Es begann 2022 als lockeres Studiosession-Projekt, inzwischen ist daraus ein psychedelisches Ritual geworden: Krautfuzz, ein international besetztes Trio, bestehend aus der japanischen Schlagzeugerin Imari Kokubo, dem deutschen Gitarristen und Vokal-Astronauten Dirk Dresselhaus (Schneider TM, faust, Angel) und dem kanadischen Bassisten Derek Shirley. Gemeinsam erschaffen sie eine Mixtur aus Kraut, Stoner, Noise, Fuzz, Psychedelia und experimenteller Improvisation – kompromisslos, rauschhaft, ungebändigt. Songstrukturen oder Konventionen? Fehlanzeige. Stattdessen türmt sich hier ein Klangsturm auf, der wächst, kippt, explodiert, implodiert – und immer wieder neu beginnt. Pure Leidenschaft für Chaos und Improvisation – der Bandname ist Programm.

Krautfuzz (feat. J Mascis)
Live At The Church
Veröffentlicht: 16. Mai 2025
Label: Sulatron
Ihr neues Live-Album Live At The Church (feat. J Mascis) wurde am 15. Juni 2024 in der Evangelischen Kirchengemeinde Genezareth in Berlin aufgenommen – ein sakraler Raum, der für einen Abend zur Hallkammer halluzinogener Soundexzesse wurde. Zwei Tracks, fast 70 Minuten Musik. Keine Kompromisse. Kein Netz. Keine Gnade.
Ambient wird zur Soundkathedrale
Track A beginnt wie ein vorsichtiger Trip in unbekannte Sphären. Kokubo tastet sich mit stoischem Groove vor, Shirley lässt seinen Bass wie Lavablasen unter der Oberfläche brodeln, während Dresselhaus Gitarren auftürmt wie Kathedralen aus Rückkopplung. Seine Stimme – mehr Geisterruf als Gesang – klingt wie ein liturgischer Schrei aus dem Off. Was sich aufbaut, ist eine Wand aus Klang, die alles andere ausblendet. Kein Refrain, kein Vers – nur Energie, Trance, Wiederholung.
Posterboy des Alternative Rock
Dann Track B – auf der CD knapp 40 Minuten lang – und plötzlich ist er da: der Posterboy des Alternative Rock J Mascis. Der Dinosaur Jr.-Gitarrist steigt ein, als wäre er schon immer Teil dieses Kollektivs. Seine Gitarre wirbelt durch die Klangmassen, bringt eine neue Dimension von Zerrung, Schönheit und Wahnsinn mit. Gemeinsam mit Dresselhaus entsteht ein doppelter Fuzz-Orkan, der nicht in einem Klimax explodiert, sondern in sich selbst kollabiert – ein hypnotischer Zusammenbruch aus Feedback und drone-artiger Stille. Applaus und Fassungslosigkeit.
Sakrale Noise-Erfahrung
Live At The Church ist kein Album für nebenbei. Es ist ein Fiebertraum – mal schwerelos, mal beängstigend, immer intensiv. Es fordert Geduld und starke Nerven, belohnt aber mit einer kathartischen Reise ins Zentrum des experimentellen, psychedelischen Rocks. Hier wird nicht musiziert – hier wird beschworen und weggedriftet. Wenn es so etwas wie eine sakrale Noise-Erfahrung gibt, dann klingt sie genau so. Die CD-Version (limitiert auf 300 Exemplare) enthält das vollständige Konzert, die LP (500 Stück) eine gekürzte Fassung.
Heilig und erhaben
Krautfuzz zeigen, dass Improvisation kein Selbstzweck ist, sondern ein Weg zur Transzendenz. Waren Drogen im Spiel? Vielleicht. Oder waren es nur der Weihrauch und die spirituelle Umgebung, die diese musikalische Offenbarung ermöglichten? Die einzigartige Kirchenakustik jedenfalls verleiht dem Mitschnitt eine fast jenseitige Tiefe. Wer sich auf dieses Album einlässt, wird konvertieren – zum Fuzzismus. Noise als Sakrament. Verzerrung als Offenbarung.