Sprints sind eine frische Post-Punk-Band aus dem irischen Dublin. Karla Chubb (Gesang, Gitarre), Colm O’Reilly (Gitarre), Jack Callan (Schlagzeug) und Sam McCann (Bass) gründeten das Quartett 2019 nach einem anscheinend sehr inspirierenden Savages-Konzert, womit auch schon eine sehr naheliegende Referenz für ihren Sound genannt wird. Tatsächlich glaubt man gelegentlich, die Londoner Post-Punkerinnen zu hören, klingt Sprints-Sängerin Karla Chubb doch stellenweise exakt wie Jehnny Beth von Savages. Aber der raue, ernergiegeladene Garage-Punk legt auch Einflüsse von frühen Pixies, Bauhaus, Siouxsie Sioux, IDLES und LCD Soundsystem frei. Nach zwei ausverkauften UK-Tourneen, einem Auftritt als Support von Liam Gallagher, zwei hochgelobten EPs („A Modern Job“ und „Manifesto“) und einer gefeierten Show beim Glastonbury Festival unterschrieb die Band für ihre 24er Debüt „Letter To Self“ einen Plattenvertrag bei City Slang. Im September 2025 folgt ihr Zweitling „All That Is Over“ — zwischenzeitlich wurde Gitarrist Colm O’Reilly gegen Zac Stephenson ausgewechselt.
All That Is Over — Album Review
Textausschnitt aus „Something’s Gonna Happen”Well, do you ever feel like something’s gonna happen?
You can taste, you have earned it, it is yours
But the world has a cruel and bitter humour
And you watch it slip like cigarette smoke through doors
Mit „All That Is Over“ liefern Sprints aus Dublin ihr mit Spannung erwartetes zweites Album. Veröffentlicht am 26. September 2025 via City Slang ist das Werk eine Weiterentwicklung: Die rohe Energie ihres Debüts „Letter to Self“ bekommt hier neue Nuancen – mehr Raum, mehr Dynamik. Sie sind laut, emotional und ausgelassen. Die Band verarbeitet sowohl persönliche Turbulenzen (etwa das Ende einer langjährigen Beziehung von Sängerin Karla Chubb und der Ausstieg des Gitarristen Colm O’Reilly) als auch globale Themen wie Krieg, politische Krisen und Klimakatastrophen. Diese Kombination verleiht dem Album eine drängende Tiefe – es ist nicht nur post-punkiger Lärm, sondern ein Spiegel der Gegenwart. Produziert wurde das Album erneut von Daniel Fox, der bereits am Debüt mitgewirkt hat. Die Produktion schwankt zwischen metallisch-kalten Klangflächen und zögernden, hallenden Momenten, die Raum schaffen, ohne die Spannung jemals zu lösen.
Wildes Aufbegehren
Die Single-Auskopplung „Descartes“ ist ein wilder Ritt – impulsiv, fast konfrontativ, mit verzerrten Gitarren und einem Aufbegehren, das sich nicht kurz fassen lässt. Thematisch geht es um Eitelkeit, Selbstüberschätzung und die Notwendigkeit, zu schreiben, um zu überleben. „Need“ ist ein Song, der laut Selbsteinschätzung der Band besonders ins Auge fällt. Leicht verstimmt klingende Gitarren erzeugen ein Gefühl von Anspannung, von Dringlichkeit – wie der Titel schon verrät. Der Track wirkt wie ein innerer Aufruhr, bei dem Verlangen und Abhängigkeit gleichermaßen mitschwingen.
Das Herz des Albums
„Beg“ kann man als Titeltrack verstehen, beginnt der Song doch mit der Zeile „All that is over“. Es ist ein langsam startendes, dabei aber propulsives Punkstück, das Wut und das Bedürfnis nach Neuanfang bündelt – fast wie ein kathartischer Ausbruch. Seine Direktheit ist beeindruckend. Im folgenden „Rage“ wird man sofort von einer treibenden Melodie hineingezogen; zur beständigen Energie gesellt sich ein hypnotischer, fast tranceartiger Refrain. Dagegen strahlt „Something’s Gonna Happen“ eine geradezu atmosphärische Ruhe aus, bevor mit „Pieces“ wieder eine wütende Punknummer losbricht.
