Swell – Everyday Sunshine Tour 2023
10. April 2023 • Gebäude 9, Köln
Diese Reise sollte sich auch lohnen: Urs unterbricht extra seinen Familienurlaub über Ostern im Bergischen und reist mit Bus und Bahn an. Am Deutzer Bahnhof hole ich ihn mit dem Auto ab, und dann geht es rüber ins Gebäude 9. Hier steht ein Tribute-Konzert von Swell aus San Francisco an. Tribute deshalb, weil die Tour im Gedenken an den Singer-Songwriter und Gitarristen David Freel stattfindet, der am 12. April 2022 – also vor fast genau einem Jahr– mit 64 Jahren verstarb. 1989 gründete er zusammen mit dem Schlagzeuger Sean Kirkpatrick die Band Swell. Bereits ihr erstes, selbstbetiteltes Album von 1990 wurde ein kleiner Achtungserfolg und so spielte die Band ihre ersten Konzerte in den USA im Vorprogramm von Mazzy Star, ein echter Durchbruch wollte sich allerdings nicht einstellen. Auch in der Folge blieben sie Kritikerlieblinge und die Blaupause für viele nachfolgende Indiestars. Dennoch: Swell sind sicherlich mit Pavement, Tortoise, Smog und Sonic Youth die unbestrittenen Indie-Rock-Lieblinge der 90er Jahre mit einem ganz eigenen Sound, insbesondere auf ihren Alben „41“ (1994) und „Too Many Days Without Thinking” (1997). Bis 2008 ist die Band unter ihrem Namen aktiv. Dannach veröffentlicht David Freel unter dem Namen „Be My Weapon“ seine musikalischen Ideen – mit bizarren Samples und verrückten Sounds. Sein letztes Projekt war ein Vinylpresswerk und Plattenladen in Oregon, die er zusammen mit seiner Partnerin Jen bis zuletzt betrieb.
Nun also die Tribute-Tour „Everyday Sunshine“ im Gedenken an den umtriebigen und eigenwilligen Band-Gründer. Dafür finden sich die ursprünglichen Mitglieder wieder zusammen: Sean Kirkpatrick am Schlagzeug, Monte Vallier am Bass, Niko Wenner an der Leadgitarre sowie John Dettman-Lytle, der usrpüngliche Gitarrist, der an der Akustikgitarre einspringt. Er wird auch den Großteil des Gesangs bestreiten. Und sehr schnell wird klar, es ist ein Konzert unter Freunden. All die liebgewonnen großen Tracks ihrer Indie-Helden werden gespielt, aber zunächst hält Sean Kirkpatrick einen sehr emotionalen Nachruf auf Bandmate David und verkündet dann auch, dass die Setlist aus den Songs der ersten vier Alben besteht. Und so hören wir dann unter anderem: Long Last, Fine Day Coming, Smile My Friend, Forget about Jesus, Throw the Wine, Suicide Machine und Sunshine Everyday. Wirken die ersten Songs noch etwas blass und blutleer, fast so als ginge eine Swell-Cover-Band auf der Bühne zu Werke, bekommt der gesamte Sound mehr Fülle und Drive, nachdem auch die Vocals und die Akustikgitarre von Dettman-Lytle besser abgemischt werden. Das Fehlen von David Freels bleibt aber deutlich zu spüren. Doch der gewohnte Swell-Sound, geprägt von dem einzigartigen Zusammenspiel des harten, trockenen und knackigen Drummings und der variantenreichen Lead-/Rhythmusgitarre stellt sich aber schon bald ein. Zwischen den Tracks werden immer mal wieder bewegende oder typische Bandsituationen mit David Freel beschrieben oder man ruft sich die Konzerte im Underground und MTC in Erinnerung, bei denen gefühlt alle im Publikum ebenfalls anwesend waren — wie gesagt, ein Konzert unter Freunden. Am Ende gibt es zwei kurze Zugaben, die zweite besteht aus „Bridgette, You Love Me”, bei der nur Bass und Gitarre den Sound bestimmen, so dass Drummer Sean Kirkpatrick die Ruhe hat, dass ganze Setting von der Bühne mit seinem Handy schmunzelnd zu dokumentieren… Zufrieden und sich an alte Zeiten erinnernd, verläßt das nicht gerade zahlreich erschienene Publikum den Saal.
Auf dem Rückweg nach Düsseldorf läuft das Debüt-Album von Messer-Leadsänger Hendrik Otremba, über dessen musikalische Qualitäten zwischen Urs und mir keine Einigkeit herrscht. Einig sind wir uns aber, dass sich die Reise ins Gebäude 9 gelohnt hat und wir ein tolles, wenn auch letztes Konzert von Swell gesehen haben.
Wer einen weiteren Kommentar zu dem Konzert lesen möchte, kann das hier machen. Urs hat nämlich auf seiner Site ebenfalls einen Beitrag dazu veröffentlicht und sogar ein kleines Video zur Verfügung gestellt. Nochmals vielen Dank auch für die Einladung, Urs!