Godspeed You! Black Emperor haben ihre Musik von allen großen Streaming-Plattformen entfernt. Statt Mainstream setzen die Post-Rock-Pioniere aus Montreal auf Haltung, politische Konsequenz – und die Nähe zu ihren treuesten Fans.
Godspeed You! Black Emperor – allein der Name klingt schon wie ein Manifest. Seit den frühen 90ern prägen die Kanadier den Post-Rock mit epischen Kompositionen, düsteren Klanglandschaften und radikaler Haltung. Jetzt hat das Kollektiv einen Schritt gewagt, der in der heutigen Musikwelt fast schon undenkbar erscheint: Die kanadische Post-Rock-Legende hat nahezu ihre gesamte Diskografie von allen großen Streaming-Plattformen entfernen lassen. Spotify, Tidal, Amazon Music – überall sind ihre Werke verschwunden. Selbst die beiden Kult-Alben „F# A# ∞“ (1998) und „Lift Your Skinny Fists Like Antennas to Heaven“ (2000), die noch kurzzeitig auf Apple Music verfügbar waren, sollen bald verschwinden. Wer Godspeed hören will, muss den Umweg über Bandcamp nehmen – oder physische Tonträger kaufen.
Von Kellerkonzerten zum Kultstatus
Gegründet 1994 in Montreal, war Godspeed nie eine gewöhnliche Band. Ihre Konzerte sind keine Shows im klassischen Sinne, sondern eher rituelle Klangereignisse: im Halbdunkel, mit Super-8-Projektionen, politischen Texttafeln und einer Lautstärke, die eher an ein Beben als an Musik erinnert. Alben wie „F# A# ∞“ (1998) oder ”Lift Your Skinny Fists Like Antennas to Heaven“ (2000) gelten längst als Klassiker des Post-Rock – Meilensteine, die zahllose andere Bands beeinflusst haben, von Mogwai bis Explosions in the Sky. Doch Godspeed waren immer mehr als Musik: Sie sind ein Kollektiv, das mit jeder Platte, jedem Auftritt und jedem Artwork auch eine Weltanschauung vermittelt. Gesellschaftskritik, Antikapitalismus und Widerstand gegen Krieg und Unterdrückung sind untrennbar mit ihrer Kunst verbunden.
Kein Platz für Tech-Milliardäre
Dass ausgerechnet diese Band nun ihre Musik von Spotify, Tidal, Amazon und Apple Music zurückzieht, überrascht also wenig. Offiziell hat die Band bislang kein Statement abgegeben. Aber auch das Label Kranky, bei dem frühe Werke der Band erschienen sind, betonte: „Kranky hat Künstler*innen schon immer die Kontrolle darüber überlassen, wie ihre Musik präsentiert und verbreitet wird.“ Godspeed nehmen diese Freiheit nun radikal ernst. Immer mehr Indie-Acts wie King Gizzard & The Lizard Wizard, Deerhoof oder Xiu Xiu boykottieren Spotify, weil CEO Daniel Ek über seine Investmentfirma Millionen in Rüstungstechnologie gesteckt hat. Und natürlich gehen Godspeed jetzt noch einen Schritt weiter – sie verschwinden komplett aus der Welt des Mainstream-Streamings. Für Fans bedeutet das: Wer weiterhin die monumentalen Stücke hören möchte, muss den Weg über Bandcamp gehen – oder auf Vinyl und CD zurückgreifen, ganz in der Tradition der Band, die physische Releases schon immer als Gesamtkunstwerk verstand.
Politische Konsequenz statt Reichweite
Godspeeds jüngstes Album trägt den Titel „No Title As of 13 February 2024, 28,340 Dead“. Der Name verweist direkt auf die damals dokumentierte Zahl der Opfer im Gazastreifen. Würde die Platte heute erscheinen, stünde dort: „62,004 Dead“. Schon an den Titeln erkennt man: Diese Band spricht nicht in Marketing-Slogans, sondern in radikaler Klarheit. So prangert die Band mit diesem Album die anhaltenden Angriffe Israels auf den Gazastreifen an, die laut UN und humanitären Organisationen als mögliche genozidale Handlungen untersucht werden. Auch wenn Israel dies entschieden zurückweist, ist der Fall mittlerweile vor dem Internationalen Gerichtshof anhängig. Der Rückzug aus dem Streaming wirkt damit wie ein logischer Schritt der Kanadier – ein weiteres Zeichen dafür, dass sie Kunst nie vom politischen Kontext trennen.
Eine Aufforderung an die Fans
Für manche Hörer*innen mag der Schritt unbequem sein – schließlich ist Streaming längst Gewohnheit geworden. Doch Godspeed You! Black Emperor haben noch nie den einfachen Weg gewählt. Ihr Werk fordert Aufmerksamkeit, Geduld und Hingabe. Vielleicht ist genau das die Botschaft: Musik ist mehr als Hintergrundrauschen. Wer Godspeed hören will, soll sich Zeit nehmen, soll bewusst auswählen, soll die Musik besitzen – nicht nur beiläufig anklicken.
Immer gegen den Strom
Dass sie sich aus dem Mainstream verabschieden, wird ihren Kultstatus wohl nur noch festigen. Godspeed You! Black Emperor bleiben ein Fixpunkt für alle, die Musik nicht nur konsumieren, sondern erleben wollen. Eine Band, die immer gegen den Strom schwimmt – und genau deshalb seit drei Jahrzehnten so unendlich wichtig ist.