Der Terror der Hamas legt auch Dunkelstellen in der Kulturlandschaft frei
Im Dezember 2018 veröffentlichte Nick Cave eine E-Mail, die die Boykott-, Divestment- und Sanktionsbewegung BDS gegen Israel in aller Deutlichkeit als „feige und beschämend“ bezeichnetet. Cave hatte zuvor im November 2017 zwei Konzerte in Tel Aviv gespielt. In seinem damaligen Offenen Brief schrieb er sinngemäß, dass gerade die BDS-Bewegung ein Teil seines Antriebs sei, warum er sich entschieden habe, in Israel zu spielen, denn er sehe die Konzerte „nicht als Unterstützung für eine bestimmte politische Bewegung oder Partei, sondern als prinzipiellen Standpunkt gegen diejenigen, die Musiker einschüchtern, beschämen und zum Schweigen bringen wollen.“ In den vergangenen Jahren hat der BDS auch breite Teile der Clubkultur erfasst – von #DJsForPalestine bis hin zu den „Berlin Nightlife Workers Against Apartheid“. Bisher hatte ich zu alledem keine gefestigte Meinung. Ist die politische Kaste Israels doch schon seit Jahrzehnten insbesondere mit ihrer Siedlungspolitik und dem nun aktuellen noch stärkeren Rechtsruck zu kritisieren. Dem BDS daher nur Antisemitismus vorzuwerfen, wie vielerorts geschehen, erschien mir zu kurz gegriffen.
Der barbarische Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung und vor allem das verheerende Massaker auf das Trance-Techno-Festival „Universo Paralello Supernova Sukkot Gathering“ haben nun allerdings in der Kulturlandschaft einige Dunkelstellen offengelegt. Denn eines ist klar: Der Angriff der Hamas ist kein Angriff auf Israel, sondern eine gezielte Attacke auf eine friedliche und, wie auf dem Festival, fröhlich feiernde Zivilgesellschaft mit dem einzigen Ziel, größtmöglichen Terror und Schrecken zu verbreiten und mit dem Festival ein Symbol vermeintlich westlicher Dekadenz anzugreifen. Und in der progressiven Party- und Clubwelt, die sich sonst so gerne und lautstark zum Nahostkonflikt äußert, herrscht eisiges Schweigen zu dieser menschenverachtenden Aktion. Auch ein aktueller Blick auf die offizielle BDS-Website zeigt, dass der Angriff der Hamas hier kein Thema ist. Ganz krude geht es in den unteren Etagen der Popszene zu: So bezeichnete Techno-DJ Mama Snake aus Dänemark, die auch schon mal im Berliner Berghain auflegt und sich als BDS-Unterstützerin versteht, die Hamas-Aktionen auf Instagram als „Kampf für Leben, Würde und Freiheit“.
Nach entsprechenden Kritiken schiebt sie immerhin noch eine Story hinterher, die „Gewalt gegen Zivilisten“ verurteilt. DJs wie Juliana Huxtable und Dina fällt nichts anderes ein, als den „palästinensischen Widerstand“ mit Social-Media-Beiträgen zu unterstützen. Und auch die 34-jährige Berliner Rapperin Nura stellt mitten ins Geschehen einen „Free Palestine“-Post auf Instagram. Diverse Kommentare unter Posts zum Festival „Supernova“ sind dagegen einfach nur menschenverachtend: Die ermordeten Psytrance-Fans hätten es irgendwie auch verdient, schließlich feiern sie in Israel. Aber nicht in nur in der Musikkultur tun sich Abgründe auf: Zwei Mitglieder des documenta-Kurator*innenkollektivs (Reza Afisina und Iswanto Hariono) liken einen Instagram-Post, der in Berlin anläßlich des Hamas-Angriffs feiernde Palästineser zeigt. Auch die Antisemitimus-Debatte zur documenta erscheint nun in einem neuen Licht. Zu alledem soll auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse die palästinensische Autorin Adania Shibli für ihren Roman „Eine Nebensache“, der unverhohlen antisemitische Klischees bedient und der von Maxim Biller als „unliterarisches Stück Propaganda“ kritisiert wird, wohl den „LiBeraturpreis 2023“ erhalten. Am Freitag, 20. Oktober, soll der Preis vom gemeinnützigen Verein Litprom auf der Frankfurter Buchmesse feierlich verliehen werden. Nach den bestialischen Massenmorden der Hamas-Terroristen wäre eine solche Preisvergabe nur schwerlich zu ertragen.