Wie eine anarchistische Jam-Session

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 2 Minu­ten

Jon Spencer
12. Juni 2025 • Bumann & Sohn, Köln

Jon Spen­cer – gebo­ren am 5. Februar 1965 in Hano­ver, New Hamp­shire – ist seit Mitte der 1980er Jahre eine trei­bende Kraft der ame­ri­ka­ni­schen Under­ground-Musik­szene. Er war Teil zahl­rei­cher Bands: Pussy Galore, Boss Hog, The Honey­moon Kil­lers, Heavy Trash – und natür­lich der Jon Spen­cer Blues Explo­sion, deren Auf­lö­sung er 2022 bekannt­gab. Jetzt mel­det sich das Urge­stein des New Yor­ker Gara­ges­ounds im Club Bumann & Sohn in Köln zurück. Sein aktu­el­les Album Sick of Being Sick“ erschien im Herbst letz­ten Jah­res schlicht unter sei­nem eige­nen Namen, unter­stützt von der infer­na­lisch gut ein­ge­spiel­ten Rhyth­mus­sek­tion der New Yor­ker Band The Bobby Lees. Musi­ka­lisch und sound­tech­nisch hat sich wenig ver­än­dert: Es ist kraft­vol­ler, ener­ge­ti­scher Garage-Rock – ganz im typi­schen Spen­cer-Stil. Natür­lich habe ich Jon Spen­cer schon live gese­hen – aber ebenso natür­lich bin ich wie­der dabei. Tom beglei­tet mich nach Köln. Vor Ort tref­fen wir noch Mirko.

Eng, heiß und voll

Der Club ist aus­ver­kauft. Drin­nen ist es heiß und eng. Bewe­gung? Lie­ber erst mal nicht – so scheint es das Publi­kum auch zu sehen. Doch schon mit den ers­ten Akkor­den bebt die Bühne, rohe Ener­gie macht sich breit. Was folgt, ist wuch­ti­ger, kom­pro­miss­lo­ser Garage-Blues, wie man ihn von Jon Spen­cer kennt: erwar­tet, ja – aber den­noch mit­rei­ßend, inten­siv und voll anste­cken­der Wucht. Also doch: ein biss­chen pogen, ein biss­chen tanzen.

Ein massives Medley

Über knapp eine Stunde hin­weg zün­det das Trio ein Feu­er­werk nach dem ande­ren – mit über­steu­er­ter Fuzz­gi­tarre, Spen­cers bra­chia­lem Gesang und einer unge­mein coo­len Büh­nen­prä­senz. Zwi­schen­mo­de­ra­tio­nen gibt es kaum – oder sie flie­ßen naht­los in die Songs über. Alles wirkt wie ein ein­zi­ges, explo­si­ves Spen­cer-Med­ley. Alte und neue Stü­cke ver­schmel­zen zu einem Guss.

Mächtig Druck von der Bühne

Drum­mer Macky Bow­man, der zwi­schen­durch vir­tuos mit sei­nen Sticks jon­gliert, und Bas­sis­tin Kend­all Wind bil­den dabei das pul­sie­rende Rück­grat der Show. Sie trei­ben die Stü­cke uner­müd­lich voran, ver­lei­hen selbst älte­ren Songs eine aggres­sive, moderne Note – oft klin­gen sie sogar wuch­ti­ger als in frü­he­ren Ver­sio­nen. Auch die Sound­crew des klei­nen Clubs leis­tet ganze Arbeit: Der Bass dröhnt warm, der Drums­ound ist tight und druck­voll, Spen­cers Gitarre trotz aller Ver­zer­run­gen klar und prä­sent. Eine Live-Atmo­sphäre, roher und dich­ter, als sie auf Platte je sein könnte.

Finale mit Ansage – und erneut Eskalation

Zunächst sieht es so aus, als gäbe es keine Zugabe – die Band wirkt aus­ge­powert. Doch dann keh­ren sie für eine über­ra­gende halbe Stunde zurück. Spen­cer ruft rhyth­misch ins Mikro:„We need art, we need beauty, we need sci­ence – fuck the Nazis, we must kill them, fuck them!” Bas­sis­tin Wind kon­tert mit einem kla­ren: Power to the peo­ple!“ Sicher­lich eine Reak­tion auf die aktu­el­len Vor­gänge in ihrem Hei­mat­land. Es folgt eine letzte, noi­sige Eska­la­tion – wild, laut, kathar­tisch. Dann geht das Licht an. Puh. Jetzt schwit­zen doch alle.

Fazit im Biergarten

Nichts wie raus – ab in den Bier­gar­ten. Beim küh­len Bier sind wir uns alle einig: Der Abend war viel­leicht keine große Über­ra­schung, aber Jon Spen­cer bleibt ein ange­nehm unprä­ten­tiö­ser, authen­ti­scher Per­for­mer. Selbst mit über 60 wirkt er auf der Bühne kein biss­chen pein­lich. Im Gegen­teil: Er kann’s immer noch – und wie. Rock’n’Roll lebt: hals­bre­che­risch, unge­schlif­fen, mit viel Punk-Drive und einem gro­ßen Blues-Herz.