Zwischen Punk und politischem Manifest

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Einfach machen! She-Punks von 1977 bis heute

Regie: Reto Caduff
Dreh­buch: Chris­tine Franz
Genre: Doku­men­tar­film
Länge: 89 min
Film­start: 1. Mai 2025 

Die Doku Ein­fach machen! She-Punks von 1977 bis heute“ geht genau die­ser Frage nach. Der ursprüng­li­che Arbeits­ti­tel des Pro­jekts lau­tete: Jung kaputt spart Alters­heime – der Film“, benannt nach einem Song der Han­no­ve­ra­ner Band Bär­chen und die Milch­bu­bis“. Hin­ter der Idee steckt Chris­tine Franz, die in Ber­lin als Musik­re­dak­teu­rin und Autorin für das Arte-Pop­kul­tur­ma­ga­zin Tracks“ tätig ist. Ihr ers­ter Musik-Doku­men­tar­film war das viel­be­ach­tete Bunch of Kunst“ von 2017, in dem sie das bri­ti­sche Elec­tro­punk-Duo Sleaford Mods aus Not­ting­ham zwei Jahre lang begleitete. 

Roh, laut und nah dran

Auf­grund künst­le­ri­scher Dif­fe­ren­zen zwi­schen Franz und der Pro­duk­ti­ons­firma über­nimmt schließ­lich Reto Caduff die Regie­ar­beit. Den Que­re­len hin­ter dem Vor­hang merkt man der Doku jedoch nicht an. Im Gegen­teil: Der Film ist eine packende, lau­nige Hom­mage an die Frauen im deutsch­spra­chi­gen Punk, die sich Ende der 1970er dar­an­mach­ten, patri­ar­chale Struk­tu­ren zu spren­gen – laut, unbe­quem und abso­lut not­wen­dig. Und das sind sie bis heute geblie­ben. Ent­spre­chend kra­chig, roh und authen­tisch sind Bild und Ton. Im Mit­tel­punkt ste­hen die Pio­nie­rin­nen von Östro 430 (Düs­sel­dorf), Mania D und Mala­ria! (Ber­lin) sowie Kleenex/​LiLiPUT (Zürich) – alle­samt Musi­ke­rin­nen, die auch heute noch oder wie­der auf der Bühne ste­hen, um Hal­tung in Sound zu ver­wan­deln. Hier kommt nicht die Nost­al­gie mit Nie­ten­gür­tel und Rasier­klinge um die Ecke, son­dern die ernst­hafte Frage: Kann Musik einen gesell­schaft­li­chen Wan­del lostreten?

Zeitdokument mit Haltung

Die visu­elle Spra­che der Doku ist durch­zo­gen von his­to­ri­schen Auf­nah­men, TV-Schnip­seln und rarem Bild­ma­te­rial, das mit dem Takt der Musik pul­siert. Wenn Mar­tina Weith von Östro 430 in einer alten WDR-Talk­show mit dem Begriff Wei­ber­band“ kon­fron­tiert wird, wird der Sexis­mus der Zeit plötz­lich greif­bar. Und wie die Musi­ke­rin­nen mit Songs wie Dal­las“ auf der Bühne ste­hen, ist Pop­kul­tur­kri­tik mit Mit­tel­fin­ger und Tanz­bar­keit. Caduff ver­dich­tet Inter­views, Archiv­ma­te­rial und Per­for­mance-Sze­nen zu einem tem­po­rei­chen Sound­track der Selbst­er­mäch­ti­gung. Zwar rau­schen dabei manch­mal The­men vor­bei, die nicht wei­ter ver­tieft wer­den – doch das passt zur Essenz von Punk: impul­siv, roh, nie aka­de­misch. Ein­fach machen!“ bleibt die­ser Ener­gie treu und wirkt so wie ein fil­mi­sches Fan­zine – nah dran und abso­lut authentisch.

Fast ausschließlich weibliche Perspektiven

Der Film schlägt einen klu­gen Bogen in die Gegen­wart. Junge Stim­men spre­chen vom Erbe der She-Punks, vom Empower­ment, das sie dar­aus zie­hen – und von den Kämp­fen, die noch lange nicht vor­bei sind. Dass die por­trä­tier­ten Musi­ke­rin­nen selbst heute wie­der oder immer noch aktiv sind, ver­leiht der Doku eine ganz eigene Strahl­kraft. Punk ist hier nicht Geschichte, son­dern Hal­tung in Echt­zeit. Ent­spre­chend for­mu­liert Klau­dia Schif­ferle (Kleenex, LiLi­PUT): Ich finde das auch eine Mes­sage, auf die Bühne zu gehen, wenn man nicht mehr so hübsch und nett ist.“ Stim­mig auch, dass die Tal­king Heads des Films (fast) aus­schließ­lich Frauen sind. Ein klei­ner Schön­heits­feh­ler bleibt den­noch: Der kom­plette Titel des Films – Ein­fach machen! She-Punks von 1977 bis heute“ – sug­ge­riert, dass alle por­trä­tier­ten Musi­ke­rin­nen bereits 1977 aktiv waren. Das trifft jedoch auf keine von ihnen zu.

Einfach machen!“ als Aufruf

Dass es hin­ter den Kulis­sen auch Rei­bung gab – inklu­sive Regie­wech­sel – erfährt das Publi­kum im Düs­sel­dor­fer Ate­lier. Bei der Auf­füh­rung am 5. Mai sind auch Pro­du­zen­tin Milena Fess­mann und Punk­mu­si­ke­rin Bet­tina Flör­chin­ger (Östro 430) vor Ort. Sie stel­len sich den Fra­gen des Publi­kums und berich­ten von den Her­aus­for­de­run­gen, ein sol­ches Pro­jekt zu stem­men: För­der­an­träge, die Beschaf­fung von Archiv­ma­te­rial und nicht zuletzt der uner­war­tete Tod der Prot­ago­nis­tin Mad­laina Peer (OneT­wo­Th­ree) erschwer­ten die Arbeit. So wird der Abend selbst zum Mani­fest: Ein­fach machen!“ – für alle, die glau­ben, dass Musik poli­tisch sein kann. Und für alle, die wis­sen, dass sie es sein muss.

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