London Brew

Ich bin sicher kein aus­ge­wie­se­ner Jazz-Fan. Aber es gibt drei Alben von Miles Davis, die ich wirk­lich liebe: On the Cor­ner, A Tri­bute to Jack John­son und Bit­ches Brew. Zum 50. Jah­res­tag des Letzt­ge­nann­ten taten sich im Som­mer 2020 ein Dut­zend jun­ger, hip­per Jazz-Musiker:innen zusam­men: Shabaka Hut­chings und Nubya Gar­cia (Saxo­fon), Theon Cross (Tuba), Tom Skin­ner (Drums), Tom Her­bert (Bass), Dave Okumu (Gitarre), Benji B (Decks, Sonic Recy­cling), Raven Bush (Geige), Niko­laj Torp Lar­sen (Key­boards), Nick Ramm (Key­boards), Dan See (Drums) und Mar­tin Terefe (Gitarre). Als Lon­don Brew plan­ten sie ursprüng­lich gemein­same Live-Auf­tritte beim Lon­don Jazz Fes­ti­val sowie in Paris und Ams­ter­dam. Wie so vie­les andere wurde auch die­ser Plan durch die Pan­de­mie ver­ei­telt. So wurde es Dezem­ber, als man sich dann zu einer drei­tä­gi­gen Auf­nah­me­ses­sion in den The Church Stu­dios in Lon­don traf.

London Brew
London Brew

Ver­öf­fent­licht: 31. März 2023
Label: Con­cord

Ent­stan­den ist ein 90minütiges Dop­pel­al­bum, das sich kei­nes­wegs als eine zeit­ge­mäße Rekon­struk­tion oder Inter­pre­ta­tion des Ori­gi­nals ver­steht. So sucht man im Line-up auch ver­ge­bens eine Trom­pete. Den­noch sind der Spi­rit und die Inno­va­ti­ons­kraft des Ori­gi­nals deut­lich zu spü­ren. Miles’ kraft­volle, über­bor­dend krea­tive, musi­ka­li­sche Ideen wer­den hier wei­ter­ge­spon­nen und voll­endet. Der über 20minütige eröff­nende Titel­track deu­tet an, was die­ses Album zu bie­ten hat: ein gewal­ti­ges Feu­er­werk musi­ka­li­scher Aus­drucks­kraft. Auf stille, leicht dro­nige, nahezu medi­ta­tive Momente fol­gen von den Drum­mern vor­an­ge­trie­bene Tem­po­ex­zesse, die wie­derum von einer leicht schläf­ri­gen Geige und Bass­kla­ri­nette unter­bro­chen wer­den, um dann wie­derum in eine phan­tas­ti­sche Impro­vi­sa­ti­ons­or­gie über­zu­ge­hen. Dazwi­schen leuch­ten immer wie­der wun­der­bare solis­tis­ti­sche Frei­räume auf. Das klingt nach Ekstase und Cool­ness, aber vor allem nach einem sehr gro­ßen musi­ka­li­schen Verständnis. 

Ein Zitat von Gitar­rist Dave Okumu umschreibt am bes­ten den Geist die­ser groß­ar­ti­gen Auf­nah­men: „In all den Jah­ren, in denen ich Auf­nah­men gemacht habe, war ich noch nie an einem Impro­vi­sa­ti­ons­pro­zess die­ses Aus­ma­ßes betei­ligt. Die Leich­tig­keit und das Gefühl der Unend­lich­keit sind sicher­lich ein Zeug­nis für das Kali­ber jedes ein­zel­nen Musi­kers und für die ein­zig­ar­tige Art und Weise, in der sie die Lek­tio­nen, die Miles Davis uns durch seine Auf­nah­men und Auf­tritte ver­mit­telt hat, über­nom­men haben.“

Meine Emp­feh­lung für alle Nicht-Jazz­freunde: Augen zu und durch — ihr wer­det es nicht bereuen.