Wet Leg
31. Oktober 2025 • Radschlägersaal, Düsseldorf
Das New Fall Festival ist seit Jahren ein Sonderfall in der deutschen Festivallandschaft. Die Konzerte finden zumeist in ehrwürdigen Sälen, Kirchen und Theatern statt. Es ist dieses Spiel mit Gegensätzen – Indie trifft Intellekt, Pop trifft Parkett –, das die Düsseldorfer Konzertreihe zu einem festen Termin im herbstlichen Kulturkalender macht. Und natürlich die bunte, moderne Mischung der Acts. Dieses Mal dabei: Wet Leg. Ohne großes Zögern hat Gabi zwei Tickets gesichert – sie steht nun mal auf starke Frauen und catchy Melodien. Gut so, denn an diesem Abend ist der Radschlägersaal restlos ausverkauft.
Uninspirierter Support
Wider Erwarten betritt zunächst ein Trio die Bühne: White Flower. Ein Auftritt, der seltsam uninspiriert und zurückhaltend rüberkommt. Das Duo aus Preston (USA), bestehend aus Joey Cobb und Katie Drew, wird an diesem Abend von einem Schlagzeuger verstärkt, kann mit seinem Mix aus Dream Pop, Industrial Electronica und Synth-Rock jedoch kaum überzeugen – trotz der variantenreichen Stimme von Sängerin Katie. Nach ihrem halbstündigen Set folgt eine ebenso lange Umbaupause. Dann wabert massenhaft Nebel über Bühne und Publikum. Schemenhaft zeichnen sich die Musiker*innen ab, als sie die Bühne betreten.
Indie-Pop mit Biss
Rhian Teasdale und Hester Chambers, die beiden Masterminds hinter Wet Leg, stammen von der Isle of Wight – einer Insel, die man bisher eher mit Folkfestivals und Schafwiesen assoziierte als mit Indie-Pop von internationalem Kaliber. Live werden sie von drei weiteren Musikern verstärkt. Mit „Moisturizer“, ihrem zweiten Album, haben sie sich endgültig als feste Größe etabliert. Das Quintett klingt live wilder, druckvoller, irgendwie dreckiger als auf Platte. Sie starten mit „Catch These Fists“ und „Wet Dream“ – letzterer einer der frühen Hits ihres Debüts, inklusive der herrlich schrägen Zeile: „You said, ‘Baby, do you want to come home with me? I’ve got Buffalo ’66 on DVD.’“ Spätestens da hat die Band das Publikum komplett im Griff. Es wird mitgesungen, getanzt, gejubelt – eine beeindruckende Eröffnung.
Zwischen Charisma und Coolness
Munter und voller Groove geht es weiter durch das Songbook ihrer beiden Alben. Immer im Mittelpunkt: Rhian Teasdale, eine geborene Frontfrau voller Charisma, die ihren Auftritt sichtbar genießt. In Bikini-Top und Schlabberhose strahlt sie sorglose Coolness und laszive Leichtigkeit aus. Ein Hingucker: ihre lindgrüne Plexiglas-Gitarre. Bandkollegin Hester Chambers bleibt dagegen lieber im Hintergrund. In Interviews hat sie offen über ihre Angststörung gesprochen – sie trifft ungern Journalist*innen und ist auf beiden Albumcovern nur von hinten zu sehen. Doch auf der Bühne spielt sie mit Präzision und feinem Gespür – das stille Gegenstück zu Teasdales Übermut. Über die gesamte Strecke hinweg liefert die Band ein energiegeladenes Set, bei dem man ihnen ansieht, wie sehr sie das gemeinsame Spielen genießen. Es wird gelächelt, improvisiert, gefeiert. Kleine Harmonien und neu entdeckte Texturen zwischen den Instrumenten lassen die Songs frisch wirken – ansteckend lebendig. Das spürt auch das Publikum: Es tanzt, schreit, klatscht, singt lauthals mit. Die Energie wirkt authentisch, nie kalkuliert. Selbst ältere Festivalgänger – mich eingeschlossen – machen begeistert mit.
Ekstase mit Augenzwinkern
Zum Finale liefern Wet Leg mit den beiden Hits „Chaise Longue“ und „CPR“ noch einmal alles: Feedback, Falsett, Funk. Das ist catchy Post-Punk für die Gegenwart – verspielt, intelligent, unprätentiös. Wie Teasdale zuvor angekündigt hat, gibt es keine Zugabe. Die letzten Klänge gehören „Mangetout“ – und der Radschlägersaal bleibt voller Energie zurück. Dieses Set hatte die richtige Mischung aus Pop-Appeal und Lärm, so dass wir beiden auf unsere Kosten kamen: Gabi und ich. Auch wenn Gabi monierte, ohne Vorband wär’s perfekt gewesen. Mit einem Grinsen im Gesicht und einem leisen Summen der Zufriedenheit verlassen wir den Saal. Wet Leg sind die perfekte Band für ein Festival wie das New Fall: eigenwillig, charmant, aufmüpfig – und genau deshalb so befreiend echt.







