Tanzen ja, mitsingen eher nein

Dry Cleaning

27. Juli 2023 • ZAKK, Düsseldorf

Es ist noch gar nicht mal so lange her, da waren Urs, ich und die Glad­bach-Crew auf einem groß­ar­ti­gen Kon­zert im Club Volta in Köln. Dry Clea­ning hat­ten sich für den 9. Novem­ber 2022 ange­kün­digt. Jetzt knapp neun Monate spä­ter tre­ten sie bereits wie­der auf: Dies­mal im ZAKK in Düs­sel­dorf. Und obwohl der Auf­tritt in Köln noch gut in Erin­ne­rung ist, ist es keine Frage, dass wir auch dies­mal wie­der dabei sein wer­den, ver­stärkt um Josie und Klaus, den här­tes­ten, kri­tischs­ten Musik­ken­ner in mei­nem Freundeskreis. 

Pünkt­lich um acht star­tet das Kon­zert in der vol­len, aber nicht aus­ver­kauf­ten Halle mit dem Sup­port-Act CV Vision, der Anfang Juni das Album „Im Tal der Stut­zer“ her­aus­ge­bracht hat. Wurde Den­nis Schulze, so sein bür­ger­li­cher Name, bei die­ser Pro­duk­tion noch von der Musi­ke­rin Mar­tha Rose und dem Schlag­wer­ker Uno Bruni­us­son beglei­tet, bestrei­tet er den Auf­tritt im ZAKK allein — mit E‑Gitarre, Korg-Drum­ma­chine und aller­lei Effekt­ge­rä­ten. Dabei per­formt er sei­nen DIY-Psy­che­de­lic-Pop char­mant läs­sig und (bewusst) unpro­fes­sio­nell und erin­nert gele­gent­lich an den LoFi-US-Expe­ri­men­tal-Sound aus den 90ern — das klingt dann pas­sa­gen­weise auch ganz inter­es­sant, über­zeugt hat es mich nicht. Ein­zig der Song „Die from­men Wan­de­rer“, eines der weni­gen Gesangs­stü­cke und der ein­zige auf Deutsch, hat mit sei­nem Volks­lied­cha­rak­ter etwas sog­haf­tes und fes­seln­des. Meine Beglei­tung sieht das ähn­lich — Klaus: „Das hat was von Helge Schnei­der — aber lei­der unge­wollt…” Nach etwas über 30 Minu­ten ver­läßt CV Vision unter Applaus die Bühne — es hat also doch irgend­wie gefallen.

Gegen neun tre­ten dann die Hel­den des Post-Punk-Sprech­ge­sangs auf: Dry Clea­ning aus dem Süden Lon­dons kom­bi­nie­ren ihren läs­si­gen Post-Punk mit dem unge­wöhn­li­chen, stoi­schen Sprech­ge­sang Flo­rence Shaws. Sie star­ten mit dem atmo­sphä­ri­schen Song „Viking Hair“, gefolgt von dem wun­der­bar noi­si­gen „Unsmart Lady“ und dem boun­ci­gen, melo­di­schen „Don’t press me“ — ein per­fek­tes Warm-Up, damit ist das musi­ka­li­sche Feld abge­steckt. Die Band wird zuneh­mend spiel­freu­di­ger und das kokett über­trie­bene Minen­spiel von Flo­rence Shaw wird expres­si­ver und stär­ker. Über­haupt die Zusam­men­set­zung der Band: Da ist der genre-gerecht kahl­ge­scho­rene Gitar­rist Tom Dowse, der wie ein Der­wisch über die Bühne tobt und fast hym­ni­sche Gitrar­ren­riffs raus­haut und immer wie­der in noi­sige Eska­pa­den aus­bricht, am ande­ren Büh­nen­rand Bas­sist Lewis May­nard, der mit sei­nen melo­di­schen Bass­rhyth­men den Sound head­ban­gend groo­ven läßt und dabei mit sei­nen lan­gen Haa­ren aus­sieht wie einer 80er Metal­band ent­lau­fen, über allem thront ein Son­ny­boy, der prä­zise und vari­an­ten­reich das Drum­set bear­bei­tet. Shaw – per­fekt gestylt wie immer – bleibt starr vor ihrem Mikro­fon­stän­der ste­hen und sprech­singt wort­ge­wandt und vir­tuos. Dabei per­si­fliert ihre Mimik eine kunst­voll unter­drückte Thea­tra­lik: hoch­ge­zo­gene Augen­brauen, schie­fes Augen­rol­len, geschürzte Lip­pen und koket­tes Spiel mit den Haa­ren, groß­ar­tig. Zusätz­lich unter­stützt wird die Band von einem Musi­ker hin­ter den Boxen­tür­men, der den Sound mit Elek­tronik­split­tern und Key­board­phra­sen unter­mau­ert. Alles tech­nisch hoch­kom­plex und klang­lich frisch und ein­wand­frei. Unge­fähr in der Mitte des Sets kün­digt Shaw an: „This next song is dedi­ca­ted to Sinéad O’Con­nor.“ Und die Band ehrt die gerade ver­stor­bene iri­sche Sän­ge­rin mit dem wun­der­bar getra­ge­nen und melan­cho­li­schen „Swampy“, das mit sei­nen ver­schro­be­nen Lyrics so etwas wie ein Beschwö­ren der guten alten Zeit ist. Ins­ge­samt ist die Set­list schön gemischt – mit Tracks des aktu­el­len Albums „Stump­work“ sowie des Vor­gän­gers „New Long Leg“. Irgend­wann ruft ein Zuschauer: „How is Gary doing?” — eine Anspie­lung auf den Song Gary Ashby, in dem eine kleine, ent­lau­fene Schild­kröte eine Rolle spielt. „Oh, don’t worry, I think he’s alright”, so Front­frau Flo­rence Shaw mit schel­mi­schem Lächeln, und natür­lich spie­len sie auch die­sen Song. Als Zugabe gibt es mit „Magic of Meg­han“, einem Track ihrer EP „Sweet Prin­cess“, und mit „Anna Calls From the Arc­tic“ von „Stump­work“ einen wür­di­gen Abschluss. Und so sind wir nach gut zwei Stun­den alle begeis­tert von einer stim­mi­gen, groß­ar­ti­gen Per­for­mance. Alle? Nein, da ist noch Klaus, der meint: „Na ja, war schon gut, aber…“ Also ich bin beim nächs­ten Kon­zert der Bri­ten wie­der dabei.