Philipp dehnt Melodien, verzerrt sie und führt sie in unerwartete Richtungen, während Chittka mit Polyrhythmen kontert, die den Stücken eine zusätzliche Dimension verleihen. Hier stehen zwei Musiker, die sich blind verstehen. Ihre Chemie passt perfekt zu diesem Ort. Die Tracks sind ausufernd und episch, und so kündigt der fünfte Titel, „Der Meister“, bereits das Ende des regulären Sets an.
Ekstase im Betonraum
Nach etwas mehr als einer Stunde ein kurzer Blickkontakt zwischen den beiden: „Machen wir noch eine Zugabe?“ – Natürlich tun sie das. Bei dieser Zugabe steht Chittka im Mittelpunkt: ein atemberaubender, fast wahnwitziger Schlagzeugpart, begleitet von einer extrem verzerrten, noisigen Gitarre, die stellenweise beinahe rockistische Momente erzeugt. Es ist eine kleine Explosion, ein Finale, das gleichermaßen überrascht wie begeistert.Ein Konzert, wie ich es liebe: klein, lebendig, mitreißend. Alles stimmt – Ort, Sound, Energie. Und dieser irrwitzige Schlagzeuger! Ein intensives, kraftstrotzendes Set, das zeigt, wie weit man elektronische Musik und Schlagzeugkunst miteinander verschmelzen kann, wenn zwei Künstler bereit sind, wirklich alles zu geben. Vielen Dank, Stefan – und allen Menschen, die solche Konzerte und Musik möglich machen.

