Swans wurden 1982 von dem Musiker Michael Gira in New York gegründet. Er ist fasziniert von der brodelnden, kreativen Subkultur der Lower Eastside. Entsprechend stark präsent sind auf der ersten Veröffentlichung auch die No-Wave-Einflüsse. So umschreibt „Swans“ den Musikstil der Band laut Michael Gira am besten, denn: „Swans are these beautiful animals, who are in reality completely obnoxious. They’re hateful things. (Schwäne sind diese schönen Tiere, die in Wahrheit komplett widerwärtig sind. Sie sind abscheuliche Wesen.)“ Sind ihre musikalischen Wurzeln zunächst dem No Wave und dem Post-Industrial zugeordnet, so wechseln sie doch häufig Stil, Sound und Klangarchitektur. Was bleibt, ist der sonore Sprechgesang von Michael Gira. Ähnlich unbeständig ist auch die Bandzusammensetzung, selbst Thurston Moore, Mastermind der Sonic Youth, zählt kurzzeitig zu den Bandmitgliedern. Nach einigen fantastischen Alben auf dem von Michael Gira selbst betriebenen Label Young God Records und einer zwischenzeitlichen Auszeit (1999 bis 2007) gelingt ihnen 2012 mit dem beeindruckenden Doppelalbum „The Seer” ein überwältigendes Comeback. Zwei Jahre später schieben sie mit „To Be Kind” einen würdigen Nachfolger nach, um dann 2016 mit„The Glowing Man” auch das zweite Bandkapitel wieder auf Eis zu legen. Der großartige Restart gelingt den Swans dann 2019 mit „Leaving Meaning”.

Swans
Birthing
Veröffentlicht: 30. Mai 2025
Label: Young God Records
Birthing- Album Review
Textausschnitt aus „The Merge”
And here, is a forеst
And here, is a stone
Right hеre, are the marks they made
I still hear them, they still call
They sing through me, they still sing
Michael Gira und die Swans werden auch mit zunehmendem Alter nicht leiser – aber sie werden vor allen Dingen immer epischer. Sieben Tracks, knapp zwei Stunden, kein Song unter elf Minuten – schon die Eckdaten des Albums sind eine klare Ansage: Auf „Birhing“, das mittlerweile 17. Studioalbum der Swans, will nicht unterhalten, es wird viel beschworen, es wird viel gepredigt. Michael Gira bemerkte, dass das Material des Album größtenteils im Laufe der einjährigen Swans-Tournee 2023 und 2024 entwickelt wurde. Und es wird – nachdem es ja auf dem Vorgängeralbum bereits hieß „Michal is done“ wohl das auch die letzte Veröffentlichung in dieser Formation sein. „We’ll do a final tour in this mode towards the end of 2025, then that’s it.“, so Gira auf der Label-eigenen Website. „After that, Swans will continue, so long as I’m able, but in a significantly pared down form.“
Kosmische Rituale
Doch zurück zum aktuellen Album: Schon der Opener „The Healers“ gibt die Richtung an – ein sakraler Drone trifft auf tranceartige Wiederholungen, bis sich der Song nach elf Minuten in einen Groove windet, der irgendwo zwischen Jenseits und Jazzclub liegt – nur um wenig später in Lärm und Ekstase zu explodieren. Giras Stimme klingt dabei tiefer, beschwörender denn je, irgendwo zwischen Schamanengesang und wahnsinnigem Hohepriester. „I Am a Tower“ und der Titeltrack „Birthing“ knüpfen nahtlos an: Letzterer beginnt medidativ mit einem Ambient-Teppich und endet im wuchtigen Wall-of-Sound-Gewitter – ein Epos, das sich anfühlt wie eine Geburt in Zeitlupe, mit allen Schmerzen und Erleuchtungen, die dazugehören. „Red Yellow“ umschmeichelt fast schon mit Eingängigkeit und gibt sich deutlich zugänglicher – im Swans-Style versteht. Giras Sprechgesang ist fast nur noch ein Flüstern, während die Drums 70er Rock-Vibes versprühen. „Guardian Spirit“ wiederum kanalisiert die frühere No-Wave-Rohheit der Band und paart sie mit der spirituellen Schwere, die die Swans mittlerweile ausmacht. Der Höhepunkt aber: „The Merge“, wo eine zärtliche Kinderstimme, den Linernotes die von Little Mikey, „I love you, Mommy“ haucht und auf Deutsch bis zehn zählt, bevor der Song in völliges Chaos und mit kreischender Free-Jazz Kakophonie an Swans’ anarchischste Momente erinnert. Wer mit diesem Album die düstere Welt der Swans ohne Vorwarnung einsteigt, könnte sich verloren fühlen im lärmenden Labyrinth aus Feedback, flackernden Bildern und Giras mantrenhaften Lyrics – aber das traf auch schon auf „The Beggar“ zu. Die Texte? Eher Visionen als Geschichten. Zwischen Himmelsglitter, brennenden Städten und der Aufforderung, in den eigenen Kopf gebissen zu werden, pulsiert ein eigentümlicher spiritueller Hunger.
