Das zweisekündige Beat-Fragment eines Kraftwerk-Songs beschäftigt die Gerichte nun schon seit über zwei Jahrzehnten.
Dieser Rechtsstreit dauert schon rund zwei Jahrzehnte und geht nun in eine neue Runde: Im Raum steht die Frage um die Grenzen von Kunstfreiheit und Urheberrecht – konkret dreht sich alles um eine zwei Sekunden lange Tonfolge aus dem Stück „Metall auf Metall“ der Düsseldorfer Band Kraftwerk aus dem Jahr 1977. Musikproduzent Moses Pelham nutzte das metallische „Bäng-dänge-däng-däng“ des Songs in verlangsamter Endlosschleife für den Song „Nur mir“ der Rapperin Sabrina Setlur – ganz normales Sampling im Music-Biz sollte man meinen. Allerdings versäumte (?) Pelham, Kraftwerk um Erlaubnis zu fragen. Kraftwerk-Mitgründer Ralf Hütter gefiel das gar nicht und er klagte gegen Pelham. Das Verfahren ging durch die Instanzen: Allein der BGH hat fünf Entscheidungen verkündet und neben dem EuGH war auch bereits das Bundesverfassungsgericht mit der Causa befasst. Schließlich geht es hier um etwas Grundsätzliches, wie Pelhams Vertreter Matthias Siegmann bei einer der vielen Verhandlungen bemerkte. Zeit spiele daher keine Rolle. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Hamburg den Klägern Recht gegeben und ihnen Anspruch auf Schadensersatz zugestanden. Für die Zeit nach 7. Juni 2021, als das verabschiedete EU-Recht in Deutschland rechtsgültig wurde, wies das Gericht die Klage jedoch ab. Denn: Seither gilt auch in Deutschland mit § 51a UrhG eine neue Ausnahme-Regelung – und die besagt: „Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches“. Handelt es sich bei diesem Sampling möglicherweise um ein „Pastiche“? Diese Frage legt der Bundesgerichtshof – nach seiner fünften Befassung mit dem Fall – dem Europäischen Gerichtshof vor. Erst wenn die Antwort vorliegt, verhandelt der BGH weiter. Der langjährige Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham ist also noch lange nicht zu Ende. Der Ausgang dürfte allerdings auch für andere als musikalische Werke von großer Bedeutung sein und wird mit Spannung erwartet. Wikipedia erklärt den Begriff übrigens so: „Der Pastiche ist ein intertextuelles Werk, insofern es ein Original imitiert. Die Art der Imitation kann dabei entweder von Hochachtung oder von Satire geprägt sein. Im Fall von Hochachtung liegt eine Hommage vor, bei Satire spricht man von einer Parodie. Von der Fälschung unterscheidet es sich dadurch, dass es seine Epigonalität offen deklariert.“
Kleine Zusatzbemerkung: Wie man sich denken kann, mag Ralf Hütter es gar nicht, wenn Teile seiner Kompositionen als Sample verwendet werden. Jüngstes Beispiel: Die Deutsch-Rapperin Shirin David hatte für ihr Liedchen „Hoes up G’s down“ ein Sample des Kraftwerk-Mitbegründers verwendet. In einer Instagram-Story vom 7. Januar 2023 teilte die Musikerin mit, dass sie den entsprechenden Beat des Tracks entfernen musste, „weil Ralf Hütter (Kraftwerk) nicht möchte, dass Shirin David auf seinen Beat Jetski im Pool fährt.“ Und wenn man sich Song und Video der Rapperin anschaut, kann man Hütter auch fast schon wieder verstehen. Hütter selbst hat sich zu alledem nicht öffentlich geäußert. Original-Video und ‑Song wurden auf allen Plattformen und Streamingdiensten durch eine neue Version ohne das beanstandete Sample ersetzt. Besser wurden sie dadurch nicht…