Großes Konzert in kleinem Saal

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Bodega
23. September 2024 • Bumann & Sohn, Köln

Bodega im Bumann? Da war doch was. Ach genau, im April 2022 hab’ ich die Band zusam­men mit Urs, Katja und Josi schon mal im Bumann gese­hen und wir waren uns einig, dass die Band aus Brook­lyn uns aufs Vor­treff­lichste unter­hal­ten hat. Urs weis­sagte damals zu Sän­ge­rin Nikki Bel­figlio am Merch­stand: „Great show, next time we’ll defi­ni­tely see you in much big­ger venues.“ Weit gefehlt — ihr 2024er Album „Our Brand Could Be Yr Life“ prä­sen­tiert die Band wie­der im Bumann. Mir soll’s recht sein, ange­nehm klei­ner Club mit tol­ler Atmo. Also nix wie hin – Katja ist wie­der dabei, Tom wird mich aus Düs­sel­dorf eben­falls begleiten.

Welch eine Überraschung

Ich habe ja schon so einige Kon­zerte im Bumann gese­hen, immer gab es einen Sup­port, der meis­tens über­zeugte. Ein Grund, warum ich zu sol­chen Kon­zer­ten immer pünkt­lich sein möchte. Aber die heu­tige Vor­band ist dann wirk­lich eine echte Über­ra­schung: The Klit­tens aus Ams­ter­dam. Ein dop­pel­deu­ti­ger, pro­vo­kan­ter Band­name für eine junge all-female Indie-Rock­band. Man(n) asso­zi­iert „Kit­ten“, aber auch „Kli­to­ris“. In ihren Lyrics machen sie dann auch kei­nen Hehl dar­aus, dass sie dem Patri­ar­chat nach allen Regeln der Kunst in die Fresse hauen wol­len. Live prä­sen­tiert sich das Quin­tett dabei völ­lig unver­krampft, mit einer enor­men Spiel­freude und aus­ge­präg­tem DIY-Spi­rit. Es ist den Hol­län­de­rin­nen nicht anzu­mer­ken, dass sie erst vor fünf Jah­ren mit dem Band­pro­jekt began­nen und damals nur leid­li­che instru­men­tale Fähig­kei­ten besa­ßen. In ers­ten Linie spie­len sie Songs aus ihren bei­den EPs „Citrus” (2022) und „But­ter” (2024), aber auch älte­res Mate­rial wie „Manic Dixi Dream Girl“ aus 2020 gehört zu ihrem 9‑Track-Set. Sän­ge­rin Yaël Dek­ker inter­pre­tiert dabei die Songs, als würde Ian Cur­tis einen Devo-Song per­for­men. Auch Gitar­ris­tin Katja Kahana hat sicht­lich Spaß, fröh­lich hüpft und tanzt sie zu ihrem Gitar­ren­spiel, wäh­rend die zweite Gitar­ris­tin Win­nie Con­radi und Bas­sis­tin Mar­rit Mei­nema sich deut­lich ver­hal­te­ner geben und Lau­rie Zan­ti­nge mit ihren rosa Drum­sticks den Sound mit herr­lich rum­pe­li­gem Schlag­zeug­spiel unter­mau­ert. Mit die­ser dyna­mi­schen Post­punk-Per­for­mance und dem leicht rot­zi­gen Riot-Girrrl Appeal zieht die Band das Publi­kum unwei­ger­lich auf ihre Seite. Ent­spre­chend eupho­risch ist die Stim­mung. Tom meint anschlie­ßend, er hoffe, der Haupt­act könne das Niveau hal­ten. So viel vor­weg: Kann er, und wie!

