Lucy Kruger & The Lost Boys

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Lucy Kru­ger & The Lost Boys haben bereits mit den mini­ma­lis­ti­schen Noise-Folk-Klän­gen ihrer „Tapes“-Trilogie Auf­merk­sam­keit erregt. 2018 zog Kru­ger von Kapstadt/Südafrika nach Ber­lin. Ihre alte Band Medi­cine Boy war in der süd­afri­ka­ni­schen Rock­szene zu einer auf­stre­ben­den Dream-Noise-Band gereift und ein belieb­ter Live-Act. In Ber­lin ste­hen nach einer Zeit der Ein­sam­keit inklu­sive des Still­stands wäh­rend der Pan­de­mie alle Zei­chen auf Neu­an­fang. Mit den Lost Boys macht sie genau das. „But it’s true / It feels like some­thing new“ – wie es auf ihrer ers­ten Ver­öf­fent­li­chung heißt.

Lucy Kruger & The Lost Boys, Heaving

Lucy Kruger & The Lost Boys
Heaving

Ver­öf­fent­licht: 07. April 2023 
Label: Uni­que Records


I’m on the fence / I’m on the fence
And I wanna scream / You’re beautiful
I wanna be useful

Text­aus­schnitt aus „Howl”

„Hea­ving“ ist das nun­mehr fünfte Album des auf statt­li­che acht Mit­glie­der ange­wach­se­nen Pro­jekts Lucy Kru­ger & The Lost Boys und ist eine über­aus leben­dige, viel­schich­tige und intime Erkun­dung des klang­li­chen Geschich­ten­er­zäh­lens, ein­ge­bet­tet in Folk, Trip-Hop und vor­sich­ti­gen Noise-Rock. Die Lyrics stüt­zen sich dabei auf die Idee der Dich­te­rin und Essay­is­tin Anne Carson, wobei „jeder Klang, den wir machen, ein Stück Auto­bio­gra­fie ist. Er hat ein völ­lig pri­va­tes Inne­res, doch sein Wer­de­gang ist öffent­lich. Ein Stück unse­res Inne­ren, das nach außen pro­ji­ziert wird”, wie es auf der Band­camp-Seite heißt. Die kal­ten, schwe­ben­den Vocals Kru­gers hal­ten alles zusam­men und hau­chen dem Album eine eis­kalte Seele ein. Schon beim Ope­ner „Audi­to­rium“ geht es äußerst düs­ter zu, wobei Kru­gers Stimme gleich meh­rere Okta­ven auf und ab geht. Der Song beschreibt die selt­same Iso­la­tion, die man in der Menge emp­fin­den kann. Auch der Titel­track „Hea­ving“, der Erin­ne­run­gen an Songs von Kate Bush weckt, han­delt vom Gefühl, allein und ver­lo­ren zu sein: „Touch me I’m weak / I trace the line of love / Just above the river of blood / On the body“. Eine wun­der­bare Gothic-Stim­mung ver­brei­tet „Howl“ mit sei­ner schrä­gen Riot-Grrrl-Atti­tüde. Hier heult Krü­gers Stimme vor auf­ge­stau­tem Schmerz und Ver­zweif­lung. „You’re beau­tiful / I want to be useful / I want to scream” brüllt sie. Man spürt förm­lich den Schmerz. „Bur­ning Buil­ding“ über­rascht als groo­ven­der, radio­taug­li­cher Bubble­gum-Pop mit leich­ten Noise-Ein­spreng­seln, dazu rufen Kru­ger und die Gei­ge­rin Jean-Louise Par­ker: „Hey girl! Let’s go!“. Das fol­gende „Feed­back Hounds“ kommt dann wie­der gedämpft mit zar­ter Geige und sägen­der E‑Gitarre daher. „I’m fin­ding it hard to be ten­der, I’m fin­ding it hard to touch…” haucht Kru­ger schwer­mü­tig auf „Ten­der“, wäh­rend die Band einen dunk­len, elek­tro­ni­schen Melo­die-Tep­pich aus­brei­tet. „Und­ress“ mit schlep­pen­den Beats und zar­tem Gitar­ren­pi­cking been­det das Album in ruhi­ger Har­mo­nie und vol­ler Sehn­sucht: „Did you see the way she loo­ked at me / I think she loves me…“ Bei alle­dem ist es ein sehr per­sön­li­ches, femi­nis­ti­sches Album, das in sei­ner Viel­schich­tig­keit fas­zi­niert. Bei mir steht es der­zeit auf High Rota­tion. Für die Chro­nis­ten unter euch hier noch alle Mit­wir­ken­den bei die­ser düs­te­ren, aber doch sehr zugäng­li­chen Pro­duk­tion: Lucy Kru­ger (Gesang, Gitarre), Liú Mot­tes (Gitarre), André Leo (Gitarre), Andreas Miranda (Bass), Gidon Car­mel (Schlag­zeug, Per­kus­sion und elek­tro­ni­sche Pro­duk­tion) und Jean-Louise Par­ker (Back­ing Vocals, Viola, Vio­line). Ich hoffe, dass sie uns auch wei­ter­hin mit ihrer popan­ge­hauch­ten Düs­ter­nis ver­zau­bern wollen.