The Hard Quartet
18. Januar 2025 • Metro Theatre, Sydney
Für Anfang 2025 hatten Gabi und ich wieder einmal eine Reise nach Australien geplant – natürlich mit einem längeren Aufenthalt in Sydney, wo am 18. Januar im Metro Theatre die amerikanische Indie-Band The Hard Quartet auftreten soll. Eigentlich ein Pflichttermin, allerdings sah unsere Reiseplanung vor, dass wir zu diesem Zeitpunkt in Terrigal am Strand liegen. Als Gabi vorschlug, unsere Pläne anzupassen, war ich natürlich Feuer und Flamme. Das Metro Theatre liegt in der George Street mitten im Stadtzentrum und ist bestens zu erreichen. Zwei Tage vor dem Konzerttermin wurde uns dann per Mail mitgeteilt, dass am Abend noch zwei Vorbands auftreten und The Hard Quartet erst um 22:20 Uhr starten. Egal, wir wollen nichts verpassen und betreten pünktlich um 20:00 Uhr den Konzertsaal.
Langsames Warmwerden
Als erster Support kündigt sich „Solo Career“ an. Die Musikerin mit dem bürgerlichen Namen Annabel Blackman ist ebenfalls Teil der Sydneyer All-Female-Rockband Body Type. Bei ihrem Soloauftritt kommt der Sound vom Band, ihr Gesang wird zum Teil geloopt, wodurch der Eindruck entsteht, sie wäre ihre eigene Backgroundsängerin. Später wird sie noch E‑Gitarre dazu spielen. In ihren besten Momenten erinnert die Vorstellung an den leicht verspulten, psychedelischen Pop-Sound des amerikanischen Duos Peaking Lights. Für uns Deutsche ist vor allem ihr T‑Shirt bemerkenswert: „Ich bin Solo“ steht da in großen Lettern, und etwas kleiner „Scheißegal…“. Am Ende des knapp halbstündigen Auftritts bittet die Musikerin noch einen befreundeten Sänger auf die Bühne. Deutlich interessanter und rockiger wird es mit dem zweiten Support: R.M.F.C. kommen ebenfalls aus Sydney und spielen schnellen Dance-Punk im 80er-Jahre-Wave-Stil. Laut ihrer Website steht die Abkürzung für „Rock Music Fan Club“, am linken Bühnenrand lässt allerdings ein Flipchart eine andere Interpretation zu: „REALISE MY FULL CAPACITY“ steht dort. Und ja, entsprechend selbstbewusst und überzeugend tritt das Quintett dann auch auf. Alle fünf Musiker*innen stehen auf gleicher Höhe am Bühnenrand. In der Mitte Frontmann, Sänger und Schlagzeuger Buz Clatworthy. Mit zwei Gitarren, eine davon 12-saitig, einem Saxophon und einem grollenden Bass können die Sydneysider mit ihrem durchaus tanzbaren Wave-Sound begeistern. Die meisten Tracks, die sie an diesem Abend spielen, stammen von ihrem überzeugenden aktuellen Album „Club Hits“*”.
