Noise-Ekstase im kleinen Club

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Ditz
15. November 2025 • ZAKK, Düsseldorf

Ditz und als Sup­port Das For­mat – zwei Bands, die ich schätze, an einem Abend? Da gibt es keine Dis­kus­sion. Dass ich wegen strö­men­den Regens aus­nahms­weise mit dem Auto zum ZAKK fahre, fühlt sich fast schon wie ein Stil­bruch an. Umso schö­ner die erste Über­ra­schung: Das Kon­zert fin­det im klei­nen Club statt – und der ist gut gefüllt. Vor allem sehr jun­ges, sehr diver­ses Publi­kum: Das ZAKK wirkt an die­sem Abend wie ein Treff­punkt aller, die sich im weit­ge­spann­ten Indie‑, Punk- und Noise-Kos­mos zu Hause fühlen.

Noiserock auf den Punkt

Das Augs­bur­ger Trio Das For­mat eröff­net den Abend und setzt die Latte sofort hoch. Viele im Publi­kum schei­nen so viel Ener­gie nicht erwar­tet zu haben. Neben mir fragt jemand ver­blüfft: Wie hei­ßen die? Muss man sich mer­ken. Ganz groß!“ Tref­fen­der lässt sich der Auf­tritt kaum bilan­zie­ren. Gitarre, Bass, Schlag­zeug – mehr brau­chen Bruno Ten­schert, Maxi­mi­lian Ste­phan und Maxi­mi­lian Wörle nicht für ihr wuch­ti­ges Gemisch aus Post-Punk, Noise und fieb­ri­ger Direkt­heit. Wörle und Ste­phan trei­ben mit ihrem dyna­mi­schen Rhyth­mus­spiel den Puls nach oben, wäh­rend Ten­schert brüllt, singt, schreit, die Gitarre fau­chen lässt und mit sei­ner Stimme oft haar­scharf vor der Rück­kopp­lung balan­ciert.
Es ist laut, wütend, aber auch tanz­bar und stre­cken­weise fast medi­ta­tiv. Die Songs rum­peln, groo­ven, deto­nie­ren – ein Ein­stieg, der das Publi­kum sofort wach­rüt­telt. Nach etwas über einer hal­ben Stunde beschließt das Trio sein Set mit dem noi­si­gen Appa­rat“, nicht ohne Dank an Ditz: Wir sind sel­ber große Fans.“ Die Sym­pa­thie wirkt abso­lut glaubwürdig.

Charisma in Nylonstrümpfen

Nach kur­zer Umbau­pause über­nimmt das eng­li­sche Noise-Quin­tett Ditz die Bühne – und allein der Anblick macht klar, dass es nun wild wird. Front­mann Cal Fran­cis erscheint im Mini­rock, schwar­zen Nylon­strümp­fen und mit lackier­ten Fin­ger­nä­geln, wäh­rend Bas­sist Caleb Rem­nant mit Bart, Tat­toos und Bas­ket­ball-Tri­kot maxi­male Wucht aus­strahlt. Schlag­zeu­ger Sam Evans wirft bereits nach zwei Songs sein Shirt in die Ecke, und die Gitar­ris­ten Anton Mocock und Jack Looke wir­ken dane­ben fast zurück­hal­tend – rein optisch, ver­steht sich. Was danach geschieht, ist eine Lehr­stunde in kon­trol­lier­tem Chaos. Cal Fran­cis sucht per­ma­nent den Kon­takt zum Raum: Er bahnt sich Gas­sen durchs Publi­kum, schreit mit­ten im Mosh­pit ins Mikro, klet­tert auf die unbe­setzte Bar­theke und ver­sucht am Ende sogar, das Mikro im Decken­ge­stell zu ver­an­kern. Wäh­rend des­sen arbei­tet die Band sto­isch und prä­zise ihren Noise-Punk durch. Bei soviel Ener­gie zer­fetzt es dann die Snare – aber kein Pro­blem. Die War­te­zeit gestal­tet Cal mit einer spon­ta­nen Bier-Phi­lo­so­phie über das Flens­bur­ger und das magi­sche Plop“. Einem höchs­tens zwölf­jäh­ri­gen Besu­cher im Mega­deth-Shirt sagt er in gebro­che­nem Deutsch: Dein T‑Shirt ist sehr gut!“ – wor­auf­hin die­ser in sei­nem Shirt sicht­lich wächst. Sol­che Momente machen die Atmo­sphäre im engen, dunk­len Club einzigartig.

Pures Noise-Inferno

Musi­ka­lisch lie­fern Ditz ein Set, das tief in ihr jun­ges Œuvre greift. Gleich zu Beginn Don Enzo Magic Car­pet Sales­man“ – ein hyp­no­ti­scher Fie­ber­traum, erst im Okto­ber als Sin­gle erschie­nen. Auch der Kalimba Song“, die B‑Seite der Sin­gle, fin­det sei­nen Weg ins Set. Dazu kom­men das groß­ar­tige Taxi Man“ vom aktu­el­len Album und ältere Kra­cher wie I Am Kate Moss“ von The Great Regres­sion“. Spä­tes­tens beim tra­di­tio­nel­len Finale No Thanks, I’m Full“ brennt der Club end­gül­tig. Our last song, your last chance to dance“, kün­digt Cal an – und das Publi­kum gehorcht mit vol­ler Hin­gabe. Ein Noise-Inferno ohne Anfang und Ende, pure Ver­zer­rungs-Ekstase, die sich über alle ergießt. Als der letzte Ton ver­klingt, kniet Schlag­zeu­ger Sam Evans vor dem Effekt­ge­rät und läßt es im Feed­back aufheulen.

Nass, glücklich, gerädert

Am Ende sind alle für eine Zugabe zu erschöpft: Band und Publi­kum. Mein T‑Shirt ist durch­weicht, mein Kreis­lauf tau­melt – und ich bin heil­froh, heute aus­nahms­weise das Auto genom­men zu haben. Auf dem Fahr­rad hätte ich mir nach die­sem schweiß­ge­tränk­ten Abend garan­tiert eine Erkäl­tung ein­ge­fan­gen. Aber für einen sol­chen Kon­zert­abend lohnt sich jedes nasse Kleidungsstück.