Cameron Winter, geboren 2002 in New York, ist ein US-amerikanischer Musiker, Sänger, Komponist und Produzent. Bekannt wurde er zunächst als Frontmann der New Yorker Art-Rock-Band Geese, die 2021 mit ihrem Debütalbum Projector schlagartig Aufmerksamkeit erregte. Winters rauer Gesang, sein Gespür für verschachtelte Melodien und seine eigenwillige Mischung aus Post-Punk-Energie und Art-Pop-Experimenten machten ihn schnell zum ungewöhnlichen Leading-Man einer jungen, hungrigen Indie-Szene. Während Geese ihren Sound in Richtung kontrollierten Chaos und psychedelischer Verspieltheit erweiterten, entwickelte Winter parallel eine immer stärker ausgeprägte Vorliebe für minimalistische, intime Kompositionen. Ende 2024 veröffentlichte er schließlich sein Solo-Debüt „Heavy Metal“: ein radikaler Stilbruch, der Piano-Balladen, Chamber-Pop und surreale Textwelten miteinander verwebt.
I am full of heavy metals
I am a heavy metal man
I have work in the morning
I have two bags over each hand
Textausschnitt aus „Cancer of the Skull”
Cameron Winters Solo-Debüt trägt einen irritierenden Titel: „Heavy Metal“ – denn musikalisch passiert das Gegenteil. Statt Gitarrenwucht dominiert ein schwebender Mix aus Folk, Soul und neoklassischem Chamber-Pop. Winter, sonst Frontmann von Geese, stellt das Piano ins Zentrum und baut sparsame Arrangements aus Hörnern, Streichern und zarten Holzbläsern. Alles wirkt roh, unkonventionell und eigen. Dazu kommt seine Stimme: kratzig, sehnsüchtig, voller innerer Zerrissenheit – kaum zu glauben, dass der Sänger erst Anfang 20 ist.
Kryptische Texte, surreale Bilder
Winters Lyrics sind rätselhaft, melancholisch, surreal – und doch intuitiv verständlich. Im Eröffnungstrack „The Rolling Stones“ seziert er Rockmythen mit lakonischem Humor: „Like Brian Jones I was born to swim…“ Eine ironische Verbeugung, eher Kommentar als Nostalgie. Dasselbe gilt für seine seltsamen, charmanten Bilder, die den Songs eine schwer greifbare, poetische Verschrobenheit verleihen.
Songs in der Schwebe
„Nausicaä“ schwebt über einem ätherischen Pianoteppich und verknüpft Miyazakis Anime-Klassiker mit der griechischen Mythologie. Die Stimmung ist märchenhaft und entrückt, aber immer intim. „Love Takes Miles“ schlägt mit treibendem Schlagzeug und klimperndem Klavier fast den Bogen zu Pop – bis Winters brüchige Stimme alles wieder ins Ungewisse zieht. In „Drinking Age“ mischt er sarkastische Alltagsbeobachtungen mit melodischer Leichtigkeit: ein junger Musiker, der klingt wie ein alter, müder Trinker. In den USA liegt das gesetzliche Mindestalter für Alkohol-Konsum von einheitlich bei 21 Jahren. „$0“ hingegen wirkt wie ein kleines Ritual: eine düstere Klavierballade, deren liturgische Wiederholungen weniger Glauben predigen als existenzielle Verlorenheit. „God is real – God is real /I’m not kidding“ zeugt eher von Humor denn Glauben.
Das dunkle Herz des Albums
Der stärkste Moment ist „Cancer of the Skull“: ein morbid-schönes Stück, getragen von Akustikgitarre, Klavier und leicht verzerrten Hörnern. Die Melodien wirken meditativ und zugleich verstörend; ein Song, der Angst und Zärtlichkeit ineinander faltet und lange nachhallt.
Sonderbar schön
Mit „Heavy Metal“ grenzt sich Winter klar von seiner Band ab. Das Album verzichtet auf Hooks und klassische Strukturen, stattdessen regieren Zweifel, Düsternis und ein skurriler Humor. Wer sich auf die Reduktion und die poetische Unschärfe einlässt, findet ein Debüt voller Mut, Mystik und zarter Schönheit – ein Werk, das Zeit braucht, dafür aber umso länger nachklingt.


