Laut, kompromisslos seit drei Jahrzehnten

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Godspeed You! Black Emperor haben ihre Musik von allen großen Streaming-Plattformen entfernt. Statt Mainstream setzen die Post-Rock-Pioniere aus Montreal auf Haltung, politische Konsequenz – und die Nähe zu ihren treuesten Fans.

God­speed You! Black Emperor – allein der Name klingt schon wie ein Mani­fest. Seit den frü­hen 90ern prä­gen die Kana­dier den Post-Rock mit epi­schen Kom­po­si­tio­nen, düs­te­ren Klang­land­schaf­ten und radi­ka­ler Hal­tung. Jetzt hat das Kol­lek­tiv einen Schritt gewagt, der in der heu­ti­gen Musik­welt fast schon undenk­bar erscheint: Die kana­di­sche Post-Rock-Legende hat nahezu ihre gesamte Dis­ko­gra­fie von allen gro­ßen Strea­ming-Platt­for­men ent­fer­nen las­sen. Spo­tify, Tidal, Ama­zon Music – über­all sind ihre Werke ver­schwun­den. Selbst die bei­den Kult-Alben F# A# ∞“ (1998) und Lift Your Skinny Fists Like Anten­nas to Hea­ven“ (2000), die noch kurz­zei­tig auf Apple Music ver­füg­bar waren, sol­len bald ver­schwin­den. Wer God­speed hören will, muss den Umweg über Band­camp neh­men – oder phy­si­sche Ton­trä­ger kaufen.

Von Kellerkonzerten zum Kultstatus

Gegrün­det 1994 in Mont­real, war God­speed nie eine gewöhn­li­che Band. Ihre Kon­zerte sind keine Shows im klas­si­schen Sinne, son­dern eher ritu­elle Klang­er­eig­nisse: im Halb­dun­kel, mit Super-8-Pro­jek­tio­nen, poli­ti­schen Text­ta­feln und einer Laut­stärke, die eher an ein Beben als an Musik erin­nert. Alben wie F# A# ∞“ (1998) oder Lift Your Skinny Fists Like Anten­nas to Hea­ven“ (2000) gel­ten längst als Klas­si­ker des Post-Rock – Mei­len­steine, die zahl­lose andere Bands beein­flusst haben, von Mog­wai bis Explo­si­ons in the Sky. Doch God­speed waren immer mehr als Musik: Sie sind ein Kol­lek­tiv, das mit jeder Platte, jedem Auf­tritt und jedem Art­work auch eine Welt­an­schau­ung ver­mit­telt. Gesell­schafts­kri­tik, Anti­ka­pi­ta­lis­mus und Wider­stand gegen Krieg und Unter­drü­ckung sind untrenn­bar mit ihrer Kunst verbunden.

Kein Platz für Tech-Milliardäre

Dass aus­ge­rech­net diese Band nun ihre Musik von Spo­tify, Tidal, Ama­zon und Apple Music zurück­zieht, über­rascht also wenig. Offi­zi­ell hat die Band bis­lang kein State­ment abge­ge­ben. Aber auch das Label Kranky, bei dem frühe Werke der Band erschie­nen sind, betonte: Kranky hat Künstler*innen schon immer die Kon­trolle dar­über über­las­sen, wie ihre Musik prä­sen­tiert und ver­brei­tet wird.“ God­speed neh­men diese Frei­heit nun radi­kal ernst. Immer mehr Indie-Acts wie King Giz­zard & The Lizard Wizard, Deer­hoof oder Xiu Xiu boy­kot­tie­ren Spo­tify, weil CEO Daniel Ek über seine Invest­ment­firma Mil­lio­nen in Rüs­tungs­tech­no­lo­gie gesteckt hat. Und natür­lich gehen God­speed jetzt noch einen Schritt wei­ter – sie ver­schwin­den kom­plett aus der Welt des Main­stream-Strea­mings. Für Fans bedeu­tet das: Wer wei­ter­hin die monu­men­ta­len Stü­cke hören möchte, muss den Weg über Band­camp gehen – oder auf Vinyl und CD zurück­grei­fen, ganz in der Tra­di­tion der Band, die phy­si­sche Releases schon immer als Gesamt­kunst­werk verstand.

Politische Konsequenz statt Reichweite

God­speeds jüngs­tes Album trägt den Titel No Title As of 13 Febru­ary 2024, 28,340 Dead“. Der Name ver­weist direkt auf die damals doku­men­tierte Zahl der Opfer im Gaza­strei­fen. Würde die Platte heute erschei­nen, stünde dort: 62,004 Dead“. Schon an den Titeln erkennt man: Diese Band spricht nicht in Mar­ke­ting-Slo­gans, son­dern in radi­ka­ler Klar­heit. So pran­gert die Band mit die­sem Album die anhal­ten­den Angriffe Isra­els auf den Gaza­strei­fen an, die laut UN und huma­ni­tä­ren Orga­ni­sa­tio­nen als mög­li­che geno­zi­dale Hand­lun­gen unter­sucht wer­den. Auch wenn Israel dies ent­schie­den zurück­weist, ist der Fall mitt­ler­weile vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof anhän­gig. Der Rück­zug aus dem Strea­ming wirkt damit wie ein logi­scher Schritt der Kana­dier – ein wei­te­res Zei­chen dafür, dass sie Kunst nie vom poli­ti­schen Kon­text trennen.

Eine Aufforderung an die Fans

Für man­che Hörer*innen mag der Schritt unbe­quem sein – schließ­lich ist Strea­ming längst Gewohn­heit gewor­den. Doch God­speed You! Black Emperor haben noch nie den ein­fa­chen Weg gewählt. Ihr Werk for­dert Auf­merk­sam­keit, Geduld und Hin­gabe. Viel­leicht ist genau das die Bot­schaft: Musik ist mehr als Hin­ter­grund­rau­schen. Wer God­speed hören will, soll sich Zeit neh­men, soll bewusst aus­wäh­len, soll die Musik besit­zen – nicht nur bei­läu­fig anklicken.

Immer gegen den Strom

Dass sie sich aus dem Main­stream ver­ab­schie­den, wird ihren Kult­sta­tus wohl nur noch fes­ti­gen. God­speed You! Black Emperor blei­ben ein Fix­punkt für alle, die Musik nicht nur kon­su­mie­ren, son­dern erle­ben wol­len. Eine Band, die immer gegen den Strom schwimmt – und genau des­halb seit drei Jahr­zehn­ten so unend­lich wich­tig ist.