Was passiert, wenn Musikstreaming plötzlich mehr mit Politik als mit Klang zu tun hat? Zwei aktuelle Geschichten aus den USA zeigen, wie sehr Plattformen wie Spotify längst Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden sind.
In Oakland formierte sich eine neue Bewegung: „Death to Spotify“. Unter diesem kämpferischen Motto diskutieren unabhängige Musiker*innen, Aktivist*innen und Hörer*innen, wie sich Musik wieder von kapitalistischen Plattformstrukturen lösen lässt. Die Organisatoren von „Death to Spotify“ betonen: Es sei nicht ihr Ziel, dass die App geschlossen werde. „Wir möchten nur, dass alle ein bisschen mehr darüber nachdenken, wie sie Musik hören“»”, so Manasa Karthikeyan, eine der Organisatorinnen des Veranstaltungsreihe. Ausgangspunkt war die wachsende Kritik an Spotifys Geschäftsmodell – geringe Künstler*innenvergütung, algorithmische Gleichmacherei, und zuletzt der Skandal um Mitgründer Daniel Eks Investment in militärische KI. Bands und Künsterl*innen wie Massive Attack, King Gizzard & the Lizard Wizard, Deerhoof, Deradoorian oder Hotline TNT haben daraufhin ihre Songs von Spotify entfernt.
ICE-Werbung auf Streaming-Plattformen
Während in Oakland diskutiert wird, nutzt die US-Regierung dieselben Plattformen für Rekrutierung: Auf Spotify, Hulu oder HBO Max tauchten zuletzt Werbespots der Einwanderungsbehörde ICE auf – mit martialischen Botschaften wie „Join the mission to protect America“ oder „Fulfill your mission“. Viele Nutzer*innen reagierten schockiert, manche löschten gar ihre Apps. Ob Spotify auf die Proteste reagiert, ist derzeit unklar. Bislang verweist das Unternehmen lediglich auf die Möglichkeit, Werbung individuell zu bewerten. Eine klare inhaltliche Distanzierung von der ICE-Kampagne gibt es nicht. Auch Zahlen zu Kündigungen oder Nutzerverlusten wurden bisher nicht veröffentlicht. Der Streamingdienst rechtfertigte sich lediglich, die Anzeigen seien Teil einer „breiten Regierungskampagne“ verstoßen nicht gegen Spotifys Werberichtlinien. Nutzer*innen könnten aber mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ ihre Anzeigenpräferenzen beeinflussen.
Der Sound des Widerstands
Beide Geschichten erzählen von einem neuen Bewusstsein: Musikstreaming ist längst kein neutraler Raum mehr. Zwischen Kommerz, Kontrolle und Protest suchen Künstler*innen und Fans nach Alternativen – ob über Bandcamp, Vinyl oder lokale Netzwerke. Vielleicht ist das der Anfang einer Bewegung, die wieder weiß, dass Musik mehr sein kann als nur das, was der Algorithmus als „passend“ vorschlägt.