The Flaming Lips
Yoshimi Battles the Pink Robots
4. Juni 2025 • E‑Werk, Köln
Die US-amerikanische Rockband The Flaming Lips ist aus der Popgeschichte nicht mehr wegzudenken. Nach einer Party mit reichlich Alkohol und Drogen gründeten die Brüder Mark und Wayne Coyne zusammen mit Michael Ivins 1983 diese ebenso exzentrische wie einflussreiche Formation. Angeblich geht der Bandname auf Assoziationen aus der Porno- und Drogenszene der damaligen Zeit zurück. Auch nachdem Mark Coyne die Band verließ, machten die Flaming Lips unbeirrt weiter – und sorgten mit ihren spektakulären Bühnenshows für Furore. Ich habe sie noch nie live gesehen – aber heute ist es so weit. Im Kölner E‑Werk spielen sie das inzwischen etwas in die Jahre gekommene Album „Yoshimi Battles the Pink Robots“ von 2002. Natürlich bin ich dabei.
Ein Abend im Ausnahmezustand
Draußen findet an diesem Mittwochabend eine großflächige Bombenentschärfung statt, drinnen entsteht ein psychedelisches Paralleluniversum – voller pinker Roboter, leuchtender Regenbogen und konfettigeladener Emotionalität. Trotz langwieriger Parkplatzsuche bin ich pünktlich in der Halle und erlebe mit, wie Wayne Coyne aus dem Off die letzten fünf Minuten herunterzählt. Aus den Boxen dröhnt der Krautrock-Klassiker „Vitamin C“ von Can. Fünf, vier, drei, zwei, eins – es geht los.
Roboter, Regenbogen und Rauschzustände
„Fight Test“, der erste Track des Albums, macht den Auftakt – begleitet von vier überdimensionalen aufblasbaren, pinken Robotern, die wirken, als seien sie einer kindlichen Zukunftsvision entsprungen. Diese Theatralik ist längst Markenzeichen der Flaming Lips. Doch was nun folgt, ist mehr als eine Inszenierung: Es ist eine Mischung aus Kindergeburtstag und kosmischem Gottesdienst, in dem sich alle gegenseitig ihre Liebe versichern sollen.
Ein Album wird gefeiert – nicht nur gespielt
„Yoshimi Battles the Pink Robots“ wird nicht einfach nur gespielt – es wird zelebriert. Track für Track, exakt in Albumreihenfolge. Zwischen den Songs ruft Coyne – auf Dauer etwas ermüdend – immer wieder: „Don’t stop screaming! Come on, come on!“ Und zwischendurch: immer wieder kleine Anekdoten, etwa von Country-Star und LSD-Enthusiastin Kacey Musgraves, mit der die Band 2020 „God and the Policeman“ aufnahm. Musgraves, so Coyne, habe einmal im Drogenrausch mit einem Glühwürmchen in ihrer Küche Bossa Nova getanzt. Nun denn… Auch über Köln verliert Coyne viele warme Worte – und recht hat er: Der riesige Regenbogen-Ballon, der sich im Laufe des Abends über die Bühne spannt, könnte kaum besser passen.
Konfetti-Kanonen im kosmischen Bällebad
Wenn die Band spielt, dann mit unnachahmlicher Weirdness: Die LED-Wand hinter der Bühne zeigt flackernde, psychedelische Traumlandschaften. Coyne feuert mit Konfettikanonen, das Publikum spielt mit riesigen Luftballons, und die Halle verwandelt sich in ein interstellares Bällebad. Bei „Do You Realize?“ fordert Coyne die Fans auf, sich gegenseitig „I love you“ zuzurufen und sich zu umarmen. Klingt kitschig? An diesem Abend wirkt es völlig entwaffnend.
Nach der Pause: Eskalation in Form und Farbe
Nach einer kurzen Pause beginnt der zweite Teil des Konzerts – wieder eingeläutet durch einen deutschen Krautrock-Klassiker: „The Model“ von Kraftwerk. Und wieder: Fünf, vier, drei, zwei, eins… Was nun folgt, ist stilistisch freier und gleichzeitig visuell noch wilder. Mit Songs wie „She Don’t Use Jelly“, „Pompeii Am Götterdämmerung“ und „The Yeah Yeah Yeah Song“ setzt eine wahrlich sensorische Überforderung ein: Lasershows, Spiegelkugeln, tanzende Riesen-Aliens, Konfettiregen. Coyne, einmal sogar als anthropomorphes Pflanzenwesen verkleidet, ruft pausenlos: „Come on, come on! Scream!“
Sound zwischen Rave, Rausch und Retro
Musikalisch changieren die Lips zwischen elektronisch verzerrter Nostalgie und hymnischer Psychedelia. Eine Überraschung ist „The Golden Path“, ursprünglich mit den Chemical Brothers aufgenommen. Und dann hat auch noch Bassist Tommy McKenzie Geburtstag – also stimmt das Publikum, auf Waynes Aufforderung hin, ein vielstimmiges „Happy Birthday“ gepaart mit „Zum Geburtstag viel Glück“ an – für Außenstehende nicht mehr zu dechiffrieren.
Finale mit Regenbogen und Rakete
Für die Zugaben kehrt die Band noch einmal zurück auf die Bühne – unter anderem mit einer wunderschönen Coverversion von Daniel Johnstons „True Love Will Find You in the End“ und dem ekstatisch-feierlichen „Race for the Prize“. Ein Song über zwei Wissenschaftler, die um die Zukunft der Menschheit kämpfen – „They’re just humans with wives and children“ – bringt das Konzert zu einem letzten, lauten Höhepunkt. Coyne reckt eine Skulptur aus silbernen Ballonbuchstaben in die Höhe: „Fuck yeah! Cologne“, bevor erneut die Konfettikanonen feuern.
Abschied vom Paralleluniversum
Als das Publikum die Halle verlässt, schiessen die Crewmitglieder Pete und Zach kleine Geschenke in die Halle, die mit Mini-Fallschirmen zu Boden segeln. Draußen wartet wieder die Realität – aber für zwei Stunden war sie außer Kraft gesetzt. Dieses Konzert war weniger perfekt als vielmehr einzigartig. Und vielleicht ist genau das das Besondere. Ich bin jedenfalls glücklich, die Flaming Lips endlich live erlebt zu haben.








