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Cameron Winter

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 2 Minu­ten

Came­ron Win­ter, gebo­ren 2002 in New York, ist ein US-ame­ri­ka­ni­scher Musi­ker, Sän­ger, Kom­po­nist und Pro­du­zent. Bekannt wurde er zunächst als Front­mann der New Yor­ker Art-Rock-Band Geese, die 2021 mit ihrem Debüt­al­bum Pro­jec­tor schlag­ar­tig Auf­merk­sam­keit erregte. Win­ters rauer Gesang, sein Gespür für ver­schach­telte Melo­dien und seine eigen­wil­lige Mischung aus Post-Punk-Ener­gie und Art-Pop-Expe­ri­men­ten mach­ten ihn schnell zum unge­wöhn­li­chen Lea­ding-Man einer jun­gen, hung­ri­gen Indie-Szene. Wäh­rend Geese ihren Sound in Rich­tung kon­trol­lier­ten Chaos und psy­che­de­li­scher Ver­spielt­heit erwei­ter­ten, ent­wi­ckelte Win­ter par­al­lel eine immer stär­ker aus­ge­prägte Vor­liebe für mini­ma­lis­ti­sche, intime Kom­po­si­tio­nen. Ende 2024 ver­öf­fent­lichte er schließ­lich sein Solo-Debüt Heavy Metal“: ein radi­ka­ler Stil­bruch, der Piano-Bal­la­den, Cham­ber-Pop und sur­reale Text­wel­ten mit­ein­an­der verwebt. 

Cameron Winter, Heavy Metal

Cameron Winter
Heavy Metal

Ver­öf­fent­licht: 6. Dezem­ber 2024
Label: Par­ti­san Records

I am full of heavy metals
I am a heavy metal man
I have work in the morning
I have two bags over each hand
Textausschnitt aus Cancer of the Skull”

Came­ron Win­ters Solo-Debüt trägt einen irri­tie­ren­den Titel: Heavy Metal“ – denn musi­ka­lisch pas­siert das Gegen­teil. Statt Gitar­ren­wucht domi­niert ein schwe­ben­der Mix aus Folk, Soul und neo­klas­si­schem Cham­ber-Pop. Win­ter, sonst Front­mann von Geese, stellt das Piano ins Zen­trum und baut spar­same Arran­ge­ments aus Hör­nern, Strei­chern und zar­ten Holz­blä­sern. Alles wirkt roh, unkon­ven­tio­nell und eigen. Dazu kommt seine Stimme: krat­zig, sehn­süch­tig, vol­ler inne­rer Zer­ris­sen­heit – kaum zu glau­ben, dass der Sän­ger erst Anfang 20 ist.

Kryptische Texte, surreale Bilder

Win­ters Lyrics sind rät­sel­haft, melan­cho­lisch, sur­real – und doch intui­tiv ver­ständ­lich. Im Eröff­nungs­track The Rol­ling Stones“ seziert er Rock­my­then mit lako­ni­schem Humor: Like Brian Jones I was born to swim…“ Eine iro­ni­sche Ver­beu­gung, eher Kom­men­tar als Nost­al­gie. Das­selbe gilt für seine selt­sa­men, char­man­ten Bil­der, die den Songs eine schwer greif­bare, poe­ti­sche Ver­schro­ben­heit verleihen.

Songs in der Schwebe

Nau­si­caä“ schwebt über einem äthe­ri­schen Pia­no­tep­pich und ver­knüpft Miya­za­kis Anime-Klas­si­ker mit der grie­chi­schen Mytho­lo­gie. Die Stim­mung ist mär­chen­haft und ent­rückt, aber immer intim. Love Takes Miles“ schlägt mit trei­ben­dem Schlag­zeug und klim­pern­dem Kla­vier fast den Bogen zu Pop – bis Win­ters brü­chige Stimme alles wie­der ins Unge­wisse zieht. In Drin­king Age“ mischt er sar­kas­ti­sche All­tags­be­ob­ach­tun­gen mit melo­di­scher Leich­tig­keit: ein jun­ger Musi­ker, der klingt wie ein alter, müder Trin­ker. In den USA liegt das gesetz­li­che Min­dest­al­ter für Alko­hol-Kon­sum von ein­heit­lich bei 21 Jah­ren. „$0“ hin­ge­gen wirkt wie ein klei­nes Ritual: eine düs­tere Kla­vier­bal­lade, deren lit­ur­gi­sche Wie­der­ho­lun­gen weni­ger Glau­ben pre­di­gen als exis­ten­zi­elle Ver­lo­ren­heit. God is real – God is real /​I’m not kid­ding“ zeugt eher von Humor denn Glauben.

Das dunkle Herz des Albums

Der stärkste Moment ist Can­cer of the Skull“: ein mor­bid-schö­nes Stück, getra­gen von Akus­tik­gi­tarre, Kla­vier und leicht ver­zerr­ten Hör­nern. Die Melo­dien wir­ken medi­ta­tiv und zugleich ver­stö­rend; ein Song, der Angst und Zärt­lich­keit inein­an­der fal­tet und lange nachhallt.

Sonderbar schön

Mit Heavy Metal“ grenzt sich Win­ter klar von sei­ner Band ab. Das Album ver­zich­tet auf Hooks und klas­si­sche Struk­tu­ren, statt­des­sen regie­ren Zwei­fel, Düs­ter­nis und ein skur­ri­ler Humor. Wer sich auf die Reduk­tion und die poe­ti­sche Unschärfe ein­lässt, fin­det ein Debüt vol­ler Mut, Mys­tik und zar­ter Schön­heit – ein Werk, das Zeit braucht, dafür aber umso län­ger nachklingt.