Sleaford Mods
18. Oktober 2023 • Carlswerk Victoria, Köln
Bereits seit 2007 mischt Sleaford Mods, das Post-Punk-Duo aus Nottingham, bestehend aus Frontmann Jason Williamson und Produzent Andrew Fearn, die Musikszene mit seiner eigenwilligen Fusion aus Punk- und HipHop-Einflüssen auf. Ich habe sie mittlerweile mehrfach auf deutschen Bühnen bewundern dürfen, zum ersten Mal 2014 in Duisburg in dem kleinen Club Djäzz. Mit der Popularität wuchs dann auch die Größe der Locations, mittlerweile ist ihr wütender Sprechgesang im Mainstream angekommen und gilt für viele weitere Bands als Blaupause. Entsprechend größer sind auch die Locations, in denen sie auftreten. Heute werden sie dem Carlswerk Victoria in Köln ihre Aufwartung machen. Eigentlich ein Laden, der mir für diese Art Konzert zu groß erscheint, aber da einige meiner besten Freunde und selbst Gabi Interesse zeigen, will ich mal schauen, ob sie auch einen großen Saal rocken können. Also mal wieder auf nach Cologne…
Manche mögen das Konzept Vorband unnötig finden, verzögert es doch nur den Auftritt des Hauptacts. Und so spielt der Support oft vor einem Bruchteil des eigentlichen Publikums, das größteils noch in der Bar rumhängt oder bewußt erst später eintrudelt. Dabei sorgt so manche Vorband für eine echte Überraschung und macht das Publikum heiß für den Hauptact. Heute Abend übernimmt das britischen Trio Pozi die Aufgabe, die Crowd einzustimmen. Und sie erledigen diesen Job recht gut – trotz ihrer minimalistischen und ungewöhnlichen Besetzung: Toby Burroughs, Rosa Brook und Tom Jones arbeiten lediglich mit Schlagzeug, Bass, Violine und Gesang. Sie nageln ihre Post-Punk-Sounds zumeist auf den Punkt und klingen dabei keinesfalls abgenudelt und beliebig. Dafür sind der Sound, den Rosa Brook mit ihrer Geige mal gezupft, mal gestrichen und gelegentlich mit viel Hall erzeugt, der stoische Motorik-Beat und die oft mehrstimmigen, schönen Gesangsharmonien zu speziell für dieses Genre. Besonders ihr letzter Song „Watching You Suffer“ ist mit seinem stoischen Groove absolut beeindruckend und mitreissend.
Haben Pozi Punkt 20.00 Uhr die Bühne betreten und exakt 30 Minuten gespielt, beginnen die Sleaford Mods Punkt 21 Uhr ihre Perfomance. Hat Punk was mit Punkt zu tun? Egal, die Mods legen gleich mit ihrem Opener des aktuellen Albums los. „UK Grim“ vertont wütend und drastisch, dass England am Arsch ist. Nun stehen die Mods mit ihrem DIY-Sound nicht wirklich für saubere Produktion und guten Sound — aber besser als das, was hier aus den Boxen wummert, geht es auf jeden Fall. Vom Bass flattern zwar die Hosenbeine, die Höhen sind allerdings kaum hörbar und Jasons Songtexte verlieren sich im dunklen Soundeinerlei. Mit den nächsten Tracks wird das zwar etwas besser, aber ingesamt läßt die Beschallung es an Differenziertheit und Klarheit vermissen. Dies scheint weder Jason Williamson noch Andrew Fearn zu stören. Ersterer bellt gewohnt wütend seine Abscheu ins Mikro, wobei er Arme und Kopf in seinem unwiderstehlichen Begleittanz malträtiert, während Fearn wild und ungelenk die gesamte Breite der Bühne in einem ungewohnten Tanzrausch abmißt, dabei aber nicht vergißt, jeden neuen Track mit der Playtaste seines Laptops zu starten. Ungewöhnlich, auf meinen bisherigen Konzerten habe ich ihn zumeist nur eifrig nickend vor seinem Rechner stehend erlebt. Aber nach wie vor steht Williamson im Mittelpunkt und spuckt mit gespannter Halsschlagader seine Tiraden auf Hipster, korrupte Politiker und sein heruntergekommenes Heimatland aus. Insgesamt hauen sie in den 90 Minuten ihrer Performance 22 Tracks heraus – natürlich dabei „Force 10 From Navarone“, „Mork n Mindy“, „So Trendy“, „Nudge It“, „Jobseeker“ und zum Abschluss „Tweet, Tweet, Tweet“. Eine saubere Mischung aus altem und neuem Material, bei der es wenig direkte Ansprache ans Publikum gibt. “Enjoying it?” fragt Williams lediglich. Einzige weitere kurze Unterbrechung: Als jemand sein Handy verliert – wer macht denn Handy-Aufnahmen im Moshpit? – sorgt sich auch der Sänger um das Smartphone. Gabi und ich stehen in der dritten Reihe und können sprichwörtlich alles hautnah mitverfolgen. Und so kommt nicht nur die hüpfende, schubsende und pogende Menge auf ihre Kosten, sondern auch wir haben unseren Spaß, der den bleibend schlechten Sound dann auch ein wenig vergessen läßt. Schade allerdings, dass beispielsweise bei „Mork‘ n Mindy“ die wunderbare Gesangspassage von Billy Nomates (natürlich auch lediglich aus der Konserve) nur so ganz dünn und verloren daherkommt. Bei „Nudge It“ kommt die Zweitstimme deutlich besser zum Tragen – die weiblichen Vocals stammen hier von Amy Taylor, Sängerin bei Amy and the Sniffer.
Auch wenn Thomas am Ende ebenfalls den Sound bemängelt, sind wir uns einig, ein gutes Konzert erlebt zu haben. Aber sollten Sleaford Mods das nächste Mal in der Nähe spielen, bleibe ich dann wohl doch zu Hause. Es sei denn, sie treten doch noch mal in einem ganz kleinen Club auf.