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Yo La Tengo

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Yo La Tengo (oft auch abge­kürzt als YLT) gehö­ren schon seit Jah­ren — ok, ich steh’ zu mei­nem Alter — seit Jahr­zehn­ten zu mei­nen All-Time-Favs. Bereits 1984 wurde die Band in Hobo­ken, New Jer­sey von Ira Kaplan und sei­ner Frau Geor­gia Hub­ley gegrün­det. Beide ver­eint neben ihrer tie­fen musi­ka­li­schen Lei­den­schaft eine große Begeis­te­rung für Base­ball — daher auch ihr Name: Yo La Tengo ist spa­nisch und bedeu­tet über­setzt „Ich habe ihn“. Ein Aus­druck im Base­ball, mit dem man dem Mit­spie­ler mit­teilt, dass man den Ball fan­gen wird. Nach anfäng­lich häu­fi­gem Beset­zungs­wech­sel am Bass spielt seit 1992 James McNew auf die­ser Posi­tion. Bereits das ers­tes Album „Ride the Tiger“, zur der Zeit noch im Quar­tett mit Dave Schramm und Mike Lewis ein­ge­spielt, wurde von den Kri­ti­kern mit viel Lob bedacht und mit den fol­gen­den Ver­öf­fent­li­chun­gen avan­cier­ten YLT schon bald bei Insi­dern und Musik­jour­na­lis­ten zu einer der wich­tigs­ten Bands der 1990er Jahre. Ein ech­ter kom­mer­zi­el­ler Erfolg blieb den Kri­ti­ker­lieb­lin­gen aller­dings bis heute ver­wehrt. Aber wie meint der mitt­ler­weile 66jährige Kaplan: „Es gibt Schlim­me­res, als ‚Kri­ti­ker­lieb­ling’ genannt zu wer­den. Und natür­lich emp­finde ich das als Kompliment.“

Yo la Tengo, This stupid World

Yo La Tengo
This Stupid World

Ver­öf­fent­licht: 10. Februar 2023
Label: Mata­dor

I see what you see, I see wintеr still
I see clearly how it ends
I see the moon rise as the sun descends

Text­aus­schnitt aus „Sina­tra Drive Breakdown”

„This Stu­pid World“ ist mitt­ler­weile das 18. regu­läre Album der Band und dabei das erste, das kom­plett ohne exter­nen Pro­du­zen­ten und Mischer ent­stan­den ist. Anfäng­lich war wohl der Plan, dass jemand das Abmi­schen spä­ter über­neh­men wird, aber als die drei die ers­ten Auf­nah­men gemacht hat­ten, waren sie so zufrie­den damit, dass sie beschlos­sen, „This Stu­pid World“ ganz allein auf­zu­neh­men. Und das wirkt sich im posi­ti­ven Sinn auch auf das Album aus, es klingt unmit­tel­bar und spon­tan, ja zuwei­len denkt man, man würde einer sen­sa­tio­nell guten Live-Auf­nahme lau­schen. Gleich das erste Stück „Sina­tra Drive Break­down“ geht in die Vol­len. YLT at its Best: Eine ein­gän­gige, rhyth­mi­sche Melo­die umgarnt von knur­ren­den, herr­li­chen Fuzz-Gitar­ren wird von einem groo­vi­gen Bass läs­sig nach vorn getrie­ben und ent­wi­ckelt dabei den typi­schen unver­wech­sel­ba­ren Sound die­ses Trios. Ein Track, der sich über sie­ben Minu­ten aus­brei­tet und bei der Stange hält, das alles klingt stark nach dem herr­li­chen, aus­la­den­den „Pass The Hat­chet, I Think I’m Good­kind“ aus dem Jahr 2006, wobei auch im wei­te­ren Ver­lauf des Albums bei aller Ver­traut­heit nie der Ein­druck auf­kommt, hier wür­den alte Ideen neu auf­ge­wärmt. Alles hört und fühlt sich auf wun­der­same Weise und trotz Dis­tor­tion und Ver­zer­rung weich und ein­fühl­sam an — nicht zuletzt wegen der zum Teil gehauch­ten, aber zumeist zärt­lich vor­ge­tra­ge­nen Gesangs­parts, gerne auch mal im Duett. Die aus­ge­dehn­ten instru­men­ta­len Pau­sen und Outros sind dabei nie über­flüs­sig, son­dern las­sen einen tie­fer in die Atmo­sphäre der Songs ein­tau­chen. Es muss eine unglaub­li­che musi­ka­li­sche Ver­traut­heit und ein hohes Ver­ständ­nis unter­ein­an­der herr­schen, um ein solch fri­sches, authen­ti­sches Album jam­mäs­sig ein­zu­spie­len. „This stu­pid world, it’s kil­ling me“, heißt es schließ­lich im Titel­track — und wei­ter: „This stu­pid world is all we have“. Die­ser ener­gi­sche, repe­ti­tive Shoe­gaze-Track mit sei­nen mäch­ti­gen Ver­zer­run­gen und Rück­kopp­lun­gen klingt dann doch unge­wohnt fata­lis­tisch — und beim nächs­ten Track mit dem zar­ten „Miles away“, der ganz lang­sam in eigene Sphä­ren ver­schwin­det, heißt es noch: „Bur­dens rise, Avert your eyes, The pain creeps in anyhow“ (Die Las­ten stei­gen, Wen­det eure Augen ab, Der Schmerz schleicht sich trotz­dem ein). Das klingt aus­weg­los und depres­siv, doch Yo La Tengo blei­ben hoff­nungs­voll und beto­nen die Mög­lich­kei­ten und Chan­cen, die wir haben.

Yo La Tengo blei­ben — nicht nur für mich — ein­fach unver­zicht­bar, weil sie es immer wie­der schaf­fen, ihre Liebe zur Musik hör­bar zu machen und dabei so unwi­der­steh­lich unprä­ten­tiös blei­ben. Im April wer­den sie auch in Deutsch­land wie­der live zu sehen sein und Kaplan ver­spricht in einem Inter­view mit dem ndr: „Wir rei­sen mit einem Glücks­rad, auf dem unter­schied­li­che Spiel­wei­sen unse­rer Songs ver­merkt sind. Jede Show beginnt mit jeman­dem aus dem Publi­kum, der daran dreht und so die erste Hälfte des Pro­gramms zusam­men­stellt. Ich freue mich dar­auf.“ — Ich werde dabei sein und auch ich freue mich rie­sig dar­auf… (Ich werde berich­ten, wie es war.)