Ein tolles, unterhaltsames Live-Set

Die Beset­zung, soviel war schon im Vor­feld klar, wird eine andere sein als im April 2022. Bas­sist Adam See und Schlag­zeu­ger Adam Shum­ski unter­stüt­zen nun­mehr das Kern­team um Gitar­rist und Lead­sän­ger Ben Hozie, Sän­ge­rin Nikki Bel­figlio und Lead­gi­tar­rist Dan Ryan. Durch diese Ver­än­de­rung ist der Sound der New Yor­ker Art-(Post-)Punk-Band ins­ge­samt deut­lich rocki­ger und trei­ben­der gewor­den. Tat­säch­lich wird Hozie spä­ter fra­gen: „Do you like our new indie-rock-style. Should we go more like that?“ Also ich hätte nichts dage­gen. Die New Yor­ker zei­gen sich an die­sem Abend ein­mal mehr in Best­form: Sie star­ten ihr 22-Song-Set mit kul­tu­rell-poli­ti­schen Kom­men­ta­ren, die über Laut­spre­cher ein­ge­spielt wer­den, um dann naht­los in den Track „Net­work“ über­zu­ge­hen, wäh­rend im Büh­nen-Hin­ter­grund in Dau­er­schleife eine Pro­jek­tion mit den ani­mier­ten Visu­als ihrer Alben­co­ver star­tet. Vol­ler Selbst­ver­trauen und mit fri­scher Punk-Atti­tüde spu­len sie ihr nahezu 1,5‑stündiges Set ab, dabei sind es nicht nur die aktu­el­len Tracks des Albums „Our Brand Could Be Yr Life“, die begeis­tern. Auch alte Favo­ri­tes wie die wun­der­schöne Hymne „Shiny New Model“ oder das trei­bende „Name Escape“ unter­strei­chen das Poten­zial die­ser Band. Höhe­punkt des Abends ist sicher­lich das instru­men­tal aus­ufernde „Tar­kov­ski“ mit einem aus­ge­dehn­ten, ful­mi­nan­ten Gitar­ren­solo von Dan Ryan, an dem er selbst sicht­bar Gefal­len fin­det. Direkt im Anschluss folgt der Shou­ter „How Did This Hap­pen“ vom Album „End­los Scroll“ mit der man­tra­haft wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung „It’s new world now, don’t dis­cri­mi­nate / ever­yone is equally a mas­ter and a slave“. Dabei lebt die gesamte Per­for­mance von ihrer Dyna­mik und den wech­seln­den Vocals der bei­den Hauptakteur*innen Nikki Bel­figlio und Ben Hozie, wobei die Front­frau hin­ter ihrem mini­ma­len Stand-Up Drum-Kit mit ihrem char­mant exal­tier­ten Auf­tre­ten und ihrer unglaub­li­chen Power zu fas­zi­nie­ren ver­mag. Dazu kommt der fast sar­kas­ti­sche, post­mo­derne Witz der Lyrics, bei denen der Zustand des markt­ori­en­tier­ten Kapi­ta­lis­mus immer wie­der im Mit­tel­punkt ihrer Kri­tik steht. Es ist beste Unter­hal­tung auf allen Sei­ten. Und wie oben schon ange­deu­tet: Das Niveau sei­ner Show hält das Quin­tett mühe­los über das gesamte Set. In die Zugabe gehen sie mit ihrer eigen­wil­li­gen Cover­ver­sion des Fugazi-Titels „Pro­vi­sio­nal“, um im Anschluss mit „Doers“ die You­Tube-Selbst­hilfe-Influen­cer aufs Korn zu neh­men. Ihre Show been­den sie mit dem extrem kur­zen Speed-Punk-Song „Monthly Fol­lower“ – dabei haben sie so viel Spaß, dass sie ihn gleich zwei­mal spie­len. Völ­lig ver­schwitzt geht es raus in die Nacht…

Auf High-Rotation

Nach die­sem Kon­zert ist eins sicher: Bodega gebührt in mei­ner Play­list ein High-Rota­tion-Sta­tus. Auch Tom ist auf der Heim­fahrt vol­ler Begeis­te­rung, meint aber auch, „The Klit­tens“, auf die auch Ben Hozie wäh­rend sei­nes Auf­tritts mehr­fach aner­ken­nend hin­weist, sollte man im Ohr behalten.