Tragisch-komisches aus der Welt der Armut

Fallende Blätter

Regie: Aki Kau­ris­mäki
Dreh­buch: Aki Kau­ris­mäki
Beset­zung: Alma Pöysti, Jussi Vat­anen, Janne Hyy­tiäi­nen
Ori­gi­nal­ti­tel: Kuol­leet lehdet

„Fal­lende Blät­ter“ ist Aki Kau­ris­mä­kis acht­zehn­ter Spiel­film und der vierte Film sei­ner „pro­le­ta­ri­schen Reihe“, die eigent­lich nur als Tri­lo­gie ange­legt war. Wie die meis­ten Filme des fin­ni­schen Regis­seurs spielt auch er in Hel­sinki – Kau­ris­mäki selbst lebt seit Lan­gem schon in Por­tu­gal. Dabei erkennt man die Stadt in nur weni­gen Ein­stel­lun­gen. Der Film bewegt sich vor allem in Innen­räu­men: Knei­pen, Küchen, Läden, Fabrik­hal­len oder auch Bara­cken. Und es sind die typi­schen Bil­der des Aki Kau­ris­mäki, die wie immer bei dem fin­ni­schen Film­poe­ten von Kame­ra­mann Timo Sal­mi­nen­der vir­tuos ein­ge­fan­gen wer­den. Bil­der vol­ler Melan­cho­lie, in lan­gen sta­ti­schen Ein­stel­lun­gen und in einer bestechen­den Far­big­keit, die im wohl­tu­en­den Kon­trast zum ein­tö­ni­gen Trott steht. Denn diese stille Lie­bes­ge­schichte bewegt sich an bezie­hungs­weise unter­halb der Armuts­grenze. Sie erzählt von der Annä­he­rung zwi­schen dem Schwei­ßer Hol­lapa und der Super­markt-Ange­stell­ten Ansa, beide in äußerst pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen lebend. Man erfährt nicht, wie sie in diese Situa­tion gera­ten sind – er ein schwer­mü­ti­ger Alko­ho­li­ker, sie ein­sam und allein lebend. Beide ver­lie­ren ihre Jobs, fin­den zuein­an­der und ver­lie­ren sich unglück­li­cher­weise wie­der, sie haben beide keine Kon­trolle über ihr Leben. Sie wer­den getrie­ben von Zufäl­len und äuße­ren Ein­flüs­sen – tau­meln, stür­zen, aber ste­hen irgend­wie auch wie­der auf. 

Auf der Suche nach dem Glück

Die Glück-Suchen­den sind Spiel­bälle eines kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems, das Men­schen aus­beu­tet und benutzt. Kau­ris­mäki erzählt diese Geschichte mit sehr viel Empa­thie und sei­nem ganz eige­nen stil­len Humor. Dabei wir­ken, auch das typisch für den auto­di­dak­ti­schen Autoren­fil­mer, viele Sze­nen nicht nur optisch wie aus der Zeit gefal­len. Doch dass der Film im Heute spielt, ver­mit­teln die immer wie­der aus alten Tran­sis­tor­ra­dios schal­len­den Mel­dun­gen vom Ukraine-Krieg. Neben sei­ner so cha­rak­te­ris­ti­schen visu­el­len Spra­che bet­tet Kau­ris­mäki seine lako­ni­sche Lie­bes­ge­schichte wie immer auch in ein gefühl­vol­les, musi­ka­li­sches Umfeld. Sind es vor­wie­gend the­ma­tisch pas­sende weh­mü­tige und tra­gi­sche Lie­bes­lie­der, die die Sze­nen beglei­ten, so gibt es auch Ein­stel­lun­gen, in denen die Musik ein­deu­tig die Haupt­rolle spielt. Sei es in einer Karaoke-Bar oder in einer Musik­kneipe, in der das fin­ni­sche Avant­garde-Pop-Frauen-Duo Maus­te­ty­töt einen hin­rei­ßend schön-schrä­gen Knei­pen-Gig zum Bes­ten gibt. Diese Ver­schrän­kung von Film und Musik kennt man auch von dem US-ame­ri­ka­ni­schen Autoren­fil­merJim Jar­musch, dem Kau­ris­mäki in sei­nem Film eine kleine, lie­bens­wür­dige Refe­renz erweist: Als Hol­lapa sich end­lich ein Herz fasst und Ansa fragt, ob sie mit ihm ins Kino geht, schauen sie Jar­muschs Zom­bie-Komö­die „The Dead Don’t Die“ (auch sehr emp­feh­lens­wert). Als sie aus dem Kino kom­men, sagt jemand — auch das ganz cha­rak­te­ris­tisch für Kau­ris­mä­kis sub­ti­len Humor — dass ihn der Film an Robert Bres­sons „Tage­buch eines Land­pfar­rers“ erin­nert. Ansa hin­ge­gen ber­mekt nur tro­cken: „Die Poli­zei hatte keine Chance, es waren ein­fach zu viele Zom­bies“. Es ist das Kino Kau­ris­mä­kis: Nur wenige Worte, ansons­ten Sau­fen, Rau­chen und Schwei­gen – aber mehr braucht es auch nicht. Die­ser Film ist eine groß­ar­tige Lie­bes­er­klä­rung an Men­schen, die dann doch irgend­wie durch­kom­men. Kau­ris­mäki eben – wie man ihn kennt und liebt.

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