The Jesus Lizard
28. Mai 2025 • Gebäude 9, Köln
Ein Pflichttermin für alle, die Noise-Rock atmen: The Jesus Lizard spielen im Gebäude 9 in Köln. Mit im Gepäck: ihr erstes neues Album seit 26 Jahren – „Rack“ . Blöd nur, dass ich wieder mal zu langsam war, das Konzert ist restlos ausverkauft. Doch Rettung naht – Dietmar und Stefan haben ein Ticket übrig. Also rein ins Auto und ab nach Köln. Mal sehen, ob die Legenden aus Austin noch immer Feuer spucken.
Pünktlichkeitsparadox
Während man sich sonst freut, dass Konzerte heutzutage meist pünktlich starten, wird es uns zum Verhängnis. Parkplatzsuche in Köln – der Endgegner. Als wir schließlich das Gebäude 9 betreten, steht die Vorband schon auf der Bühne: „Klauen“, ein Electro-Noise-Duo aus Köln. Wolfgang Hagedorn bedient Gitarre, Tasten und Laptop; Raouf Khanfir wirbelt wie ein Derwisch über die Bühne, verschmilzt mit seinem Effekt-Rack, faucht ins Mikro. Zwischen Industrial-Beat und Noiserock-Wahnsinn knarzt, stampft und pulsiert ihre Musik irgendwo zwischen Suicide, Dancepunk und dem dunklen Rave der 90er. Khanfir röchelt Texte über Alltag und Abgrund, seine Vocals zerlegt ein Voicedecoder zu einem weiteren Instrument. Zum Schluss fragt er fast schüchtern: „Können wir noch eins spielen?“ – und feuert mit „Die Tasse“ noch einen stoisch groovenden Dance-Brecher ab. Respekt.
Ein unzähmbares Lärm-Monster
Im Anschluss: The Jesus Lizard. Der Saal ist mittlerweile brechend voll, die Spannung greifbar. Als das Quartett loslegt, ist sofort klar: Zahmer sind sie nicht geworden – ganz im Gegenteil. Das klingt nicht nach Nostalgie, sondern nach Frontalangriff. Die vier Originalmitglieder – David Yow, Duane Denison, David Wm. Sims und Mac McNeilly – agieren wie ein vierköpfiges Tier, ein unzähmbares Lärm-Monster: roh, anarchisch, unberechenbar. Yow taumelt, schreit, sabbert, kreischt – wirkt wahlweise betrunken oder einfach komplett enthemmt, dabei aber stets präsent. Sims haut stoisch seine Bassläufe in den Viersaiter, Denison zimmert dissonante, aber verdammt clevere Riffs, und McNeilly – in Shorts und mit professionellem Ohrschutz – knüppelt sein Drumkit in Grund und Boden. Die Bühne: durchgehend hell ausgeleuchtet, der Sound: laut, direkt, voll in die Fresse.
Alles wie früher?
„Puss“ rockt ungeheuer, „Boilermaker“ trampelt alles nieder, „Hide & Seek“ kommt als kathartischer Lärm. Nur bei „What If?“ kehrt kurz so etwas wie Ruhe rein – Yow setzt sich, greift zum Bier, haucht fast ins Mikro. Dann die Frage: „What’s the best song we ever wrote?“ – aus dem Publikum schallt es zurück: „Monkey Trick!“ Und dann eskaliert alles wieder. Nach gut einer Stunde verlassen die Bandmitglieder nacheinander die Bühne – bis nur noch McNeilly übrig ist, der sein Drumset minutenlang weitertraktiert, als würde er damit ein Statement setzen. Natürlich kommen sie zurück – zweimal. Beim ersten Encore surft Yow auf Händen durchs Publikum Richtung Mischpult. Jesus Lizard 2025? Kein Schatten ihrer selbst. Kein peinliches Revival. Sondern: lebendig, wütend, wild. Und das Gebäude 9? Steht noch – knapp. Zum Abschied gibt’s ein lautes, wütendes „Fuck You“ in Richtung Donald Trump. Alles wie früher – nur besser.
Alles Routine?
Auch wenn wir uns beim Thema „Klauen“ nicht ganz einig sind, ist eines klar: The Jesus Lizard klingen auch 2025 noch so frisch, kantig und mitreißend, als wäre „Goat“ gerade erst erschienen. Stefan hat sie Mitte Mai bereits in Belgien gesehen, scheinbar mit einem sehr ähnlichen Programm. Er war erstaunt, wie stark sich Setlist und Performance der beiden Shows doch ähneln. Vielleicht schleicht sich bei aller Raserei doch so etwas wie Routine ein. Aber wenn das Routine ist, können sie gerne so weitermachen.