Finale Eskalation
Mit „Better“ folgt ein überraschend melodischer Song – positiv im Kern, aber eingebettet in eine dichte Post-Punk-Textur. Diese Kombination macht ihn zu einer erfrischenden Abwechslung auf einem Album, das ansonsten vor roher Wut und Düsternis vibriert. Zum Ende wird es fast episch: Über mehr als sechs Minuten entfaltet „Desire“ eine filmische Spannung. Der Song verbindet die gewohnte düstere Atmosphäre der Band mit leichten Country-Gitarrenriffs, baut kontinuierlich Druck auf und mündet schließlich im totalen Chaos. Eine eindrucksvolle, dramatische Art, das Album zu beenden.
Ein Album wie ein Sprint
Mit ihrem zweiten Album wagen Sprints neue Wege: mehr Songstruktur, mehr Tiefe, mehr Klangexperimente. Thematisch düster, musikalisch jedoch voller Hoffnung – nicht durch Sonnenschein, sondern durch Katharsis, durch das laute Aussprechen und Durchleben der eigenen Gefühle. Nach Aussage von Frontfrau Karla Chubb soll ihre Musik dem Empfinden eines Sprints nahekommen: beschleunigter Puls, verkürzter Atem, das Brennen in den Waden – nur eben musikalisch statt sportlich. „All That Is Over“ setzt hinter dieser Aussage ein doppeltes Ausrufezeichen.
Album anhören auf
Letter Fo Self — Album Review
Textausschnitt aus „Heavy ”And I can’t sleep
And I can barely breathe
And I’m watching the world go around the window beside me
Mit ihrem Debüt „Letter To Self“ haben Sprints endgültig ihren Sound gefunden. Es ist düsterer, aggressiver Post-Punk, zu dem Karla Chubb all ihren Frust und ihre Ängste hinaus schreit, und so erinnern die elf Songs mit ihrer energetischen, wütenden Kraft an die ebenfalls aus Dublin stammende Gilla Band – kein Wunder, wurde das Album doch von Daniel Fox von eben dieser Gilla Band aufgenommen. Auf „Letter To Self“ stellt sich Sängerin, Gitarristin und Lead-Songwriterin Karla Chubb, wie der Albumname erahnen lässt, ihrer inneren Zerrissenheit, ihren Ängsten und ihren verletzlichsten Momenten. Nach eigenen Angaben kam sie zur Musik, weil sie sich in dieser Welt nicht mehr zurecht fand. „Ich lebte in einem ständigen Zustand der existenziellen Krise“, sagt sie heute. Und weiter: „Die Musik wurde zu einem Ventil für meine Gefühle und zu einem Weg, mich selbst und die Gesellschaft zu verstehen.“ So verhelfen die Songs bei aller Rohheit und Wut zu sehr intimen, zutiefst persönlichen und autobiografischen Einblicken.
Aus der eigenen Krise befreien
Verhandelt werden dabei der anhaltende Kampf von Frauen um körperliche Autonomie, die Selbstakzeptanz, die eigene Identität, psychische Probleme, Sexualität und katholische Schuldgefühle. All dies Gefühle von Angst, Ärger und Wut will die Band in etwas Positives verwandeln, wie Chubb erklärt. „Wir nutzen unsere Erfahrungen als Treibstoff und gießen sie in ein positives Ventil. Es ist kathartisch, es ist ehrlich, es ist roh.“ Und dies ist auch eine gute Beschreibung ihres Sounds: kathartisch, ehrlich, roh. Die Botschaft: „Egal, in was du hineingeboren wurdest oder was du erlebt hast, es gibt einen Weg, daraus hervorzugehen und in dir selbst glücklich zu sein.“
Es rumpelt, es heult, es ist intensiv
Bei alledem machen Sprints ihrem Namen alle Ehre. In kurzen drei- bis vierminütigen Tracks sprinten sie meist gnadenlos nach vorn: Das Schlagzeug hämmert unaufhörlich, der Bass rumpelt eindringlich, harte Gitarrenriff werden abgebrannt und reißen ab und die Stimme von Karla Chubb reitet souverän auf dieser Noise-Welle und nutzt die Intensität für ihr hemmungsloses Geheul und wütende Refrains. Sprints sind eine weitere aufregende, junge Post-Punk-Band, wie sie 2023 auf den britischen Inseln geradezu aus dem Boden schossen.



