Mike Kelley
„Ghost and Spirit“
23.3. — 8.9.2024
K21 der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf
Mike Kelley, bekannt für seine vielseitige künstlerische Praxis, die Installationen, Skulpturen, Malerei, Performance und Video umfasst, wurde am 27. Oktober 1954 in Wayne, Michigan geboren. Seine Arbeit war stark von seiner Jugend in Detroit und seiner Auseinandersetzung mit Popkultur, Massenmedien sowie psychologischen und soziologischen Themen geprägt. In jungen Jahren spielte er selber in diversen Punk-Bands. Zu seinen Lehrern am California Institute of Art gehörten unter anderem die Performerin Laurie Anderson und der Konzept-Künstler John Baldessari. Kelley galt als eine der einflussreichsten Figuren der zeitgenössischen Kunstwelt und hatte großen Einfluss auf eine ganze Generation von Künstlern. Der unter Depressionen leidende Künstler starb am 31. Januar 2012 im Alter von 57 Jahren vermutlich durch Selbstmord in seinem Haus in South Pasadena, Kalifornien. Seine Arbeiten wurden weltweit in renommierten Museen und Galerien ausgestellt und haben eine bleibende Wirkung auf die Kunstwelt hinterlassen. Nun widmet das K21 der Kunstsammlung NRW dem Künstler unter dem Titel „Ghost and Spirit“ eine spektakuläre Retrospektive (23.3. — 8.9.2024). Sie zeigt einen bunten Querschnitt von Kelleys Installationen, Performances und multimedialen Werken, die sich zumeist mit Okkultismus, Parapsychologie und Psycho-Welten beschäftigen.
Für Muiskkenner*innen ist der Künstler sicher kein Unbekannter: Ein Foto seiner ikonische Serie „Ahh…Youth!“ wurde weithin bekannt durch das Cover des Sonic Youths Albums Dirty aus dem Jahr 1992 und einen Drop aus dem Jahr 2018 des Streetwear-Labels Supreme. In dieser Fotoreihe, Fahndungsfotos von Außenseitern nicht unähnlich, glotzen selbstgehäkelte Garnpuppen und Stofftiere sowie der Künstler selbst die Betrachtenden verständnislos an. Die Selbstkarikatur des Künstlers, sein apathisches, von Aknenarben übersätes jugendliches Ich, präsentiert sich in einer Reihe mit den leidlich kuscheligen, gruseligen Ausgestoßenen aus frühen Kindertagen. Laut Kelley interpretierten frühe Betrachter*innen seine Stofftier-Arbeiten als Verarbeitung seiner eigenen traumatischen Kindheitserlebnisse – möglicherweise gehe es gar um Kindesmissbrauch. Solche Vermutungen seien tatsächlich aber projizierte Ängste, die eventuell auf verdrängte Erinnerungen der Betrachtenden beruhen, entgegnete Kelley. Überhaupt dreht sich die Werkschau um die Frage: Was ist Erinnerung und sind unsere Erinnerungen tatsächlich selbst erinnert oder füllen wir unsere „Lücken“ mit Erzähltem oder ergänzenden Phantasien, um ein durchgehendes Narrativ zu erhalten? Darauf bezieht sich auch der Titel der Ausstellung „Ghost and Spirit“. Ein Gespenst ist jemand, der/die verschwunden ist, ein Geist aber ist eine Erinnerung, die bleibt und die bleibenden Einfluss hat.
Bildgewaltig, ausufernd, multimedial
So zeigt die Ausstellung fiktive und reale Texte, rekonstruiert Schultheateraufführungen, bedient sich bei Superman-Comics und Pornos, befasst sich mit Ufologie und Übersinnlichem. Mit diesem wilden Potpourri aus skurrilen Installationen, ironischen Grafiken und karnevalesken Aktionen, raumgreifenden Installationen und wüsten Performances zwischen Fragment und Gesamtkunstwerk hinterfragt Kelley die Erklärungsansätze der Wissenschaft, untersucht die Prägungen durch Politik und Erziehungssysteme und thematisiert Klassen- und Genderzugehörigkeit. Manches wirkt vom Ansatz schlichtweg banal, überzeugt aber durch seine visuelle Anziehungskraft und lässt viel Raum für eigene Interpretationen. Nicht besonders subtil zeigt er eine Karikatur des amerikanischen Republikaners Jesse Helms mit einem Hakenkreuz auf der Stirn und protestiert damit gegen die rechtskonservativ motivierte Zensur der Kunstförderung. 1991 setzte der Politiker in den USA eine Gesetzesänderung zur Kürzung staatlicher Kulturförderung durch, Kelley selbst war davon auch betroffen. In seiner großen Rauminstallation „Kandors“ (1999–2011) beschäftigt sich Kelley mit dem amerikanischen Pop-Phänomen Superman, dessen Geschichte seit seiner Schöpfung im Jahr 1938 in verschiedenen Formen immer wieder erzählt wurde, und bietet dabei eine grandiose Szenerie, ein multimediales Erlebnisfeld mit allerhand unterschiedlichen Formaten – mehrteilige Skulpturen, Bilder in Form von Leuchtkästen, als Beams und Monitorprojektionen und ein gleichmäßig raumüberspannender Soundteppich — und bietet damit ein faszinierendes, atmosphärisch dichtes, multimediales Gesamtereignis mit viel Raum für Assoziationen und Spekulationen. „The Day is Done“, 2005 in der New Yorker Gagosian Gallery installiert, ist eine überbordende Fülle aus Kulissenarchitektur mit nachinszenierten Szenen zu Karneval, Halloween und Schultheater. Für Kelley Veranstaltungen, die sich bewusst gegen gesellschaftliche Konventionen auflehnen. Wer allerdings alles letztendlich ergründen will, wird wohl zwangsläufig scheitern. Irgendwie auch Punk.
Sonic Youth • Dirty
veröffentlicht: 20.07.1992 • Label: Geffen/MCA/Universal
Dirty, das achte Album der New Yorker Kultband Sonic Youth – mit dem so typisch undurchdringlichen Feedback-Lärm, wummernden Basslinien, kantigen Gitarren und harten Drums, dazu der coole Gesang von Thurston Moore und Kim Gordon. Stilprägend!