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The Hard Quartet

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Mit The Hard Quar­tet hat sich eine Band zusam­men­ge­fun­den, der man mit Blick auf ihre Mit­glie­der wohl so einige Super­la­tive zuschrei­ben kann. Prä­gende Grö­ßen des Indie­rocks machen hier gemein­same Sache: Ste­phen Malkmus, Matt Sweeney, Emmett Kelly und Jim White fin­den zu einem Quar­tett der Sla­cker zusam­men. Allein die Bands und Pro­jekte der vier Musi­ker las­sen jeden Musik­fan auf­hor­chen: Pave­ment, Sil­ver Jews, Cha­vez, Ty Segall, The Cairo Gang, Bon­nie „Prince“ Billy, Gui­ded By Voices, Cat Power, Dirty Three und Bill Cal­la­han sind nur einige der musi­ka­li­schen Insti­tu­tio­nen, bei denen einer der vier mit­ge­wirkt hat. Anfang August 2024 tau­chen erste kum­pe­lige Pos­tings auf der Insta­gram-Seite von The Hard Quar­tet auf, schnell sind über 10.000 Fol­lower zusam­men. Nach ers­ten Videos, unter ande­rem zu „Earth Hater“, in dem sie von Knet­fi­gu­ren dar­ge­stellt wer­den, erscheint im Okto­ber ihr selbst­be­ti­tel­tes Debütalbum.

So beschrei­ben die vier Musi­ker selbst ihr neues gemein­sa­mes Pro­jekt:
Ste­phen Malkmus: „We’re all jaz­zed.“
Matt Sweeney: „The way Jim plays really affec­ted the way I hear things. He has this way of making ever­y­thing sound good. All of a sud­den, you really pay atten­tion to ever­y­thing else that’s going on because of what Jim is doing.“
Emmett Kelly: „Leave yours­elf behind and go into some­thing where you’re actually lis­tening to others and try­ing to come up with a solu­tion to wha­te­ver kind of eso­te­ric thing you are attemp­ting to do in your life. You know what I mean?“
Jim White: „There’s this thing where I’ll have a story in my head when I have an inten­tion, and I can hear it in the drums. It doesn’t mat­ter if I tell anyone—even the peo­ple I’m play­ing with. You don’t even have to be par­ti­cu­larly con­scious of it yours­elf. But if you have an inten­tion, some­thing hap­pens to the sound. It’s really weird.”

The Hard Quartet

The Hard Quartet

s/t

Ver­öf­fent­licht: 4. Okto­ber 2024
Label: Mata­dor Records

Unto othеrs, you must do
As you would have them do to you
Imitating God’s children
On Earth, as it is in Heaven

Text­aus­schnitt aus „Earth Hater“

Das selbst­be­ti­telte Debüt von The Hard Quar­tet hat eine ganz eigene Atmo­sphäre. Obwohl die Musi­ker 60 Jahre und älter sind, klingt ihr ers­tes gemein­sa­mes Album wie von Musik-Novi­zen. Es klingt nach dem char­man­ten Lo-Fi-Indie der Neun­zi­ger, schön schram­me­lig mit teils ver­stimm­ten Gitar­ren und einem rum­pe­li­gen Schlag­zeug. Trotz ihrer Erfah­rung und ihres sicher hohen Anspruchs stel­len sich hier alte Hasen bewusst gegen den über­pro­du­zier­ten Main­stream-Sound und beschwö­ren die rohe, unpo­lierte Ästhe­tik der frü­he­ren Tage, frö­nen der Low-Bud­get-Pro­duk­tion mit ihren unper­fek­ten Klän­gen. Es ist der Sound ihrer ers­ten Bands – der Sound von Pave­ment, Gui­ded by Voices oder auch The Cairo Gang. Jeder Ton, jede Note ver­strömt diese ganz intime, authen­ti­sche DIY-Atmo­sphäre. Und die­ses Debüt zeigt, dass es ein Sound ist, der auch 2024 noch aus­ge­zeich­net funk­tio­niert und begeis­tern kann. Oder liegt es daran, dass er mich so sehr geprägt hat? Wie auch immer, diese vier Musi­ker erschaf­fen etwas, das mehr ist als die Summe der ein­zel­nen Teile, obwohl viele der 15 Tracks Erin­ne­run­gen an Pave­ment wach­ru­fen. Aber das liegt sicher daran, dass größ­ten­teils Malkmus mit sei­ner läs­si­gen, non­cha­lan­ten Art den Songs seine Stimme leiht – in gewohnt war­mer, leicht nasa­ler Ton­lage. Und immer irgend­wie leicht schief oder unper­fekt wir­kend. Es ist diese unprä­ten­tiöse, unge­fil­terte Art, die den Songs eine gewisse Zufäl­lig­keit und Authen­ti­zi­tät ver­leiht, dabei ent­spannt gleich­zei­tig wun­der­bare Melo­die­bö­gen spinnt.

