Kapitalismus Blues Band
So um 2003 gründeten Maurice Summen und Gunther Osburg in Berlin die Band Die Türen. Ihr Debüt „Das Herz war Nihilismus“ erschien auf dem Label staatsakt, das eigens dafür ins Leben gerufen wurde. Bis heute ist staatsakt eine unerschütterliche Instanz für gute Musik. Hier sind viele der besten zeitgenössischen deutschsprachigen Bands und Künstler*innen beheimatet – von Ja, Panik über Christiane Rösinger und Masha Qrella bis zu Friends of Gas, nichtseattle und International Music — die Liste ließe sich endlos weiterführen. Aber hier geht es ja um Die Türen, die schwer beschäftigte „Hausband“ des Labels, bei der neben Summen und Osburg, der mittlerweile nicht mehr am Label beteiligt ist, noch Schlagzeuger Chris Imler, Keyboarder Michael Mühlhaus, Bassist Ramin Bijan und Gitarrist Andreas Spechtl mitwirken. Gemeinsam arbeitet man an einem experimentellen und eigenbrötlerischen Sound, der sich nicht so recht einordnen läßt. Natürlich ist es irgendwie Popmusik, aber man findet auch Elemente des (Indie-)Rocks, Punks, Souls oder Elektros. Musikjournalist Thomas Groß bezeichnete sie in einem Interview wegen ihres sperrigen Stilmix und ihrer unkonventionellen Songstrukturen mal als „Glückskeks einer postfordistisch verwalteten Welt“
Textausschnitt aus „Gut für mich, schlecht für die Welt”Ich widersprech‘ mir ja ungern / Aber ständig
Mit „Kapitalismus Blues Band“ feiern Die Türen ihr bereits 20-jähriges Band-Bestehen und auch dieses – sechste – Album ist wieder ein wilder Ritt durch krautige Klangräume, düstere Riffs, partyselige Glückseligkeit und treibende elektronische Sequenzen. Verhandelt wird dabei eine aus den Fugen geratene Welt. Oder wie Sänger Maurice Summen es beschreibt: „Musik mit Gitarren, deutschen Texten und mit Haltung!“ So heißt es gleich im ersten Song des Albums „Gut für mich, schlecht für die Welt“: „Du hörst die Musik / Natürlich nicht auf Spotify / Sondern lädst sie runter auf Bandcamp, werbefrei.“ Um dann zu ergänzen, dass auch diese Variante Teil des kapitalistischen Systems ist, denn: „Aber gehört Bandcamp nicht Epic Games / Und Epic Games Tencent?“ (Mittlerweile wurde Bandcamp von Epic Games an die Streaming-Distributions-Firma Songtradr verkauft, wie ich an anderer Stelle bereits berichtet habe). Und so kommentieren die Türen im fröhlich Retro-Sound den traurigen Zustand des Alltags und die Missstände des Kapitalismus, dessen Raffgier und Jagd nach immer mehr sie im Track „Lost in Invest” veralbern: „Hätte, hätte, Blockchain-Kette“. Sie nehmen sich der vermeintlichen Probleme des bürgerlichen Öko-Mittelstandes an, die ihr Glück im „Tiny House“ suchen, analysieren „Die Angst Des Weißen Mannes“ und nehmen Stellung zur Klimakrise, Kryptoblase oder zum Hass in sozialen Netzwerken — immer nah am Puls der Zeit. Es ist aber „Zu viel los gerade“, wie es im gleichnamigen trancig-psychedelischen Track heißt. Und wenn einem mal alles zuviel wird, verliert man sich im „Party Game“ und raved wie der „letzte Happy Monday“. Die Musik steckt voller alberner Ideen und bewegt sich mit viel Funk-Punk, elektronischem Gefrickel und Billigbeats durch die Genres der Popgeschichte.