Thurston (Joseph) Moore, geboren am 25. Juli 1958 in Coral Gables, Florida, ist ein US-amerikanischer Musiker, Songwriter und Gitarrist. Als Mitgründer der New Yorker Band Sonic Youth wird er zu einer der Schlüsselfiguren des Noise-Rock. Zunächst ist er Mitglied im No-Wave-Gitarrenorchester von Glenn Branca, bevor er 1981 mit Lee Ranaldo und seiner zukünftigen Ehefrau Kim Gordon die Avantgarde-Band Sonic Youth gründet. Der experimentelle Sound mit seinen unkonventionellen Gitarrenstimmungen und innovative Spieltechniken machen die Band zu einer der wichtigsten des Undergrounds. Als 2011 Moores Ehe mit Kim Gordon zerbricht, löst sich auch die Band auf. Seitdem ist Moore als Solokünstler aktiv. Ein kleines Intermezzo im Bandformat gibt er noch einmal zwischen 2012 und 2015: Mit der Band Chelsea Light Moving veröffentlicht er allerdings lediglich das selbstbetitelte Debütalbum. Tatsächlich macht sich Moore bereits während seiner Zeit bei Sonic Youth einen Namen als Solokünstler. Mit seinem ersten Soloalbum, „Psychic Hearts“ (1995), präsentiert er weniger experimentelle Songs. Nach der Auflösung von Sonic Youth intensiviert Moore seine Soloarbeit. 2007 veröffentlicht er sein zweites Soloalbum, „Trees Outside the Academy“, mit akustischeren und folkigeren Songs. Weitere Alben — teils auf seinem eigenen Label The Daydream Library — folgen, dabei zeigt sich Moore sehr variantenreich: von experimentellem, rein instrumentalem Space-Rock („Spirit Counsel“) über Noise-Rock („By The Fire“) bis hin zu ausgedehnten, hypnotischen Gitarrenarrangements („Rock N Roll Consciousness“) und freien Improvisationen („Screen Time“). Neben seinen Studioalben hat Moore auch zahlreiche experimentelle Arbeiten, Kollaborationen und Improvisationen veröffentlicht. Er ist stets offen für eine Zusammenarbeit mit Künstlern aus verschiedenen Genres, von Free Jazz bis hin zu Noise und Avantgarde-Musik.
Thurston Moore
Flow Critical Lucidity
Veröffentlicht: 20. September 2024
Label: Daydream Library
Shelter my naked soldier
Textausschnitt aus „Sans Limites“
Fixed on future
Remember the things you told her
This daylight is yours
Im Oktober veröffentlicht Thurston Moore über sein eigenes Label Daydream Library mit „Flow Critical Lucidity“ sein neuntes Soloalbum, wobei die Lyrics wie schon beim Album „Rock N Roll Consciousness“ nicht aus der Feder des Sonic-Youth-Gründers stammen, sondern auf den Londoner Dichter Radieux Radio zurückgehen (ein Pseudonym für jemanden, den Moore anonym hält). Sie enthalten lyrische Verweise auf den Zustand der Welt und sind von der Natur, luziden Träumen und modernem Tanz beeinflusst. Der Titel des Albums „Flow Critical Lucidity“ ist dem Text des Tracks „Sans Limites“ entnommen, in dem es heißt „Flow critical lucidity / No weapons for my ardent defender / Unfold like a flower open, tender.“ Das Stück beginnt mit zarten, fernöstlichen Harmonien, um sich langsam mit den für Moore so typischen Gitarrenmelodien zu einem veritablen Indie-Pop-Hit zu drehen. Erst nach der Hälfte des Tracks setzt der Gesang Moores ein, der wenig später von Laetitia Sadier von Stereolab begleitet wird. Er verfolgt laut Moore die Idee, dass ein Soldat den guten Kampf führen kann, als ein Krieger gegen den Krieg. Ein fantastischer Song, es ist der nach dem trägen, leicht schrägen, experimentellen Stück „New in Town“ der zweite Track und bereits ein erstes Highlight.
Zurück zur Natur
Auf „Shadow“ hört man dann deutlich das vertraute Gitarrenspiel von Sonic Youth, das mit einem herrlich verzerrten, fuzzigen Solo endet. Das anschließende hypnotische „Hypnogram“ ist schlicht und einfach und kommt verträumt daher. Passend dazu formuliert Moore leicht süßlich „I’m closing my eyes / To lucid dreams / Reach out your arms when you find me”. Zäh und schleppend – ganz entgegen dem Titel – geht es mit „We Get High“ in einen düsteren, mysteriösen Gothic-Wave-Track über, der sich über sechs Minuten ausdehnt und in einem trockenen, trägen Drumming ausfadet. Der Track „Rewilding“ postuliert ein „Zurück zur Natur“ und nimmt direkt Bezug auf die britische Rewilding-Bewegung, die darauf abzielt, menschliche Eingriffe in die Natur zurückzufahren, um so wieder natürliche ökologische Prozesse einzuleiten. Er wurde wie bereits die Songs „Hypnogram“ und „Isadora“ vor Erscheinen des neuen Albums veröffentlicht, wobei „Isadora“ auf „Flow Critical Lucidity“ erstaunlicherweise gar nicht vertreten ist. Stattdessen beendet der schöne, ruhige Acht-Minuten Track „The Diver“ dieses tolle Album, bei dem wie gewohnt My-Bloody-Valentine-Bassistin Debbie Googe die Akzente setzt und Jon Leidecker aka Wobbly (Negativland) als elektronischer Zeremonienmeister agiert. Ebenfalls zur Band zählen der englische Multiinstrumentalist und Komponist James Sedwards (Nøught), der auf diesem Album Piano, Keyboards und Gitarre spielt, sowie der Londoner Jem Doulton an den Percussions.
Samurai Walkman
Dass Thurston Moore tief in der Welt der bildenden Kunst verwurzelt ist und bei der Covergestaltung gern mit bekannten Künstler*innen zusammenarbeitet, hat er schon zu Sonic-Youth-Zeiten deutlich gemacht. So gestaltete Gerhard Richter das Cover des fünften Studioalbums der US-amerikanischen Rockband („Daydream Nation“), das Cover zu „Dirty“ stammt von dem amerikanischen Künstler Mike Kelley. Für das Artwork von „Flow Critical Lucidity“ konnte Moore seinen langjährigen Freund Jamie Nares mit seiner Arbeit „Samurai Walkman“ – einen mit Stimmgabeln ausgestatteten Helm – gewinnen. Der in Großbritannien geborene Künstler und Thurston Moore kennen sich seit ihren New Yorker No-Wave-Tagen und haben schon oft zusammengearbeitet.