Das Ende einer Ära
„Birthing“ ist keine Sammlung von Songs, sondern ein Zustand, eine Reise – wohl ein letztes großes Swans-Ritual in voller Besetzung. Und wenn sich im abschließenden „(Rope) Away“ alles beruhigt, Gitarren sich endlos in den Äther ziehen und Giras Stimme verstummt, dann ist das nicht hoffentlich nicht nur ein Schluss, sondern die Ankündigung eines Neuanfangs.„Birthing “ ist sperrig, schmerzhaft, spirituell – und vielleicht genau deshalb so stark. Kein Album für den schnellen Konsum, sondern ein schwere Wurf, der sich nur dem offenbart, der bereit ist, sich darin zu verlieren. Gira verlässt nach eigener Aussage die große Bühne als Dirigent einer Klangapokalypse – und wir applaudieren im Drone-Rausch. Bleibt zu erwähnen, das neben den Swans-Musikern Michael Gira, Phil Puleo, Kristof Hahn, Dana, Christopher Pravdica, Larry Mullins und Norman Westberg noch zahlreiche Gastmusiker*innen and diesem Album mitwirkten: Jennifer Gira, Laura Carbone und Lucy Kruger (Backing Vocals), Andreas Dormann Soprano Saxophone) sowie Timothy Wyskida (Drums bei „The Merge“) und natürlich Little Mikey.

Swans
The Beggar
Veröffentlicht: 23. Juni 2023
Label: Young God Records
The Beggar- Album Review
Textausschnitt aus „Michael is Done”
Now Michael is done
Stripped bare of pretense soaking his sheets
While counting insects
He’s a grid on the sun
He’s the hate in the love
Das nunmehr 16. Studioalbum „The Beggar“, das mit seinen zwei Stunden eine fast schon epische Länge besitzt, wurde im Candy Bomber Studio in Berlin aufgenommen und gemischt, von Ingo Krauss produziert und von Doug Henderson bei Micro-Moose ebenfalls in Berlin gemastert, wo inzwischen mehrere Mitglieder der einst in New York beheimateten Band leben, allen voran natürlich Kristof Hahn, der langjährige Gitarrist und engste Vertraute von Gira. Zur aktuellen Kernbesetzung gehören zudem Larry Mullins, Dana Schechter, Christopher Pravdica, Phil Puleo, außerdem als Gast Ben Frost. Die elf Stücke des zweistündigen Albums sind allesamt gewohnt ausufernd, aber der vorletzte Track „The Beggar Lover (Three)“ ist dann mit seinen 45 Minuten die tatsächlich längste Studiokomposition in der langen Bandgeschichte und bekommt damit aber auch aufgrund seiner breiten musikalischen Vielfalt die Bedeutung eines Albums innerhalb eines Albums. Der Track startet langsam schleppend mit einem wunderbaren Drone, später begleitet von einem Sprachsample einer jungen Frau, die Unverständliches (ein alten Märchen?) murmelt, die Klänge werden immer heftiger und industrieller, verglühen langsam und faden aus, um unter gewittrigen Drums neu aufzuglühen und wieder zu heftigem Feuer zu entfachen. Am Ende taucht dann aus dem Nichts überraschend der Titeltrack von „Leaving meaning“ auf. Hier fließt alles ineinander: experimentelle Klänge, wuchtige Gitarreneruptionen, Fieldrecordings und kräftige Drums — ein Track von dunkler, beunruhigender und wunderbarer Schönheit. Aber neben diesem Track gibt es noch weitere großartige Momente — so zum Beispiel das an Velvet Underground erinnernde „Los Angeles: City Of Death”, das fast als poppige Rock-Variante daherkommt, oder das Country-hafte „Unformig“ mit Steel-Gitarre und reichlich Piano. Und dann ist da noch „Michael Is Done”, in dem Gira über seine eigene Sterblichkeit und Nachfolge nachdenkt und das dennoch luftig erhaben und hoffnungsvoll klingt. Denkt der mittlerweile 68jährige hier wirklich ans Aufhören? Musikalisch und stilistisch scheint er jedenfalls noch nicht am Ende zu sein.