Von Glamour-Rock bis Schrammel-Pop

Aber auch die ande­ren Band­mit­glie­der über­neh­men die Gesangs­parts, oft gleich mehr­stim­mig. Ansons­ten herr­schen schmud­de­lige Gitar­ren, fette Riffs und schräge Melo­dien vor. Die Songs schwan­ken zwi­schen tie­fer­ge­leg­tem Gla­mour-Rock wie der schön rockende Ope­ner „Chrome Mess“, 60s-beein­fluss­tem Schram­mel-Pop wie auf „Our Home­town Boy“ oder auch ange­deu­te­tem Power-Punk im Stil der frü­hen Buzzcocks („Rene­gade“). Auch ein seich­ter Coun­try­ro­cker ist dabei: Er trägt den wun­der­schön iro­ni­schen alten Motör­head-Song­ti­tel „Kil­led By Death“ und hat echte Ohr­wurm-Qua­li­tä­ten. Auf dem bril­lant-atmo­sphä­ri­schen „North of Bor­der“ zeigt sich Malkmus in Best­form und besingt mit sei­nem typisch sar­kas­ti­schen Unter­ton den „Bicy­cle-Rider“, und damit ist er Wie­der­ho­lungs­tä­ter, besang er doch mit The Jicks vor sechs Jah­ren die „Bike Lane“. Lie­gen diese enorme Pop-Sen­si­bi­li­tät und das Niveau ihres Song­wri­tings an dem son­der­ba­ren Stoff, den sie in dem wun­der­schö­nen Pave­ment-arti­gen Slow-Blues „Heel High­way“ so loben: „Rust­ling up some liquid hash to make some colors flash“? Ein wei­te­res High­light die­ses an High­lights wahr­lich nicht armen Albums. Diese Vete­ra­nen des Indie­rocks brau­chen nie­man­dem etwas zu bewei­sen. Sie über­ra­schen immer noch mit ihren zugäng­li­chen Melo­dien, ihrer Expe­ri­men­tier­freude und ihrer läs­si­gen Ener­gie, dabei wird ihre gren­zen­lose Liebe zur Musik in jedem Track deut­lich. Das schlägt sich auch in ihren Tex­ten nie­der. Die Lyrics sind vol­ler Anspie­lun­gen auf klas­si­sche Künstler*innen – von Motör­head bis Blue Öys­ter Cult, von Big Star bis Sis­ter Sledge – und so ver­brei­tet das Album die gemüt­li­che Aus­ge­las­sen­heit einer groß­ar­ti­gen Indie-Party, auf der man vor­treff­lich über Musik dis­ku­tie­ren kann. Aber warum The Hard Quar­tet? Wirk­lich hart ist an die­ser For­ma­tion nun tat­säch­lich nichts. Auch will das Cover-Art­work nicht so recht zur Musik pas­sen. Der Neon­schrift­zug ver­weist doch eher auf einen klei­nen Jazz-Nacht­club. Dem Hör­ge­nuss tut dies aller­dings kei­nen Abbruch.