Erfahrene Slacker bestens aufgelegt
Wie angekündigt, betritt The Hard Quartet um 22:20 Uhr die Bühne – erwartbar lässig und souverän. Ihr erster Track: das von Stephen Malkmus gesungene, riff-lastige „Earth Hater“ – und natürlich hat man als alter Pavement-Fan zunächst nur Augen für ihn, jenen schlaksigen Slacker mit den unnachahmlich schnoddrigen Vocals und den schrägen Gitarren-Riffs. Aber an diesem Abend haben alle gleichberechtigt ihren Auftritt. Da steht Matt Sweeney, eine weitere lebende amerikanische Indie-Rock-Legende, mit einem schlaffen Fischerhut Malkmus auf der anderen Seite der Bühne gegenüber. Jim White, sonst Schlagzeuger beim australischen Postrock-Trio Dirty Three und sicherlich der beste Schlagzeuger, mit dem Malkmus je gespielt hat, steuert am hinteren Bühnenrand souverän und verschmitzt die Dynamik dieses Live-Sets. Ständig behält er seine Mitspieler im Auge und reagiert umgehend auf ihr Spiel. Emmett Kelly, der vierte im Bunde, den man von The Cairo Gang und als Mitmusiker von Ty Segall kennt, spielt beim Opener zunächst den Bass – aber gefühlt nach jedem Song tauschen die drei Frontmänner ihre Instrumente aus. Beim ersten Instrumentenwechsel kämpft Malkmus noch mit dem Bass, worauf Matt Sweeney lächelnd bemerkt: „The bass is a tricky bitch!“ Aber schnell bekommt Malkmus das ungewohnte Spielgerät in den Griff und pumpt in „Rio’s Song“ einen groovigen Beat, während Matt Sweeney lässig nölt: „For how long and how high do we ride?“
Dynamische Show voller Highlights
Dieser ständige Wechsel der Instrumente und der Vocals ist ein zentraler und belebender Bestandteil der dynamischen Show. Beim atmosphärischen Blues „North of Border“ übernimmt Kelly den Leadsang und stellt sich schüchtern vor: „I’m Emmett Kelly.“ Was Matt Sweeney am Ende des Songs noch einmal wiederholt: „Emmett Kelly from Los Angeles!“ Möglich, dass Kelly vielleicht der Unbekannteste in dieser „Supergroup“ ist, aber insgesamt sticht keiner aus diesem Quartett hervor – jeder dieser erfahrenen Musiker bringt seine individuelle Klasse ein, ohne dabei die harmonische Gesamtwirkung zu stören. Überhaupt scheinen die vier bestens aufgelegt. Ihre spürbare Spielfreude und die charmante, wenn auch sparsame Interaktion mit dem Publikum machen die Show energiegeladen und nahbar. Gegen Mitte des Konzerts bemerkt Sweeney lakonisch: „That’s just our fifth gig of our 2025 tour, and so fat three of our mothers have been there.“ Malkmus darauf: „At our age, you can consider yourself lucky to still have mothers.“ Die Songfolge hält sich weitestgehend an das Tracklisting des Debütalbums, lediglich der Opener des Albums, „Chrome Mess“ – für mich ist dieser harte Glamrocker mit seinen verschraubten Lyrics „Sister sludge to this, I must confess / Life with you becomes a hot chrome mess“ das Highlight des Abends – steht heute am Ende des Sets. Malkmus leitet den Song in alter Rock-Manier ein: „A headbanger for the end: Chrome Mess“ – und dann legt das Quartett los. Leider ist dieser wunderbare Konzertabend damit auch zu Ende. Eine Zugabe wird es nicht mehr geben.
Facettenreiche Performance
Ein Indie-Rock-Erlebnis auf höchstem Niveau, das ruhig etwas länger hätte ausfallen dürfen, aber die Band hat alle Songs ihres 2024er-Debüts gespielt, in dem viel Pavement-Feeling steckt, wie beispielsweise beim zeitlosen, unverkennbaren Malkmus-Song „Hey“. Auch die wunderbare Ballade „Heel Highway“ läßt an Malkmus’ ehemalige Band denken. Der Song funktioniert live fast noch besser als aufgezeichnet und hievt das Publikum in eine glückselige, beschwingte Höhe. Aber auch sonst steckt die gut eine Stunde lange Show voller Juwelen: vom frechen Power-Punk-Song „Renegade“ über Sweeneys klagende Sommerballade „Killed by Death“ bis hin zu Kellys rauchigem „Our Hometown Boy“. Dieses Wechselspiel zwischen Instrumenten und Vocals, dieser Gitarrenzauber – was gibt es daran nicht zu mögen? Überglücklich darüber, dass wir unsere Reisepläne umgestellt haben, um diesem Zauber beizuwohnen, steigen wir in den Bus 442 Richtung Balmain.








