Hinter dem Akronym J.R.C.G. verbirgt sich der aus Tacoma/Washington stammende experimentelle Musikkünstler Justin R. Cruz Gallego. Gallego wurde in Tucson, Arizona, geboren und zog als Kind in den pazifischen Nordwesten. Hier fand er als Jugendlicher Anschluss an die Punkszene in Seattle, die sich um Iron Lung Records gebildet hatte. Seitdem ist er ein fester Bestandteil der Underground Community geblieben. Selbst veröffentlichte er erstmals Musik mit der Indie-Rock-Gruppe Marrow und etwas später mit dem experimentellen Punk- und Noise-Rock-Ensemble Dreamdecay, das trotz seines aggressiven, dissonanten Sounds und seiner komplexen Melodien ein breiteres Publikum erreichte. Als Solokünstler J.R.C.G. veröffentlicht der Keyboarder, Komponist und bildende Künstler nun seine musikalischen Ideen und Sounds – oft ein wilder Mix aus Krautrock, Jazz, Art Rock, Elektronik und Avantgarde. Sein Debüt „Ajo Sunshine“ wurde im November 2021 auf Castle Face Records veröffentlicht, dem Label von Osees-Frontman John Dwyer, auf dem neben den Osees (The Oh Sees) unter anderem auch King Gizzard & the Lizard Wizard, Ty Segall und White Fence erscheinen. Sein zweites Album „Grim Iconic… (Sadistic Mantra)“ erschien am 2. August 2023 auf dem legendären Label Sub Pop Records.
„Grim Iconic…(Sadistic Mantra)“, das zweite Album dieses schrägen Künstlers und Musikers, wirkt verspielt und konzentriert gleichzeitig, bebt vor Chaos und strahlt mit Glitzer und Schönheit. Es ist gespickt mit düster-melodischen Tracks, in denen sich motorischer Krautrock mit schrillen Post-Punkgitarren vereint, kosmische Synthesizerflächen zu hypnotischen Drum-Rhythmen erzittern und sphärische, getragene Electronic verschmilzt mit atonalem Indie-Noise. „Ich sehe diese Platte in erster Linie als ein musikalisches Statement“, kommentiert Gallego. „Ich bin in Punk- und DIY-Subkulturen aufgewachsen, aber in meiner Kindheit und jeder Phase der Adoleszenz war immer Latinmusic im Hintergrund.” Daher wollte er eine Platte machen, die gewohnt experimentell daherkommt, dabei aber Elemente der Latino-Musik integriert. Und tatsächlich ballern die Drums nicht nur im Post-Punk-Funk der Talking Heads oder geben einen perkussiven Groove à la LCD Soundsystem vor, sondern scheuen sich auch nicht vor experimentellen Latin-Rhythmen.
Ein musikalisches Abenteuer
Das klingt zuweilen aufregend chaotisch und gibt dem Album seine einzigartige Qualität. Der kurze Opener „Grim Iconic“ mit seinen leicht weinerlichen Autotune-Vocals und schwer verzerrten Synthie-Sounds ist ein guter Einstieg und schafft Vorfreude auf das, was da noch kommen mag. Und man wird nicht enttäuscht: Es folgt der perkussive Groove von „34”, gepaart mit einem leiernden an Beak> erinnernden Synthie , während das folgende tanzbare „Dogear“ von einem launischen Post-Punker konsequent in Richtung Psycho-Funk unter schroffem Saxophon-Quietschen marschiert. „Drummy“ beginnt wabernd und fokussiert sich zunehmend auf einen komplexen Rhythmus. In „Liv“ breiten sich psychedelische Melodien und Computerspiel-Sounds aus, die gegen Ende von hektischen Latin-Rhythmen und wüsten Synthesizer-Linien überlagert werden. Von welchen gegensätzlichen Kräften das Album getrieben wird, zeigt noch einmal „Cholla Beat“ – ein irrer Industrial-Post-Punk-Smasher mit wüsten Synthesizern und noisigen Gitarren, der ganz gemächlich und versöhnlich ausfadet. Zum Schluss wird es mit „World I“ noch einmal richtig wild, wenn zu Polyrythmen das Saxophon freejazzig aufheult. Insgesamt ist „Grim Iconic…(Sadistic Mantra)“ ein verschwitztes, aufregendes Sound-Abenteuer, in das man sich immer wieder gerne stürzt. Wie ein gutes Mantra eben.
Namedropping
Zum Schluss noch ein paar Angaben für die Chronist*innen: Eingespielt wurde das Album neben Justin R. Cruz Gallego von Morgan Henderson (The Blood Brothers, Fleet Foxes), Jason Clackley (Dreamdecay, The Exquisites), Jon Scheid (Dreamdecay, U Sco), Erica Miller (Casual Hex, Big Bite), Veronica Dye (Terminator), Phil Cleary (U Sco) und Alex Gaziano (Dreamdecay, Kidcrash, Science Amplification). Koproduziert wurde es mit Seth Manchester, einem Produzenten, der auch schon mit Battles, Lingua Ignota, Model/Actriz und Hotelier zusammengearbeitet hat.