Byggesett Orchestra ist eine experimentelle Band aus Mönchengladbach und ging 2013 aus dem Projekt „belgium“ hervor. Die Band ist bekannt für ihre genreübergreifende Herangehensweise und ihre unkonventionelle Fusion. Ihr Sound ist geprägt von elektronischen Grooves, vielschichtigen Klanglandschaften und einer starken künstlerischen Vision. In ihren instrumentalen, zumeist episch langen Klangreisen vermischen sie Ambient, Contemporary Jazz, Elektronik und Postrock zu einer homogenen, kraftvollen Soundlandschaft. Dabei ist ihre Lust an ausschweifenden Improvisationen – auch auf ihren Studioaufnahmen – deutlich zu spüren und macht ihre Live-Auftritte zu einem intensiven Erlebnis. Das Quartett besteht aus Georg Sehrbrock (Piano, Synth), Peter Körfer (Bariton-Gitarre, Loops), Schlagzeuger Andre Hasselmann und Trompeter Markus Türk – allesamt talentierte Musiker, die wunderbar harmonieren und eine einzigartige, eklektische Ästhetik in ihrer Musik vermitteln. „Byggesett Orchestra“ kommt übrigens aus dem Schwedischen und heißt soviel wie „Baukasten-Orchester“ — eine poetische Umschreibung dessen, was dieses Quartett so besonders macht: Musiker unterschiedlichster musikalischer Herkunft schaffen aus vielen musikalischen Bauteilen einen überzeugenden, ganz eigenen Sound quer über alle Genres.
Das 2024 Album „Poems About Everything“ wurde wie alle Vorgänger völlig unabhängig produziert und publiziert – finanziert größtenteils über eine Crowdfunding Community. Konsequent setzt das Quartett aus Mönchengladbach sein musikalisches Konzept fort, vermischt Postjazz, Elektro, Minimal und Postrock zu einer ganz eigenen Melange. Und dennoch hat sich auf diesem Album etwas verschoben. Es klingt jazziger mit viel Freestyle, aber auch Prog-Rock-Momente mit harten Riffs tauchen verstärkt auf.
Verträumt und energetisch
Auf „Poems About Everything“ findet man fünf Tracks, von denen sich alle bis auf einen auf gut über zehn Minuten ausdehnen. Das zweieinhalb-minütige „Coral“ teilt das Album in zwei Hälften. Es ist ein kurzes, verträumtes Lullaby, auf dem lediglich Gitarre und Trompete den Ton angeben. Wie „Coral“ tragen alle Tracks die Namen harmonisch aufeinander abgestimmter Farbnuancen – ziemlich passend für ein gleichzeitig verträumtes wie energetisches Album. Es startet mit „Sand”, minimal-krautig baut sich der Track mit repetitiven Soundflächen auf, die überlagert werden von melodischen Pianoläufen, zunehmend grätschen Gitarre und Trompete im Wechsel dazwischen – und mit den einsetzenden treibenden Drums wechselt der Track in einen wunderbaren Trance-Rock, in dem ein ausgelassenes Trompetensolo Akzente setzt. Auch „Ochre“ baut sich langsam auf, beginnt pluckernd mit einem zarten Piano-Theme, das von der Trompete aufgenommen und fortgeführt wird, jazzzig improvisieren die Drums und die Gitarre legt pschychedelische Klanglandschaften darüber und ein Hauch von Miles Davis‘ „On the Corner“ weht durch das Stück.
Faszinierendes Fusion-Album
Richtig jazzig wird es mit „Mauve“ (die Farbe der Wilden Malve, ein rötliches Violett) – dieser Track lebt vor allem vom Wechsel zwischen funkig-rockigen und ambient-postrockigen Parts, in denen immer wieder kleine melodische E‑Piano-Skizzen auftauchen. Gegen Ende gibt dann eine elektronisch verfremdete Trompete den Ton an. Im letzten Track „Teal“, eine Bezeichnung für eine blau-grüne Farbe (aquamarin, smaragdgrün, türkis), die ihrerseits von der Farbe der Krickente (engl.: „Common Teal“) abgeleitet ist, startet mit einem sphärisch schwebenden Klangteppich, verziert mit luftigen E‑Piano-Kaskaden und verträumten Trompeten-Motiven, bis sich langsam steigernd treibende Drums einschleichen. Mit „Poems About Everything“ ist den Mönchengladbachern ein faszinierendes Fusion-Album gelungen, das Jazz mit Funk, Minimal und Rock aufs Beste verbindet und von repetitiven Rhythmen und elektronischen Effekten bestimmt wird.