PRICE OF PROGRESS
Die Band SMILE wurde 2019 von Sängerin Rubee True Fegan aus Albuquerque, New Mexico, die vier Jahre zuvor aufgrund eines Stipendiums ausgerechnet in Bonn landete, und Schlagzeuger Marius in Bonn gegründet. Die beiden Gitarristen Lars Fritzsche und Sebastian Lessel sowie Bassist Max Schmidt komplettierten später dann die Bandformation. Sehr schnell erspielte sich die nunmehr in Köln sesshafte Post-Punk-Combo mit aufregenden Live-Acts eine kleine Fan-Gemeinde und wurde spätestens 2022 mit ihrem Auftritt beim c/o pop Festival in Köln auch bundesweit wahrgenommen. Zudem agierte SMILE auch als Support von so hervorragenden Acts wie Squid und Fontaines DC. Jetzt legt die Band mit PRICE OF PROGRESS ihr Debütalbum vor. Kleine Randnotiz: Man sollte SMILE nicht mit der Band The Smile verwechseln. Das ist die „Supergroup“ von Thom Yorke, Jonny Greenwood und Tom Skinner, die sich erst nach den Kölnern formierte, aber deutlich schneller international bekannt wurde. Smile nannte sich auch eine britische Rockband, die 1968 von Gitarrist Brian May in London gegründet wurde und aus der dann 1970 die Band Queen hervorging.
Textausschnitt aus „Herrengedeck”Patty Sue knocks her boots
she’s got a snake tattoo
takes out a light and pulls up a stool
takes a long drag, looks around and she says
I’ll stay here for another
I just need something to take the edge off
Das Debüt der Kölner klingt so gar nicht nach Köln, sondern knüpft nahtlos an das an, was sich im letzten Jahr in der Londoner Musikszene abspielte. Bands wie Yard Act, Squid, Italia 90, Heavy Lungs oder auch Dry Cleaning erfinden den Post-Punk zwar nicht neu, lassen ihn aber auch im Jahr 2023 wieder lebendig und aufregend klingen. So reihen sich SMILE mit PRICE OF PROGRESS mühelos in dieses breit gefächerte Genre mit seiner DIY-Ethik ein und klingen mit ihrem Post-Punk britischer Machart nach frischem musikalischen Sturm und Drang. Nicht wenige Tracks lassen einen an Florence Shaw, die großartige Sängerin von Dry Cleaning, denken. Wie sie, scheint auch Sängerin Fegan es vorzuziehen, nicht zu singen, sondern ihre feinsinnigen, poetischen Lyrics lieber in lakonischer, lässiger Spoken-Word-Manier vorzutragen – gibt sich dabei aber sehr variantenreich, sie akzentuiert lautmalerisch, lacht, haucht, bellt, schreit und wimmert. Und gelegentlich singt sie dann doch. Ihr Storytelling erinnert an Patti Smith, ihre Texte strotzen vor Kreativität und packen persönlich Erlebtes in Poesie. Und so variantenreich die exaltierte Frontfrau ihre Texte vorträgt, so abwechslungsreich ist auch die musikalische Interpretation: Da geht es von tanzbaren Uptempo-Nummern über stimmigen Punkrock bis hin zu eingängigen kleinen Indie-Pop-Perlen. Die Lyrics sinnieren derweil über das regional beliebte Herrengedeck aus Bier und Korn, mäandern zwischen Beziehungs-Stress und Lebensmittel-Sex oder berichten vom Besuch bei der Oma in New Mexico – Alltagsbeobachtungen unterlegt mit herrlich frischem Post-Punk…
So klingt Post-Punk 2023
Auch wenn die musikalischen Vorlieben von SMILE klar erkennbar sind, wirken ihre Songs alles andere als abgekupfert. In ihrer jugendlichen Frische und Spielfreude kommen sie versiert, eingängig und innovativ daher und überführen den schon oft totgeglaubten Post-Punk in die Musiklandschaft 2023. So überzeugt dieses tolle Art-Post-Punk-Album mit seiner einzigartigen Vielseitigkeit und klingt dabei dennoch wie aus einem Guss – und so gar nicht nach einem Debüt, sondern eher nach dem Werk einer erfahrenen, gereiften Band. Da dürfte noch einiges kommen …